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DAS PRODUKT IST DER STAR

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Dass maximale Qualität die Grundvoraussetzung des guten Geschmacks ist, diese Küchenweisheit hat sich Johann Lafer zu seinem kulinarischen Lebensmotto gemacht. Das freut Eckart Witzigmann sehr, schließlich hat er selbst den Satz »Der Star in der Küche ist das Produkt« mitgeprägt. Mit diesem Claim to Fame wollte er im Zuge seiner gefeierten Drei-Sterne-Küche in aller Bescheidenheit klarstellen, dass nicht dem Koch, sondern den Lebensmitteln die Starrolle zukam. Was wiederum bedeutet: Der Koch kann bloß so gut sein wie die Zutaten, die er verwendet. »Das hat mir der Paul Bocuse neben dem Bohnenschnippeln beigebracht«, sagt Eckart Witzigmann. »Beim genussvollen Kochen spielt das Produkt die Hauptrolle. Also ist er jeden Tag zum Markt gefahren und hat sich das Beste vom Besten ausgesucht. Er nannte seine Küche daher nicht Nouvelle Cuisine, sondern Cuisine du marché, also eine frische Marktküche. Mit diesem Begriff konnte auch ich mich immer besser identifizieren.«

In Frankreich hat der damalige Jungkoch also etwas Entscheidendes verinnerlicht: Gute Küche beginnt mit dem Einkauf erstklassiger Produkte. Die Kunst des Kochens besteht dann eigentlich »nur noch« darin, den Geschmack dieser hochwertigen Lebensmittel so authentisch wie möglich herauszuarbeiten, sie geschickt mit wenigen anderen Produkten wie frischen Kräutern, aber teilweise auch säurebetonten Komponenten wie feinem Essig zu kombinieren und diese essbaren Wunderwerke der Natur in ihrer einzigartigen Schönheit auf dem Teller zu präsentieren.

»Genau das ist bis heute Eckarts und mein Hauptthema, dieses Feingefühl und ästhetische Anfassen von Produkten aus Respekt vor der Schöpfung«, erklärt Johann Lafer. »Wir brauchen keine dekonstruierte Jakobsmuschel. Ich finde, es ist heutzutage schon eine Herausforderung, überhaupt gute Jakobsmuscheln zu bekommen und die dann gut zuzubereiten. Man kann die Natur nicht perfekter machen, als sie ohnehin schon ist.«

Für Eckart Witzigmann war es 1971 bei der Eröffnung des »Tantris«, der Wiege des deutschen Küchenwunders, schon eine Herausforderung, frischen Estragon zu bekommen. Hochqualitative Produkte, mit denen er als Jungkoch in Frankreich bei den großen Meistern Paul Bocuse und Paul Haeberlin gewohnt war zu arbeiten, waren in Deutschland schwer zu bekommen. Doch um den eher skeptischen Münchnern zu zeigen, dass seine Interpretation der Nouvelle Cuisine nichts mit französischen Verwandtschaftsverhältnissen zu tun hatte, sondern eine leichte, am Produkt orientierte Genussküche mit Anleihen aus der feinen französischen und österreichischen Küche war, die das Essverhalten im deutschsprachigen Raum auf den Kopf stellen würde, brauchte er dringend entsprechend gute Ware. Einfache Gartenkräuter wie Basilikum, Thymian oder Kerbel, wie man sie heute so gut wie überall ganz selbstverständlich in Bioqualität beziehen kann, musste Eckart Witzigmann noch hinterm »Tantris« selbst ziehen. Immerhin ging damit indirekt ein Kindheitstraum in Erfüllung, denn als Bub wollte er, genauso übrigens wie Johann Lafer, Gärtner werden.

»Ohne meine Beziehungen nach Frankreich war zu Beginn an erstklassige Ware in der Menge, die ich benötigte, nicht ranzukommen.«

Eckart Witzigmann

Bei erstklassigem Fisch, Fleisch oder Geflügel war es aber schon schwieriger. Er konnte ja schlecht mitten in der Stadt einen Bauernhof eröffnen. »Es gab zwar einige wenige gute Produzenten und Händler in Deutschland«, erinnert sich Eckart Witzigmann. »Aber ohne meine Beziehungen nach Frankreich war an erstklassige Ware in der Menge, die ich benötigte, anfangs einfach nicht ranzukommen. Dank der Großzügigkeit von Fritz Eichbauer, dem Inhaber und Erbauer des ›Tantris‹, wurden daher etwa lebende Krustentiere, Meeresfische, frische Bressehühner, Kaninchen und Käse aus Frankreich eingeflogen. Das Interessante ist ja, dass der Viktualienmarkt damals von der Logistik her bereits ziemlich gut aufgestellt war. Nur die Nachfrage war halt noch nicht da.«

Mittlerweile brummt es auf dem Viktualienmarkt wie in einem Bienenstock und es gibt alles, was das Gourmetherz begehrt. Daran ist Eckart Witzigmann nicht ganz unschuldig. Schließlich hat er mit gleichgesinnten Köchen wie Dieter Biesler vom Münchner »Hotel Vier Jahreszeiten«, Otto Koch (»Le Gourmet«) oder Hans-Peter Wodarz (»Die Ente im Lehel«) ein eigenes Vertriebsnetz zu französischen Produzenten und Märkten wie dem weltberühmten Pariser Großmarkt »Rungis« aufgebaut. Dieses haben später unter anderem die Lebensmittelgroßhändler und Produktfanatiker Georg Kastner und Karl-Heinz Wolf mit ihrem »Rungis Express« deutschlandweit zu einer florierenden Drehscheibe aus Produzenten und Lieferanten erweitert, die sich auf die hohen Ansprüche der Gastronomie eingestellt hat und bis heute wächst. Davon profitiert auch die immer größer werdende private Feinschmeckerszene. Jüngstes Mitglied dieses Netzwerks ist Johann Lafer mit dem partnerschaftlichen Erwerb des virtuellen Delikatessenversandhandels »Gourmondo«, der das ganze Jahr über gleichbleibende Qualität anbietet.


»Dass heute jeder Zugang zu einer Entenbrust oder einem Loup de mer in Spitzenqualität hat, ist tatsächlich auf diese Münchner Keimzelle zurückzuführen«, resümiert Eckart Witzigmann, während er im Vorbeigehen die Angebote der Stände im Blick hat. »Das war die Demokratisierung der Spitzenküche.« Als verlässliche Quelle gehörte dann auch recht schnell der Münchner Viktualienmarkt dazu, wo es damals hinter vorgehaltener Hand noch hieß: »Der Gspinnerte mit dem Franzosenkäppi ist wieder da.« Denn Baskenmütze, lange Koteletten, Jackett mit aufgenähten Armschonern, schwarze Anzughose und glänzende Stiefeletten waren einst Eckart Witzigmanns Markenzeichen. An diesem milden, klaren Sommertag tragen er und Johann Lafer im dichten Gewimmel dagegen einen Mundschutz (den beide nur für die Fotos abnehmen). Trotzdem werden sie von den Marktfrauen und Verkäufern sofort erkannt und hochachtungsvoll mit Namen begrüßt. Und Hella Witte, Inhaberin des gleichnamigen Fischgeschäfts, das direkt neben dem von Eckart Witzigmanns damaligem Händler »Fisch Maier« liegt, ruft sogar freudestrahlend: »Da kommt der schönste Mann Deutschlands!« – womit sich selbstverständlich beide Köche angesprochen fühlen.

Eine Freundschaft - 100 Rezepte

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