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Dezente Hinweise

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Meine Frau und ich leben die meiste Zeit des Jahres in einem Vorort, einer kleinen Siedlung am Rande unserer Stadt. Lange bevor es das Amt für Stadtentwicklung gab, haben die Schwestern des Heiligen Franziskus hier ein Kloster gebaut. Die Abtei besteht aus wunderschönen Sandsteingebäuden, die in eine hügelige Landschaft mit Kieferwäldchen und Wacholdersträuchern eingestreut sind.

Die Nonnen haben die schöne Gewohnheit, jeden Tag schon um sechs Uhr morgens feierlich ihre Glocken zu läuten. Es ist nicht das drängende Geläut, das am Ende einer Hochzeit erklingt, es sind bedächtige, tiefe Schläge, die zum Gebet rufen. Auch abends um sechs Uhr ertönen sie. Ich liebe diesen Klang der alten Glocken. Wie ein Relikt aus tausend Jahren Vergangenheit prägen sie die Atmosphäre in unserem Tal. Sie laden ein zur Stille und zum Gebet.

Eines Tages entschied ich mich, dem Ruf zu folgen und immer, wenn das Läuten ertönt, eine kleine, bewusste Pause einzulegen. Kurz darauf entstand die Idee, diese Übung auch in unseren Büroräumen einzuführen. Immer um 10 Uhr morgens und um 14 Uhr am Nachmittag ertönt im ganzen Haus eine Art von „Glockenläuten“. Dann legen die Mitarbeiter ihre Arbeit kurz zur Seite, entspannen sich, lassen innerlich bewusst alles los und fokussieren sich auf Jesus.

Ich wünsche mir, dass mein Team sich angewöhnt, mehrmals am Tag so innezuhalten. Schließlich beobachte ich an mir selbst, wie ich von einer Aufgabe zur nächsten eile, ohne Pause, von morgens bis abends, wenn ich nicht aktiv gegensteuere. Kaum habe ich den Hörer aufgelegt, ist schon der nächste Anruf in der Leitung. Ich beantworte eine E-Mail und empfange zehn weitere. Bevor ich sie gelesen habe, wartet schon wieder ein Gesprächstermin. Es entstehen einfach keine spontanen Pausen, es gibt keine Ruhezone, keine himmlische Oase.

Falls Gott mich im Alltag erreichen will, muss er wirklich laut und deutlich werden, sonst höre ich ihn nicht. Aber das entspricht nicht seiner Art, er schreit seine Kinder nicht an. Er will nicht erst irgendwelche Verrenkungen machen müssen, damit wir ihn wahrnehmen, genau wie wir auch nicht wie wild mit den Armen wedeln würden, um die Aufmerksamkeit unseres Ehepartners oder Freundes auf uns zu lenken.

Für mich ist diese kleine Pause wie eine Waffe, mit der ich mich dem alltäglichen Wahnsinn entgegenstelle. Ehe ich nach einem Telefongespräch etwas Neues anfange, halte ich inne. Wenn ich morgens in mein Büro komme, fokussiere ich mich zuerst auf Jesus, erst dann fange ich an zu arbeiten. Fahre ich abends nach Hause, bleibe ich noch einen Moment im Auto sitzen, bevor ich zu meiner Familie hineingehe. Ich lege meine Stirn aufs Lenkrad und lasse den Tag los.

Es klingt so einfach, als ob es uns nicht wirklich mit Gott in Verbindung bringen könnte, aber es funktioniert wunderbar. Diese Pausen geben der Seele Raum, Freiraum, sie lassen uns tief durchatmen.

Und tatsächlich, Gott erwartet uns in diesen Momenten, er begegnet uns an unserem Ort der Ruhe. Nach meiner Erfahrung bewirkt diese Übung umso mehr, je länger man sie ausübt. Die kleinen Augenblicke mit Gott haben eine große Wirkung auf mein Verhalten im Alltag. Meine Seele gewöhnt sich daran, dass es ganz normal ist, Gott zu begegnen. Nach so einem Moment in Gottes Nähe geht es mir insgesamt besser und ich bin anderen gegenüber viel freundlicher.

Wo die Seele atmen kann

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