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Formen der Ichsucht

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Ichsucht hat viele Namen und Spielarten – von den leichteren Formen hin zu massiveren Ausprägungen. Ich zähle hier einige auf (in der Reihenfolge von leichter nach schwerer):

Selbstbewusstsein

Das Recht, seinen eigenen Selbstwert entfalten und leben zu können. Man weiß, wer man ist, und bringt sich mit seinen Stärken ein. Wer ein starkes Selbstbewusstsein hat, kann sich besser darstellen.

Individualismus

Die Entfaltung der Persönlichkeit des Einzelnen ist wichtiger als seine Teilnahme an der Gemeinschaft. Das Individuum verlangt das Recht, sich so entfalten zu können, wie es möchte, ohne jegliche Einschränkung durch andere.

Assertion

Die Eigenschaft, etwas ganz sicher behaupten zu können und bei seiner Meinung zu bleiben. Wer assertorisch (englisch: assertive) ist, kann seine Interessen deutlich vertreten, sich die nötige Geltung verschaffen, seine Wünsche ausdrücken, bestimmt auftreten und sich durchsetzen.

Geltungsdrang

Das Bemühen, sich nach vorn zu schieben, wichtig zu sein, und zwar in dem Maß, dass die anderen das auch merken. Unkenntliche Details werden herausgestrichen, man macht sich wichtig.

Selbstmanagement

Mehr scheinen als sein: Man übt sich, der zu sein, der man sein möchte. Man versucht einem optimalen Bild von sich zu entsprechen und das auch anderen als das wirkliche Ich zu verkaufen. Dieses Verhalten macht ein ständiges Bemühen erforderlich, sich unter Kontrolle zu haben.

Kompetitivität

Man konkurriert mit anderen, will besser sein als sie. Man sucht die Herausforderung und misst sich: Bin ich besser oder der andere? Da man ständig am Vergleichen ist, versucht man sich besser darzustellen als der andere. Notfalls wird der andere abgewertet.

Selbstoptimierung

Es gibt viele Kurse, Programme oder Bücher, die zeigen, wie man sich noch besser präsentieren kann. Denn auf den Eindruck nach außen kommt es an: Wie wirke ich auf andere? Diese Wirkung wird optimiert, die eigene Ausstrahlung soll unübertroffen sein.

Egoismus

Die eigenen Bedürfnisse spielen eine größere Rolle als die der anderen. Eigensüchtig kümmert man sich nur um die eigenen Bedürfnisse. Man drängelt sich vor und behauptet sein vermeintliches Recht. Man denkt, dass einem mehr zusteht als den anderen.

Ego-Shooter

Man sieht sich als Einzelkämpfer, der gegen den Rest der Welt steht, ist ständig dabei, sich zu verteidigen. Besser ist, man greift an, als dass man wartet, was der andere tut.

Eristik

Man hat immer recht und lässt eine Gegenmeinung nicht zu. Die eigenen Argumente zählen grundsätzlich mehr. In einer Diskussion hat man das letzte Wort. Man ist vollkommen von sich überzeugt.

Egozentrisch

Das eigene Ich ist der Mittelpunkt von allem. Alles wird auf die eigene Person bezogen. Es handelt sich um eine übertriebene Selbstbezogenheit und den Versuch, alles aus der eigenen Perspektive zu bewerten.

Egomanie

Hierbei handelt es sich um eine krankhafte Selbstbezogenheit und Selbstzentriertheit. Man redet nur über sich und lässt andere gar nicht zu Wort kommen. Man kreist so sehr um sich, dass man die anderen überhaupt nicht wahrnehmen kann, es gibt sie nicht. Es ist so, als wäre man allein auf der Welt.

Hedonismus

Die Lebenslust ist der Lebenssinn. Man will genießen und sich dabei selbst spüren. Es geht vor allem um die Befriedigung der eigenen Triebe, um das Gefühl, geliebt zu werden. Aber selbst liebt man nicht.

Narzissmus

Diese Form der Ichsucht äußert sich in Selbstverliebtheit, Eitelkeit, Selbstbewunderung. Hier handelt sich um eine klinische Diagnose, ein klares Krankheitsbild. Wir werden uns mit diesem Begriff noch ausführlich befassen.

Soziopathie

Auch hier handelt es sich um eine klinische Diagnose. Während der Narzisst Selbstmitleid empfindet und von sich auf andere schließen kann, hat der Soziopath nicht die Fähigkeit, Mitgefühl zu empfinden – weder mit sich noch mit anderen Menschen. Er ist deshalb auch nicht sozialfähig. Er kann die Folgen seines Verhaltens nicht abschätzen und ist deshalb oft asozial, das heißt, er verhält sich nicht so, wie es ein normales Miteinander nötig machen würde. Er ist oft aggressiv, gewalttätig und unbeherrscht, weil es ihm nichts ausmacht, wenn andere leiden.

Die Skala der ichsüchtigen Verhaltensweisen geht von harmlos (oben) bis krank (unten). Wobei der Begriff „harmlos” sehr subjektiv ist: Wer näher mit einem selbstbewussten Individualisten zu tun hat, wird ihn nicht so harmlos finden und vielleicht sogar unter seinem Verhalten leiden und das, was andere für schrullige Marotten halten, ablehnen.

Überlegen Sie sich, wo Sie sich selbst eventuell auf dieser Skala einordnen würden:

Individualist - Egoist - Eristiker - Egomane - Hedonist - Narzisst - Soziopath


Ich kann Sie beruhigen. Bisher hat noch niemand bei dieser Skala sein Kreuzchen rechts von der Mitte gemacht. Das liegt daran, dass die Fähigkeit der Selbsteinschätzung nach rechts abnimmt. Das heißt, dass ein Egomane, ein Hedonist, ein Narzisst und ein Soziopath sich nie als einen solchen bezeichnen würden. Sie finden sich in diesen Kategorien nicht wieder. Denn sie haben eine ganze eigene Sicht der Welt. Für sie ist ihr Verhalten vollkommen normal und berechtigt.

Hier zeigt sich ein Problem: In diesem Buch behandeln wir vor allem diesen rechten Bereich der Skala. Wir befassen uns also mit Verhaltensweisen, die von den betreffenden Personen nicht als schädlich gesehen werden. Wir werden uns der Tatsache stellen müssen, dass es ganz unterschiedlicher Bewertungen des Verhaltens gibt. Was der eine für ichsüchtig hält, ist für den anderen ganz normal. Aber auch das ist ja ein Kennzeichen der Sucht: Man will es nicht zugeben, dass man abhängig ist, sondern tut so, als wäre alles in Ordnung. Wenn dabei nur die innere Leere nicht wäre!

30Nach Möller, Laux, Deister, Psychiatrie und Psychotherapie, Stuttgart 2001

31Gerald May, Sehnsucht, Sucht und Gnade, München 1993, zitiert nach: De’Ignis Magazin Nr. 49/2015, Seite 34

32Quelle: www.lebenshilfe-abc.de

Ichsucht

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