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BAGUETTEUNTERM ARM

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Von Johannes

Eine ganze Woche liege ich schwer grippig in der Koje. Draußen regnet es fast die ganze Zeit. Glücklicherweise bin ich kurz vor dem Besuch des Kamerateams noch in die Berge über Dartmouth zu einem Baustoffhandel gelaufen, wo ich einen Heizlüfter gekauft habe. Denn unseren hatten wir in Deutschland zurückgelassen. »Den brauchen wir ja bald nicht mehr«, hatten wir gemeint. Bei dem steilen Aufstieg kam ich gut ins Schwitzen und zog meine Jacke aus. Dabei muss ich meinem sowieso schon erschöpften Körper den Rest gegeben haben. Zurück an Bord, schnitt ich den britischen Stecker ab und befestigte einen deutschen. Immer gut, wenn man welche dabeihat.

So liege ich nun eine ganze Woche lang unter Deck in der Wärme des Heizlüfters und kuriere meine Grippe aus. Und schaue gleichzeitig immer neugierig aufs Wetter, obwohl es das Internet schwierig macht. Wir haben kaum Empfang an Bord. Also finde ich endlich Gelegenheit, die WLAN-Antenne von Lunatronic fertig zu installieren, die schon auf dem Mast montiert ist. Außerdem löte ich das Radarkabel zusammen und ziehe alle Litzen anschließend einzeln durch eine Schale mit Sikaflex. So werden die Verbindungen wasserfest versiegelt. Beim Testlauf zeigt der Radarschirm ein gestochen scharfes Bild. Sehr schön! Arne hat uns aus Deutschland auch ein Reservegetriebe für den Autopiloten mitgebracht. Mal sehen, wie lange das Ding hält.

Ein großes Wetterfenster, das uns eine Überfahrt nach Spanien ermöglichen würde, ist nicht zu erkennen. Aber immer wieder kleinere Fenster. Also überrasche ich Cati eines Tages mit einem neuen Plan: »Übermorgen gibts Baguette zum Frühstück.« Camaret-sur-Mer klingt irgendwie romantisch und sieht auf der Karte und den Bildern im Internet auch so aus. Und es ist nur 145 Seemeilen entfernt. Eigentlich wollten wir Frankreich auslassen, aber wenn es nicht anders geht, dann segeln wir halt erst mal dorthin.

Für die Überfahrt ist strammer Nordwind angesagt. 4 bis 5 Beaufort. Gegen 11 Uhr werfen wir die Leinen los, setzen noch im River Dart die Segel und rauschen aus der Flussmündung hinaus auf die offene See. Das Schiff rennt. 7 Knoten, 7,5 Knoten. Das Groß ist zweifach gerefft, die Genua steht voll. Ich fühle mich nicht wohl, denke übers Reffen nach. Aber dann denke ich: »Was soll passieren? Alles ist brandneu und überdimensioniert!« Ein vollkommen neues Gefühl für mich, so ein frisch überholtes Schiff zu segeln, bei dem man sich keine Gedanken um Materialversagen machen muss. Also lasse ich MAVERICK TOO laufen. Hinüber nach Frankreich.

Der Wind kommt von schräg achtern und MAVERICK TOO kommt immer wieder ins Surfen. Mir macht das Spaß, aber Cati eher weniger. Sie liegt in der Steuerbordkoje und es geht ihr ziemlich elendig. Ich verbringe den Großteil des Tages an Deck und friere in der kalten Oktoberluft. Irgendwann raffe ich mich auf und koche mir unter Deck eine Tasse Brühe, um mich aufzuwärmen, und spreche einen Kommentar für unser Videotagebuch: »Es ist doch wirklich unfassbar, wie anders das Leben hier auf See ist. Wir könnten jetzt warm und trocken in unserem Haus vorm Kamin sitzen und den dampfenden Atem der Kühe auf dem Deich beobachten. Stattdessen sitze ich hier und dampfe selber mit meinem Atem. Ich komme mir vor wie ein Obdachloser, versuche mich halbwegs trocken und warm zu halten und erfreue mich an meiner wärmenden Brühe. Eigentlich sollte ich mich fragen: Warum tun wir uns das eigentlich an?«

Nach einer harten Nacht sitze ich, als die Sonne aufgeht, mit einem heißen Kaffee in der Plicht und sehe die französische Küste am Horizont. Dann sind die ersten Fischer zu erkennen. Die Sonne wärmt mich, und es ist ein wunderbarer Morgen. Erst als wir in der Ansteuerung von Camaret-sur-Mer sind, kommen bei Cati langsam die Lebensgeister zurück. Sie schaut zumindest schon mal unter der Sprayhood hervor, wird aber noch fast 24 Stunden mit den Nachwehen der Seekrankheit zu kämpfen haben.

Ich mache mir zunehmend Sorgen, dass ihre Seekrankheit ein großes Problem werden könnte. Ich habe früher auch immer etwa eine Woche gebraucht, um mich an die Bewegungen zu gewöhnen. Aber das sollte bei Cati dann längst vorbei sein, und ich befürchte langsam, dass sie zu den Personen gehört, die ihre Seekrankheit nie ganz verlieren. Cati sorgt sich ebenfalls und fühlt sich zusätzlich mies, dass ich nun seit bereits 806 Seemeilen als Einhandsegler unterwegs sein muss.

»Du kannst ja zum Hafenmeister laufen und uns schon mal anmelden«, schlage ich vor, als wir längsseits am Steg liegen und die Leinen fest sind. »Wie jetzt, ich?«, fragt Cati. »Na klar. Du hast doch mal Französisch in der Schule gehabt. Wie lang, drei Jahre?« »Vier sogar«, antwortet sie. »Aber ich weiß NICHTS mehr.« 20 Minuten später ist Cati zurück und strahlt übers ganze Gesicht. »Na siehste, hast wohl doch noch was gewusst«, sage ich. »Ja. Ich konnte sie immerhin noch fragen, ob sie Englisch spricht. Und das tut sie«, lacht Cati.

Der Heizlüfter brummt, ich sitze am Kartentisch, und plötzlich meldet sich das Handy. Unser alter Freund Uli Schürg ist am Telefon, ein Bootshändler aus Bremen. »Hallo, Johannes! Ich habe eure letzten Blogeinträge verfolgt und mitgefiebert«, sagt er. »Und ich hab gelesen, dass Cati so schwer mit Seekrankheit zu kämpfen hat. Probiert doch mal Rodavan aus. Wir hatten auch ein paar Fälle von Seekrankheit bei uns in der Familie. Seitdem heißt es: ›Ohne Rodavan will ich nicht fahrn.‹«

Dieser Tipp wird Catis ganzes Leben an Bord für immer verändern. Sofort google ich danach und finde Rodavan S Grünwalder mit dem Wirkstoff Dimenhydrinat. Den kennen wir bereits aus den Superpep-Kaugummis, die Cati jedoch nicht so mochte, da sie schnell bitter schmecken und die Zunge lähmen. Außerdem mag sie kein Kaugummi kauen, wenn ihr Magen rebelliert. Doch Rodavan enthält die zweieinhalbfache Menge des Wirkstoffs und ist eine Tablette. »Die sind im Magen und bleiben dann auch drin«, schlussfolgere ich.

Rodavan gibt es in Frankreich nicht, aber wir finden im Internet heraus, dass das französische Äquivalent Mercalm heißt. Das haben die Skipper der Vendée Globe offenbar auch an Bord. Es enthält die gleiche Menge Dimenhydrinat wie Rodavan, aber zusätzlich noch zehn Milligramm Koffein, da Dimenhydrinat offenbar etwas müde macht. Am nächsten Morgen gehen wir zur Apotheke und kaufen eine Packung Mercalm. Wir sind gespannt. Auf dem Rückweg kaufen wir eine große Stange Baguette, die ich mir demonstrativ unter den Arm klemme. »Jetzt fallen wir hier als Touristen weniger auf«, lache ich.

Eine ganze Woche liegen wir aufgrund von Starkwind in Camaret-sur-Mer fest. Schön ist das nicht, denn hier ist schon Nebensaison: Alle Geschäfte dicht, und die Duschen kalt. Umso begeisterter sind wir, als sich endlich die Möglichkeit zur Weiterreise ergibt. Das Meer soll sehr ruhig sein, 1,20 Meter Welle. Leider aber nur sehr leichter Südwind. »Aber das sollte reichen, um hoch am Wind über das Kontinentalschelf zu kommen, bevor Wind und Wellen wieder zunehmen«, erkläre ich Cati. Denn dort steigt der Meeresgrund von 4.500 Meter Tiefe auf 100 Meter Tiefe. Die Wellen, die zigtausend Seemeilen weit Anlauf hatten, um sich im Atlantik aufzubauen, stolpern dort häufig und brechen. Deshalb sollte man in diesem tückischen Revier nur dann unterwegs sein, wenn das Wetter stabil ist und die Wellen moderat sind. Am zweiten Tag soll der Wind laut Wetterbericht dann zurückkommen, mit 4 bis 5 Beaufort. Und für den dritten Tag ist dann für die letzten 100 Seemeilen vor der spanischen Küste wenig Wind angesagt, während es im Norden der Biskaya weiterhin ordentlich weht. »Besser einen großen Teil bei Flaute über die Biskaya motoren, als im Sturm da drüberzubügeln«, erwidert Cati.

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