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ОглавлениеGibt es Ichlinge in der christlichen Gemeinde? Vor allem gibt es sie dort, wo Menschen ihren Mangel in der Gemeinde stillen wollen. Weil sie ihre tiefe Bedürftigkeit mitbringen und fordern, dass andere sie satt machen. Ichlinge gibt es dort, wo das Ich an der Garderobe abgegeben wird und die Gemeindeglieder zum Es werden, die sich wie Babys versorgen lassen. Es passiert dann Folgendes: Die Predigt wird zur Verkündigung und ist keine lebendige Begegnung mit Gott mehr. Das Gebet wird zur Liturgie und das Gespräch zwischen Mensch und Gott erlahmt. Der Glaube reduziert sich auf das Für-wahr-Halten und äußert sich nicht in einer tiefen Beziehung zum Gott des Lebens. Die Kirche wird zur Wohlfühlgemeinde und die Gemeinschaft zur Heilsinstanz eines frommen Wirs, das die Seele streichelt.
In der Gemeinschaft der Ichlinge hat auch die Ichsucht ihren Platz. Es ist das große Ich, das sich über die anderen kleinen, rudimentären Ichs stellt und sie beherrscht – weil es dadurch seinen Wert und seine Bedeutung bekommt. Aber alle anderen bleiben klein und abhängig.
Die tiefe Sehnsucht der Menschen nach dem wahren, dem wirklichen, dem echten Leben fordert den Menschen auf, sich auf die Suche zu machen. Es ist die Suche nach dem „Ich”. Wird er nicht fündig, misslingt die Suche oder geht in die Irre, wird sie zur Sucht: Der Mensch wird abhängig – von seinen Bedürfnissen und von anderen Menschen. Denn im Bereich seiner Sehnsüchte ist der Mensch am verletzlichsten. Wenn es um sein Ich geht, geht es um alles, geht es um seine ganze Existenz.
2Ulrich Beck, Risikogesellschaft, Frankfurt 1986, Seite 199
3Faith Popcorn, Der Popcorn Report, München 1992, Seite 40
4Claudia Szczesny-Friedmann, Die kühle Gesellschaft, München 1991, Seite 11
5Heiko Ernst, Psychotrends, München 1996, Seite 14
6Friedrich Schorlemmer, Zeitansagen, München 1999, Seite 342
7K. Peter Fritzsche, Die Stressgesellschaft, München 1998, Seite 10 ff.
8Johannes Fiebig, Abschied vom Ego-Kult, Krummwisch 2001, Seite 122
9Horst W. Opaschowski, Deutschland 2020, Wiesbaden 2004, Seite 39
10Horst W. Opaschowski, Wir! Warum Ichlinge keine Zukunft haben, Hamburg 2010
11Matthias Horx, Das Megatrend Prinzip, München 2011, Seite 126
12www.alltagsforschung.de/die-psychologie-des-narzissmus/
13Gerhard Schulze, Die beste aller Welten, München 2003, Seite 212
14Peter Hahne, Schluss mit lustig, Lahr 2004, Seite 141
15Stephan Grünewald, Deutschland auf der Couch, Frankfurt 2006, Seite 63
16Hans-Willi Weis, Exodus ins Ego, Düsseldorf 1998, Seite 10 ff.
17Frank Schirrmacher, Ego – Das Spiel des Lebens, München 2013
18Thomas Ramge, Nach der Ego-Gesellschaft, München 2006, Seite 202
19Horst-Eberhard Richter, Das Ende der Egomanie, Köln 2002
20Horst W., Opaschowski, Wir!, Hamburg 2010, Seite 200 f.
21Stephan Valentin, Ichlinge, München 2012, Seite 328
22Horst-Eberhard Richter, Der Gotteskomplex, Gießen 2005, Seite 35
23Horst-Eberhard Richter, Die Krise der Männlichkeit, Gießen 2006, Seite 80
24Viktor E. Frankl, Ärztliche Seelsorge, München 2014
25Martin Buber, Ich und Du, Stuttgart 1995, Seite 12
26Karl Jaspers, Philosophie Band 2, Berlin 1932, Seite 51, zitiert nach Otto Friedrich Bollnow, Existenzphilosophie, Stuttgart 1949, Seite 46
27Nach Otto Friedrich Bollnow, Existenzphilosophie, Stuttgart 1949, Seite 46
28Elias Canetti, Masse und Macht, Frankfurt 1980, Seite 30
29Erich Fromm, Anatomie der menschlichen Destruktivität, Hamburg 1977, Seite 229