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Weise Frauen

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Doch schon in der Antike gab es eben auch einen anderen Blickwinkel.

Eine Perspektive sind die Moiren, drei Frauen, fürs Schicksal zuständig. Obwohl die wirklichen Götter allesamt Männer waren, waren die Schicksalsgöttinnen immer Frauen. Sie vereinen Geburt und Tod.

Es wird in diesem Buch noch viel von der Geburt, von der Schwangerschaft, von der Zeit vor der Schwangerschaft und von der Schicksalhaftigkeit dieser Lebensphase die Rede sein. In den Moiren ist sie schon vorweggenommen.

Die drei Moiren bestimmen über unser aller Leben. Klotho, die Spinnerin. Sie ist es, die unseren Lebensfaden spinnt. Lachesis, die Zuteilerin, misst diesen Lebensfaden und teilt das Lebenslos zu. Atropos, die Unerbittliche, schneidet den Lebensfaden ab.

Die ihnen zugeteilten Attribute sind die Spindel, das goldene Messer und eine Wasserschale, aus der die Zukunft gelesen werden kann. Spannend, die weibliche Weitsicht. Klotho als Jungfrau, Lachesis als Mutter, Atropos als alte Frau. Man hat das Schicksal damals schon gegendert.

Das ewig Weibliche zieht uns nicht zuletzt deswegen an, weil es mit der Entstehung des Lebens und daher mit der Entstehung des Schicksals verbunden ist. Leben und Schicksal sind Synonyme.

Die Götter sind in der griechischen Mythologie dem Wirken der Moiren unterworfen, sie haben keine Gewalt über die Schicksalsfrauen. Selbst Zeus, der Göttervater, kann nicht hineinpfuschen und keine ihrer Entscheidungen widerrufen.

Die Kernaussage ist: Die Moiren sind immer lebenswegzeichnend. Sie bestimmen das Schicksal. Aber – es ist nicht unausweichlich. Kommt ein Mensch dem Tod vor seiner ihm bestimmten Zeit sehr nahe oder plant er Dinge, die mit seinem oder dem Schicksal anderer nicht übereinstimmen, können ihm die Moiren warnende Gedanken schicken.

Wir hören dieses: Obacht! Wir sagen »innere Stimme« dazu oder Gewissen. Der Stimme des Herzens zu folgen, ist in diesem Sinne existenziell wichtig. Wer dagegen handelt, verschuldet möglicherweise sein weiteres Schicksal selbst.

Mit dem Segen der Moiren können Menschen ihr Schicksal beeinflussen. Und zum Guten wenden. Darum arbeiten die drei eng mit Nemesis, der Göttin des gerechten Zorns, der Vergeltung, zusammen. Und mit Aidos, der Göttin des Gewissens.

Auch die Mutter schickt warnende Gedanken, das ist ebenfalls nicht uninteressant. Und mit diesen Gedanken, hat man sich vorgestellt, kann man möglicherweise in das Schicksal eingreifen. Die Warnung mag nicht direkt in den Geist fahren wie eine Erleuchtung oder ein Download aufs Handy. Es genügt ein leises Gefühl, dass da etwas nicht richtig ist. Irgendetwas stimmt nicht.

Zwei Aspekte ziehen sich bildhaft bis in die Moderne: die Nemesis, der Zorn, und Aidos, das Gewissen. Mit beiden agiert der Mensch. Er schneidet sich möglicherweise selber den Lebensfaden ab, im Zorn. Einhalt gebietet nur das Gewissen, das empfiehlt, nicht blind loszupreschen, sondern ein paar Schritte zurückzutreten oder innezuhalten.

Das Schicksal bereitet sich vor, es ist ein longitudinaler Prozess, und die Gedanken spielen eine enorm wichtige Rolle dabei, denn aus den Gedanken kommen die Taten, im schlimmsten Fall sogar die Schicksalsschläge und Katastrophen. Unsere Gedanken, um die es in diesem Buch auch noch ausführlich gehen wird, können der rote Teppich sein, auf dem das Schicksal in unser Leben stolziert. Sein Beginn ist oft nichts anderes als etwas Gedachtes, nichts als Energie.

Die Botschaft ans Universum, könnte man sagen. Sie kommt an wie eine E-Mail an den lieben Gott.

Die Anatomie des Schicksals

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