Читать книгу Licht und Schatten - Johannes Kunz - Страница 15

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Im Jänner und Februar 1945 häuften sich die Luftangriffe auf Aussig, wobei meine Mutter immer häufiger Tiefflieger registrierte: »Man wurde angewiesen, sich sofort flach auf den Boden zu legen, sobald man einen solchen Tiefflieger über seinem Kopf bemerkt. An einem lauen Vorfrühlingstag begab ich mich nach Arbeitsschluss wie immer auf den Heimweg, freute mich auf die frische Luft und das erste schüchterne Vogelgezwitscher, als ich gleich zwei Flieger mit lautem Getöse herannahen hörte. Erschrocken schaute ich himmelwärts und erkannte den Sowjetstern, so tief flogen die beiden! Ich erinnerte mich reichlich spät an die Anweisung, ließ mich platt auf den Bauch fallen und verharrte unter einem Gebüsch, bis das Geräusch sich langsam entfernte. Die beiden russischen Flieger hatten abgedreht, ich sprang auf und rannte, so schnell ich nur konnte, in Richtung meiner Wohngegend. Es lag aber noch eine beachtliche Strecke vor mir, und auf einmal waren sie wieder da, die Flieger. Diesmal ließ ich mich schneller fallen, blieb wieder liegen, bis das Geräusch leiser wurde, und rannte weiter. Noch einmal holten sie mich ein, kreisten buchstäblich über mir, die ich natürlich wieder hingestreckt dalag. Ich hatte schon gelernt, diesmal ging es viel rascher als das erste Mal. Dann verschwanden sie endgültig und kamen nicht wieder.«

Im Luftschutzkeller erlebte man die Bombenangriffe auf Aussig. Ein wahres Inferno war der Angriff in der Nacht vom 13. auf den 14. Februar 1945. Meine Mutter und die anderen Hausbewohner spürten deutlich, dass es diesmal anders war als sonst, irgendetwas beunruhigte sie zutiefst: »Wir wussten nicht, was es war, wir fühlten es. Wir vernahmen die Motorengeräusche über uns hinwegbrausender Bomber, es mussten hunderte gewesen sein, aber es folgten keine Detonationen, die unser Haus erzittern ließen. Es war ruhiger, aber schlimmer, viel schlimmer, als ob wir den Tod neben uns spüren würden. Und es nahm kein Ende, es dauerte unendlich lang, wie uns schien. Wir hielten das nicht aus, trotz Warnrufen liefen einige Hausbewohner, darunter auch ich, hinauf, rissen die Haustür auf und wichen erschrocken zurück. Es war, als ob der Himmel bluten würde. Soweit das Auge reichte, war er tiefrot, um uns eine beklemmende Stille, die Geräusche ganz entfernt, aber noch beängstigender als sonst. Dann kam ein Wind auf, der sich bis zum Sturm gesteigert hat, es war die Hölle, aber sie musste irgendwo anders stattfinden. Wir untersuchten, aus welcher Richtung der Wind kam, dort musste es sein! Dresden, eine der schönsten Städte Deutschlands, man nannte sie ›Elbflorenz‹, mit herrlichen Barockbauten, dem berühmten Zwinger, der Frauenkirche, Semperoper etc. etc. In dieser Nacht wurde die Stadt durch britische und amerikanische Bomber vernichtet.«

Mehr als 200.000 Tote gab es und 12.000 zerstörte Gebäude. Menschliche Opfer lagen in den Trümmern ihrer zerbombten Häuser. Auf den Straßen Dresdens sah man geschrumpfte und verkohlte Leichen, die nicht mehr identifiziert werden konnten.

Im April 1945, als sich das Kriegsende abzeichnete, ging meine Mutter nicht mehr zu Schering arbeiten. Es kümmerte sich auch keine Gestapo mehr darum. Jetzt wollte jeder nur noch seine eigene Haut retten. Hitler hatte Selbstmord begangen und am 8. Mai 1945 wurde der Waffenstillstand ausgerufen.

Großadmiral Dönitz, seit dem Selbstmord Hitlers Oberhaupt von Nazi-Deutschland, teilte am Abend dieses 8. Mai 1945 über das Radio die Gesamtkapitulation der Wehrmacht mit. Um 23.01 Uhr war der Zweite Weltkrieg zu Ende. Nach sechs Jahren Krieg und Terror war ganz Europa in Schutt und Asche. Die politische, humanitäre und ökonomische Bilanz des Zweiten Weltkriegs war verheerend: 27 Millionen Soldaten waren gefallen; 25 Millionen Zivilisten, darunter sechs Millionen Opfer des NS-Rassenwahns, waren umgekommen; drei Millionen Menschen blieben vermisst. Deutschland, Japan, Großbritannien und Frankreich büßten ihre weltpolitische Bedeutung ein. Die osteuropäischen Staaten gerieten unter sowjetische Hegemonie. Und die USA sowie die Sowjetunion stiegen zu Weltmächten auf. Es begann der Kalte Krieg zwischen den neuen Weltmächten.

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