Читать книгу Steuerstrafrecht - Johannes Franciscus Corsten - Страница 246
b) Prozessuale Tat und materielle Tateinheit/Tatmehrheit
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Eine einheitliche Handlung i.S.d. § 52 StGB stellt stets zugleich eine Tat im prozessualen Sinne dar.[1209] Mehrere selbstständige Handlungen i.S.d. § 53 StGB bilden eine einheitliche prozessuale Tat gem. § 264 StPO, wenn die einzelnen Handlungen derart miteinander verknüpft sind, dass der Unrechts- und Schuldgehalt der einen Handlung nicht ohne die Umstände, die zu der anderen Handlung geführt haben, richtig gewürdigt werden kann und ihre getrennte Würdigung und Aburteilung als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs empfunden wird.[1210] Dazu genügt weder ein Gesamtplan, noch ein zeitliches Zusammentreffen der tatmehrheitlich begangenen Taten.[1211]
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Im Steuerstrafrecht werden Umfang und Reichweite der prozessualen Tat nach Auffassung des BGH maßgeblich durch die steuerlichen Vorschriften bestimmt.[1212]
Da die Festsetzung der Einkommensteuer als Jahressteuer aufgrund einer Steuererklärung erfolgt (§§ 2 Abs. 7, 25 Abs. 1, Abs. 3 S. 1, 36 Abs. 1 EStG), liegt bei der Hinterziehung hinsichtlich eines Veranlagungszeitraums materiellrechtlich und prozessual eine einheitliche Tat vor.[1213] Maßgeblich dafür ist die Festsetzung. Die verschiedenen Einkunftsarten bilden insoweit lediglich Rechnungsposten (§ 2 Abs. 1, Abs. 5 S. 1 EStG). Einkommensteuer kann somit nur insgesamt und nicht bzgl. einzelner Einkunftsarten hinterzogen werden.
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Für die Hinterziehung von USt wird bei Voranmeldungen und Jahreserklärung desselben Jahres prozessual eine einheitliche Tat i.S.d. § 264 StPO angenommen.[1214] Hingegen werden die Hinterziehung von EUSt und die nachfolgende Hinterziehung von USt nicht als eine Tat i.S.d. § 264 StPO bewertet.[1215]
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Verschleiert der Täter im Rahmen eines Gewerbebetriebes laufend Lohnzahlungen, so sind bei sachlich-rechtlicher Tatmehrheit Lohnsteuerhinterziehung einerseits sowie Vorenthalten von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung andererseits mehrere Taten im prozessualen Sinne.[1216] Dies gilt auch, wenn der Täter den Betrieb von vornherein darauf angelegt hat, Arbeitnehmer illegal („schwarz“) zu beschäftigen und soweit er hinsichtlich derselben Arbeitnehmer innerhalb derselben Zeiträume weder Lohnsteuer anmeldet noch Beiträge zur Sozialversicherung und zur Bundesanstalt für Arbeit an die berechtigte Kasse abführt.[1217]
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Unrichtige Angaben in verschiedenen Abschnitten des Besteuerungsverfahrens zählen nicht zu einem einheitlichen Lebensvorgang i.S.d. § 264 StPO, so dass es sich nicht um dieselbe Tat im prozessualen Sinn handelt. Macht der Täter im Festsetzungsverfahren unrichtige Angaben zu den Besteuerungsgrundlagen und erreicht damit eine zu niedrige Steuerfestsetzung so handelt es sich demgegenüber bei unrichtigen Angaben zu seinen Vermögensverhältnissen und der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung im Vollstreckungsverfahren mit dem Ziel, zu verhindern, dass wegen der bereits festgestellten Steueransprüche in sein Vermögen vollstreckt wird, um unterschiedliche Lebenssachverhalte. Die rechtskräftige Verurteilung des Täters wegen Steuerhinterziehung im Festsetzungsverfahren bewirkt deshalb im Hinblick auf die Taten der Steuerhinterziehung im Beitreibungsverfahren keinen Strafklageverbrauch.[1218] Materiell-rechtlich stehen die Taten im Verhältnis der Tatmehrheit zueinander. Das gilt auch dann, wenn der Täter von Anfang an beabsichtigte, auch im Beitreibungsverfahren unrichtige Angaben zu machen.[1219] Der Freispruch vom Vorwurf einer im steuerlichen Rechtsbehelfsverfahren abgegebenen falschen eidesstattlichen Versicherung, die in Tateinheit mit der Steuerhinterziehung steht, verbraucht die Strafklage wegen Steuerhinterziehung.[1220]