Читать книгу Scriptor Praxis: Diagnostizieren, Fordern und Fördern (6., überarbeitete Auflage) - Johannes Greving - Страница 11
1.4 Diagnoseziele: Auslese oder Fördern und Fordern
ОглавлениеBildungspläne und Kerncurricula, Bildungsstandards und Kompetenzen haben die Arbeit der Lehrer verändert. Sie geben im Unterricht – je nach Empfinden – ein hilfreiches Gerüst oder ein einengendes Korsett vor. Gerade wenn es verstärkt um formale, quantifizierbare, standardisierte und genau vorgeschriebene Leistungsnachweise geht, gilt es, einen eigenen Handlungsspielraum zu sichern. Selbstredend ist unbestritten, dass die Schule als wertende, beurteilende Instanz, die nicht zuletzt die Sozialchancen für das weitere Leben vergibt, diese standardisierten Leistungen einfordern muss, aber wer Schule primär unter diesem Aspekt sieht, verliert zu oft den einzelnen Schüler als Individuum und Persönlichkeit aus den Augen, schert zu leicht alle über einen Kamm. Ein wirklicher pädagogischer Förderbegriff dagegen muss von individuellen Kategorien ausgehen, von vorneherein den Bereich der Motivation im Auge haben und folgende Fragen umschließen:
Ist das, was der Lehrer von seinem Schüler verlangt, leistbar, anschaulich, transparent?
Kann der Schüler die Sinnhaftigkeit der eingeforderten Leistung überhaupt nachvollziehen?
Ergibt sich das, was (z. B. in Form von Hausaufgaben) eingefordert wird, aus dem tatsächlichen Unterrichtsgeschehen und den dort erarbeiteten Problemen, oder ist es aus jahrelanger und vom Lehrplan her abgesicherter Routine entstanden?
Das ist alles deutlich zeitaufwändiger und fordert vom einzelnen Lehrer viel Engagement, schafft aber in unseren Augen drei Vorteile, die wir für überaus gewichtig halten und die die Zusatzarbeit mehr als wieder wettmachen:
Das individuelle Fordern ist Basis und Grundlage jedes Förderprozesses.
Diese Art des Forderns und Förderns bringt jeden Schüler deutlich besser und weiter voran als jede Form des „Rasenmäherprinzips“.
Der Schüler sieht und bemerkt die Mühe, die der Lehrer sich gibt, sowie die Arbeit und das Engagement, das hinter seinem Konzept steht – und damit ist die grundsätzliche Reziprozität gegeben: Der Lehrer fordert sich selbst und gibt den Schülern ein Beispiel, dass und wie man bei sich selbst anfangen muss, wenn man Leistung von anderen verlangt!