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WIE ALLES BEGANN …

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Als die noch junge Sternegastronomie ab 1971 mit Eckart Witzigmann als impulsgebenden Spielmacher ihren Siegeszug gegen den kulinarischen Einheitsbrei in der deutschen Restaurantlandschaft antrat, war die Patisserie ein neuralgischer Punkt. Im Land der Dichter und Denker gab es nun mal keine jahrhundertelange Nachspeisentradition wie im Genussparadies Frankreich, wo in den Auslagen der Patisserien Leckereien aus Schokolade und andere zuckrige Verführungen heute noch wie Schmuckstücke präsentiert werden. Auch in der Schweiz und in Österreich war man den Deutschen auf dem süßen Sektor zu dieser Zeit stets ein paar Schritte voraus.

Hierzulande gute Patissiers zu finden, war folglich eine Herausforderung. »Das war das große Manko«, sagt Witzigmann. »Ganz anders als in Frankreich. Die hatten exzellente Köche, die gleichzeitig sehr gute Patissiers waren.« In deutschen Toplokalen waren innovative Süßspeisenköche dagegen fast schon Mangelware und wurden daher genauso heiß umworben wie heute außergewöhnlich talentierte Fußballstars. Schließlich liegt der gelungene Abschluss eines jeden Menüs schon immer in den Händen eines kreativen Patissiers. Und so kam Johann Lafer ins Spiel, der 1980 gerade erst zum besten Patissier Deutschlands gekürt worden war. Darüber hinaus war er auch noch Torwart! »Das war natürlich wie ein Sechser im Lotto«, sagt Eckart Witzigmann, »mit Superzahl.«

Lafers Desserts, Sorbets, Kuchen, Pralinen und Petits Fours, bis ins letzte Detail liebevoll angerichtet, waren für damalige Verhältnisse State of the Art. Sein Signet: Verzierungen auf dem Teller, mit Puderzucker und frischer Minze zum Beispiel, aber auch Nocken aus Mousse und selbst gemachte Eiscreme. Seine Dekorationen waren unter anderem von der Wiener Süßspeisenküche inspiriert, etwa vom Muster der legendären Esterházy-Torte, einer cremigen Reminiszenz an die k.-u.-k.-Monarchie: Aus verschiedenen Saucen komponierte Johann Lafer einen sogenannten Saucenspiegel mit gezogenen Mustern, auf dem dann das Dessert angerichtet wurde. Solche hingebungsvollen Tellergemälde hatte bis dato niemand gesehen, geschweige denn vernascht. Entsprechend begeistert war das Publikum. Sein Ruf eilte Johann Lafer voraus. Wahrscheinlich erfand er mit seiner unverkennbaren Handschrift für Nachspeisen sogar den ersten Signature Dish.

Keine Frage, diesen angehenden österreichischen Dessertkönig wollte Eckart Witzigmann unbedingt in seinem Team haben, zu dem stets hervorragende Patissiers zählten, wie Marion Schweigart, Markus Bischoff, Hans-Josef Decker, Marcus Heering oder Stephan Franz. Doch der aufstrebende Johann Lafer arbeitete damals noch in den »Schweizer Stuben« in Wertheim-Bettingen unter der Küchenleitung der Brüder Dieter und Jörg Müller – und die schätzte Eckart Witzigmann sehr, auch wenn sie offiziell als Konkurrenten gehandelt wurden. »Die ›Schweizer Stuben‹ und das ›Aubergine‹«, erklärt Johann Lafer, »das war damals für manche so wie heute Borussia Dortmund und Bayern München.«

Nach einem Vorstellungsgespräch, das der österreichische Foodfotograf und Erfinder der Zeitschrift »Gourmet«, Johann Willsberger, ein Jahr zuvor diskret eingefädelt hatte, wechselte Johann Lafer dann schließlich zur Nummer eins an die Isar. So eine Chance konnte er sich als Profi einfach nicht entgehen lassen. Endlich durfte er in der Küchenmannschaft des »Aubergine« mitspielen. Daher ließ er sich auch nicht vom ersten Eindruck der Küche entmutigen: Sie hatte die Größe eines Ein-Zimmer-Appartements mit Besenkammer und begehbarem Kleiderschrank. Auf engstem Raum rührten, schnitten, schnippelten und brieten dort bis zu 16 Mann, während große Töpfe auf den Herdplatten in der Mitte vor sich hin simmerten …


»Also eins werd ich nie vergessen«, greift sich Johann Lafer lachend an den Kopf, der inzwischen mit Eckart Witzigmann über den Münchner Viktualienmarkt streift, um Waren für das anschließende Fotoshooting zu besorgen. »Da hat ein Koch auf dem Gemüseposten von so kleinen Prinzessböhnchen den Faden gezogen. Ich hab davor noch nie in meinem Leben so dünne Böhnchen gesehen. Ich kannte ja nur diese breiten Schlangenbohnen bei meiner Mutter zu Hause. Und da hab ich mir spontan gesagt: Mensch, Johann, hoffentlich musst du das nie machen.«

»Mei, so hab ich das eben gelernt beim Bocuse mit 26«, verteidigt sich Eckart Witzigmann schmunzelnd. »Die hat er über alles geliebt, diese streichholzdünnen Prinzessbohnen. Besonders in seinem ›Salade gourmande à la Bocuse‹. Und wehe, du hast diese kleinen Bohnenstangen nicht der Länge nach gegen die Naht halbiert. Da hat der keinen Spaß verstanden. Weil nur so die klitzekleinen Bohnenkerne nachher im Salat nicht rausfallen können. Alte Schule.«

Johann Lafer musste zwar nie Prinzessböhnchen putzen, dafür gab es im »Aubergine« drei Mann auf dem Gemüseposten, im Fachjargon Entremetier genannt. Aber durch die einzigartige Witzigmann-Schule musste auch er als Chef-Patissier. Dabei lernte er, was einen guten von einem sehr guten Koch unterscheidet: der bedingungslose Qualitätsanspruch – an das Produkt, aber auch an sich selbst.

Eine Freundschaft - 100 Rezepte

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