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DUELL DER STERNE

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Im Sommer 1982 kochte die Stimmung auf dem staubigen Fußballplatz einer Münchner Bezirkssportanlage, die von allen nur »Stadion Rote Erde« genannt wurde. Gegenüber standen sich die Mannschaften des »Aubergine« und des »Tantris« – eine Konstellation von ungeheurer emotionaler Tragweite, weshalb diesem interstellaren Zusammentreffen nicht einmal der Vergleich des Stadtderbys FC Bayern München gegen den TSV 1860 München standhalten konnte. De facto handelte es sich bei den Kontrahenten schließlich um das erste und das zweite Drei-Sterne-Lokal Deutschlands.

Nachdem sich Eckart Witzigmann 1978 mit der Eröffnung des Restaurants »Aubergine« selbstständig gemacht hatte, übertrug er die Leitung des »Tantris«, seiner ersten Münchner Wirkungsstätte und der Wiege der Produktrevolution in der deutschen Küche, seinem ehemaligen Mitarbeiter Heinz Winkler, der wenige Jahre später bravourös nach Sternen gleichzog. Seitdem hing ein großes Fragezeichen über der Stadt: Wer ist besser? »Tantris« oder »Aubergine«? Um dies ein für alle Mal zu klären, vereinbarte man nach Kochmanier kurzerhand, den »Krieg der Sterne« auf dem Rasen auszutragen.

Die Küchenmannschaft des FC Aubergine nahm das prestigeträchtige Küchenduell äußerst ernst. Torwart Johann Lafer trainierte selbst an seinen freien Tagen, während sich Kapitän Eckart Witzigmann am Tresen der Max-Joseph-Bar im ersten Stock seines Lokals von befreundeten Fußballprofis und Stammgästen wie Franz »Bulle« Roth vom FC Bayern München und dem ehemaligen Mittelfeldregisseur der Münchner Löwen, Hans Haunstein, taktische Tipps geben ließ. An der Magnetpinnwand am Küchenpass, wo normalerweise die Küchenbons für die Bestellungen der einzelnen Tische hingen, wurden mit einem wasserlöslichen Filzstift Spielzüge skizziert. Dass für die Köche in der Woche vor dem Spiel ein nächtliches Ausgehverbot galt, ist allerdings bis heute ein unbestätigtes Gerücht.

Am Tag der Entscheidung stand das Team des »Aubergine« hochmotiviert auf dem Platz – mit frisch geputzten Stollenschuhen, Schienbeinschonern, weißen kurzen Satinsporthosen und lilafarbenen Trikots, die das Logo ihres Sponsors, des französischen Spirituosenherstellers Rémy Martin, zierte. Johann Lafer trug nagelneue Handschuhe.

Und dann kam der FC Tantris auf den Platz, Heinz Winkler an der Spitze. »Meine Herren, war das ein Bild«, lacht Eckart Witzigmann. »Die hatten ganz normale Sportsachen an und trugen zum Teil nur einfache Turnschuhe.« »Stimmt genau«, erinnert sich Johann Lafer. »Und dann waren die auch nur zu acht.«

Damit das Spiel überhaupt stattfinden konnte, musste Eckart Witzigmann dem Gegner ein paar Männer aus den eigenen Reihen »leihen«. Man darf annehmen, dass es sich hierbei nicht um seine Topspieler gehandelt hat, doch genau die liefen nun zu ungeahnter Form auf. Von ihren kleinen Sticheleien wie »Macht’s ihr Sport auch?« ließen sich die vermeintlichen Underdogs des FC Tantris jedoch nicht beeindrucken.

Kurz vor Ende der zweiten Halbzeit dann geschah das Unerwartete: Es stand 2:2 und der Führungstreffer für den FC Aubergine lag in der Luft, da beendete Heinz Winkler plötzlich das Spiel und verließ mit geschlossener Mannschaft den roten Sandplatz. Er musste dringend zu einem Termin …

Ein Nachfolgespiel in dieser Konstellation gab es nie wieder. Streng genommen ist also noch eine Rechnung offen. Schwamm drüber! Denn Eckart Witzigmann ist bis heute überzeugt: »Die bessere Mannschaft war schon die ›Aubergine‹.«

Beim Anblick des alten Mannschaftsfotos des FC Aubergine bemerkt Eckart Witzigmann bei seiner zweiten Weißwurst, die er nicht wie in Bayern oft üblich zuzelt, sondern fein säuberlich filetiert: »Du hattest ja damals noch gar keinen Bart, Johann. Das fällt mir jetzt erst auf. Wann kam der eigentlich ins Spiel?«

Eine durchaus berechtigte Frage, schließlich ist Johann Lafers Schnauzer für viele heute sein »Markenzeichen«. »Den hab ich mir für eine Zahnpastawerbung wachsen lassen. Nach meiner ›Aubergine‹-Zeit ging’s ja nach Berlin. Und dort hat man mich am Ku’damm vor dem ›Burger King‹ angesprochen. Da bin ich nach meiner Arbeit im neu geplanten Gourmetrestaurant im ›KaDeWe‹ hin, weil ich so gut wie pleite war. Mein erstes Gehalt sollte ich erst am Monatsende bekommen und meine Mutter hatte mir nur 500 Schilling mitgegeben, das wären heute ungefähr 35 Euro.«

Damit seine vorbildlich weißen Zähne noch besser zur Geltung kämen, sollte er sich einen Bart wachsen lassen, der den Kontrast noch verstärkte, meinte der Werbefotograf, der ihn damals anwarb. »Das hat ewig gedauert. Und als es so weit war, rief die Werbeagentur an und meinte, sie hätten sich für jemand anderen entschieden.«

Eine Werbestar wurde Johann Lafer später trotzdem, wenn auch nicht wegen seines Schnauzers, den er seitdem nie wieder abnahm. Es war sein Talent, mit seiner unnachahmlichen Art Menschen jeglicher Couleur für genussvolles Essen zu begeistern – ob im Fernsehen, im Restaurant oder bei seinen Kochkursen, die er bereits seit 2008 auch unter freiem Himmel anbietet und seit Neuestem sogar teilweise online, um nur einen Bruchteil seines Betätigungsfeldes zu nennen.

Die Basis für seine kulinarische Handschrift, die er heute als »auflafern« bezeichnet, ist die Kunst der süßen Küche. Die beherrschte er schon zu Beginn seiner Kochkarriere wie kein Zweiter in der deutschen Gastroszene und sie wurde lange vor seinem Bart zu seinem Markenzeichen auf dem Teller.

Eine Freundschaft - 100 Rezepte

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