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Viertes Kapitel

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Auf dem Weg zurück, die Sonne kratzte schon über den Horizont, kamen die Freunde am Friedhof vorbei.

»Schau!«, sagte Mütze und blieb überrascht stehen.

Über den niedrigen Steinwall hinweg sah man neben einem frischen Grab eine Frau in Schwarz stehen. Sie schien damit beschäftigt, die Grabstätte mit Blumen zu bepflanzen.

»Witwe Bolte«, flüsterte Karl-Dieter.

Unwillkürlich traten die beiden hinter eine verrostete Tafel, auf der die Gemeinde Veranstaltungen und Beschlüsse bekanntmachte. Was nicht zu den offiziellen Verlautbarungen passte, war ein handgeschriebener Zettel, in aller Hast schien ihn jemand mit Tesafilm befestigt zu haben. Karl-Dieter las den Text und erbleichte.

Ach, was muss man oft von bösen

Kindern hören oder lesen!

Wie zum Beispiel hier von diesen

Welche Max und Moritz hießen.

Die, anstatt durch weise Lehren

Sich zum Guten zu bekehren,

Oftmals noch darüber lachten

Und sich heimlich lustig machten.

Ja, zur Übeltätigkeit,

Ja, dazu ist man bereit!

Menschen necken, Tiere quälen,

Äpfel, Birnen, Zwetschgen stehlen

Das ist freilich angenehmer

Und dazu auch viel bequemer,

Als in Kirche oder Schule

Festzusitzen auf dem Stuhle.

Aber wehe, wehe, wehe,

Wenn ich auf das Ende sehe!

Ach, das war ein schlimmes Ding,

Wie es Max und Moritz ging.

»Wahnsinn!«, entfuhr es Karl-Dieter.

Mütze hingegen pfiff durch die Zähne. Dann zog er sein Smartphone aus der Hosentasche und schoss ein Foto.

»Was für eine Frechheit!« Karl-Dieter schüttelte den Kopf, als sie Richtung Mühle weitergingen. »Die armen Waisenkinder so zu verhöhnen, noch dazu in vierhebigen Trochäen.«

»Vierhebige was?«

»Ach, egal, das Geschmier ärgert mich total.«

»Was ärgert dich daran? Dass du dein Bild von den ach so braven Jungs korrigieren musst? Vielleicht ist deine liebe Tante Dörte doch etwas blauäugig gewesen. ›Menschen necken, Tiere quälen, Äpfel, Birnen, Zwetschgen stehlen‹, das klingt ja doch etwas anders, das klingt nach echten Flegeln.«

»Rufmord ist das, wenn du mich fragst, nichts weiter. Und die beiden können sich noch nicht mal dagegen wehren, jetzt, wo sie weg sind.«

»Rufmord fällt nicht in mein Ressort«, grinste Mütze.

Als sie den Ewigen Frieden erreichten und die Tür aufsperrten, hörten sie den Spitz knurren.

»Der will sich doch nur wichtigmachen«, sagte Mütze – und tatsächlich, als sie in den Flur traten, machte sich der Spitz winselnd aus dem Staube.

»Wir scheinen die einzigen Gäste zu sein.« Karl-Dieter betrachtete das Schüsselbrett, an dem nur ihr Schlüssel fehlte.

»Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht.«

»Wieso?«

»Hast du den Käfer draußen nicht gesehen, das Cabrio?«

»Und wenn er der Witwe gehört?«

»Würde mich doch sehr wundern«, sagte Mütze und blickte sich um, »steh mal kurz Schmiere.«

»Was hast du vor?«

»Will mich nur mal kurz umschauen.«

Knarrend öffnete er eine Brettertür, hinter der eine schmale halb gewendelte Treppe zum Keller hinabführte.

»Ich bin dann mal weg!«

Während Mützes Schritte im Keller verklangen, sah Karl-Dieter unruhig zum Fenster hinaus. Bestimmt kam die Witwe jeden Augenblick vom Friedhof zurück. Hoffentlich beeilte Mütze sich. Das seltsame Gedicht, es hatte Karl-Dieter verunsichert. »Wehe, wehe, wehe, wenn ich auf das Ende sehe!« Was hatte das zu bedeuten? Was war denn das, das Ende? Was sollte diese merkwürdige Anspielung? Wer hatte das geschrieben? Wer erdreistete sich, sich in dieser miesen Art über die beiden verschwundenen Schüler lustig zu machen, wer erlaubte sich, so zu tun, als ob die beiden die schlimmsten Verbrecher wären? Karl-Dieter glaubte weiter Tante Dörte. Tante Dörte konnte sich nicht täuschen. Wen sie ins Herz geschlossen hatte, der war ein anständiger Mensch. Punkt. In diesem Augenblick sah Karl-Dieter eine dunkle Gestalt um die Ecke biegen, rasch näherte sie sich dem Haus. Die Witwe!

»Mütze!«, rief er in den dunklen Keller hinab. Da klackerte es schon an der Haustür, die Wirtin trat ein.

Max und Moritz - Was wirklich geschah

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