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IM TIEFFLUG NACH
MADEIRA

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Von Johannes

»Mal sehen, ob wir meine alte Zeit unterbieten«, lache ich, als ich am Morgen des 17. Dezember den Motor starte. Schwerfällig erwacht er zum Leben. »Hast du damals nicht acht Tage gebraucht?«, fragt Cati. »Wir müssen ja ohnehin schneller sein, sonst verpassen wir den Flieger.« Sie hat recht. Eine gute Woche haben wir noch für die rund 550 Seemeilen. Dann müssen die Leinen fest sein und wir uns auf dem Flughafen befinden. Denn wir haben schon aus Viana do Castelo einen Heimflug gebucht, um die Weihnachtsfeiertage zu Hause zu verbringen.

Heimflüge kommen bei den »älteren« Langfahrtseglern oft merkwürdig an. »So was haben wir früher nicht gemacht«, habe ich schon öfter gehört. Und es fühlt sich auch komisch an, aus dem Leben an Bord zurück nach Hause zu kommen und die Heimat so zu erleben, als wäre nichts gewesen. Und so kommt dieser Rückflug für uns selber überraschend und eigentlich auch zu früh. Denn wir hatten uns auf mindestens ein Jahr Abwesenheit eingestellt. Aber wir hatten auch gemerkt, dass sich unsere Familien damit schwertaten, dass wir an Weihnachten nicht da sein würden. »Wieder mal«, wie es meine Mutter ausdrückte. Also hatte ich spaßeshalber nach Flügen geschaut und echte Schnäppchen gefunden, die nun dazu führen, dass wir einen festen Termin und damit etwas Stress haben.

Tagelang haben wir die Abfahrt wegen des schweren Wetters hinausgezögert, bis kaum mehr Zeit übrig war. Vor drei Tagen haben wir uns dann von Oeiras zum weiter draußen am Atlantik gelegenen Hafen Cascais verholt, weil dort Post auf uns wartete. Cascais ist nicht gerade preiswert, aber der Postservice ist zuverlässig. Gestern wollten wir dann gleich nach Madeira starten, zeitgleich mit Thomas aus Oeiras. Aber schon in der Tejomündung bekamen wir ordentlich Wind und Wellen auf die Nase. Gewaltige Seen rollten aus Norden an. Immer wieder kam MAVERICK TOO ins Surfen. Cati ging es hundeelend, und auch die Windsteueranlage gelangte an ihre Grenzen. Da wir nicht noch gut 36 Stunden durch diese schwere See jagen wollten, bevor sich die See laut Wetterbericht beruhigen soll, entscheiden wir uns nach etwa zehn Seemeilen für die Umkehr. Wir funkten Thomas an, um ihm davon zu unterrichten, und er meldete nur kurz zurück, dass sie weiterfahren würden. Denn seine Tochter Cindy sollte am 20. Dezember auf Madeira landen. Also mussten sie durch.

Heute soll es also noch mal losgehen. Der Wind weht immer noch mit 25 Knoten aus Norden und die Wellen sind bis vier Meter hoch. Doch die Aussicht, dass der Wind über Nacht nachlassen wird, beruhigt. Mit dem dritten Reff und halb weggerollter Genua segeln wir mit dauerhaft 7 Knoten direkt aufs Ziel zu.

Die ersten 24 Stunden auf See geht es Cati dreckig. Sie nimmt zwar die Seekrankheitstabletten, aber an die raue See und das ungewohnte Gehüpfe des Bootes muss sie sich erst noch gewöhnen. Daher verbringt sie die meiste Zeit in der Koje. Doch am Morgen des zweiten Tages auf See überrascht sie mich plötzlich damit, dass sie mir einen Kaffee an Deck bringt. »Soll ich gleich mal Wache gehen?«, fragt sie. »Aber gern.« Ich trinke meinen Kaffee und falle in die Koje. Als ich drei Stunden später wach werde, sitzt Cati am Kartentisch und liest. »Wie, du kannst auf See lesen?«, staune ich. »Ja, mir wird gar nicht mehr schlecht«, freut sie sich.

Wir rauschen und rauschen, immer wieder zwischen 6 und 7 Knoten. Es geht toll voran. Die Navionics-App zeigt immer frühere Ankunftstermine an. In der vierten Nacht auf See halte ich bereits nach Madeira Ausschau. Doch die Insel ist wieder mal von dicken Wolken umgeben. Schon zu Zeiten der Entdeckerfahrten galt Madeira als schwer zu finden, da sich die Nordseite immer wieder im Dunst verbirgt. Im Morgengrauen können wir dann unter den dicken Wolken jedoch erste Küstenstriche erkennen. Wir sausen auf die Ostseite der Insel zu und segeln durch den Kanal, der die Insel von der Nachbarinsel Porto Santo trennt. Wir gelangen in den Landschutz der Ostküste, die Wellen glätten sich, und vor uns liegt unser Zielhafen, Quinta do Lorde. Genau 96 Stunden waren wir unterwegs. Ein Schnitt von 5,6 Knoten. Das ist fantastisch. Und genau doppelt so schnell wie damals mit MAVERICK.

Als wir in den Schutz der Hafenmauer einbiegen, sehen wir bereits die LILLY-MARIE an einem der Schwimmstege liegen. Wir legen Bug-an-Bug an und freuen uns alle über das Wiedersehen. »Du wirst es nicht glauben«, beginnt Thomas gleich zu erzählen. »Wir haben auf dem Weg hierher einen Wal gerammt!« Wow, das ist so ziemlich der Horror eines jeden Seglers. »Und, nix kaputtgegangen?«, frage ich. »Nee, das war überraschend angenehm. Wie in einen Fender hineinzusegeln. Wohl durch den ganzen Tran unter der Haut«, erklärt Thomas. »Ich wusste vor Schreck erst mal gar nicht, was ich machen soll, also hab ich Jola unter Deck geschickt, die Bilgen kontrollieren«, sagt er. »Alles dicht. Aber dann muss der Wal wach geworden sein und hat eine Flosse in die Höhe gestreckt, direkt neben dem Cockpit. Mann, ist mir da das Herz in die Hose gerutscht.«

Zu zweit auf See

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