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Zwischenbilanz

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Ludwig Tieck schuf in zahlreichen Gedichten, Märchen, Novellen und Romanen ein später oft – obschon meist selektiv und zeitgebunden – zitiertes, interpretiertes und adaptiertes Stoff- und Motivrepertoire. Der Wald konnte verschiedene Bedeutungen positiver oder negativer Spielart annehmen, wenngleich der wortreich beschworenen Natur gemäß romantischer Tradition an keiner Stelle ein Selbstwert zukam. Damit blieb sie jenseits jeder materiellen und erfahrbaren Landschaft eine emotionale Projektionsfläche und ein sensualistischer Referenzraum für menschliche Bedürfnisse und Stimmungen: als Ort der poetischen Initiation und der künstlerischen Inspiration, der kritischen Selbstreflexion und der abgrundtiefen Verzweiflung, der unschuldigen Schwärmerei und der heftigen Liebe, der Zuflucht vor der Gesellschaft und der Suche nach dem Glauben.

Bis auf die wenigen oben zitierten Ausnahmen finden sich sogar in den patriotisch aufgeladenen Jahren der antinapoleonischen Kriege keine explizit nationalen Bedeutungszuschreibungen an den Wald, was Tieck von anderen zeitgenössischen Dichtern unterscheidet. Dessen ungeachtet, versah er diesen in seinen zeitweise äußerst populären literarischen Werken mit unterschiedlichen nichtforstlichen Bedeutungszuschreibungen. Demnach konnte die Waldnatur über rein ästhetische Stilisierungen hinaus zur Chiffre eines gesellschaftskritischen Eskapismus werden, als Gegenwelt zu und Zufluchtsraum vor den Mühnissen von Ausbildung, Beruf, Familie und Stadt.

Eine besondere Bedeutung hatte in diesem Zusammenhang die eingängige frühromantische Wortschöpfung der Waldeinsamkeit, die sich bei Tieck als letztlich trügerisches Idyll offenbarte. Diese viel zitierte Formulierung entwickelte sich schnell zum literarischen Gemeingut, auf das sich später die unterschiedlichsten Dichter und Denker selbst ohne genauere Werkkenntnis berufen konnten. Letztlich war es der ältere Tieck selbst, der die zunehmend willkürlicheren Bezüge auf seine Wortfindung in der späten Novelle gleichen Titels kritisch kommentierte. In der weiteren Ideengeschichte des deutschen Waldes sollte ein solch ironisch-spielerischer Umgang mit arborealer und silvaner Symbolnatur allerdings eine seltene Ausnahme bleiben.

Der deutsche Wald

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