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STEUERN ERHEBEN – ODER KREDITE AUFNEHMEN?

KREDITAUFNAHME UND SCHULDEN

IM KONTEXT

SCHWERPUNKT

Wirtschaftspolitik

VORDENKER

David Ricardo (1772–1823)

FRÜHER

1799 Großbritannien führt im Krieg mit Frankreich die Einkommensteuer ein. Die Staatsschulden erreichen 250 Prozent des Volkseinkommens.

SPÄTER

1945 Nach dem Zweiten Weltkrieg steigen in den Industrieländern Ausgaben, Steuern und Kreditaufnahmen, um den Wohlfahrtsstaat zu finanzieren.

1974 US-Ökonom Robert Barro belebt die Idee der ricardianischen Äquivalenz: Die Leute geben ihr Geld gleich aus, ob die Regierung nun Steuern erhebt oder Kredite aufnimmt.

2011 Die europäische Schuldenkrise verschärft sich. Die Grenzen der Besteuerung und der öffentlichen Verschuldung werden diskutiert.

Sollen Regierungsausgaben durch Kredite oder durch Steuern finanziert werden? Auf diese Frage ging als Erster der britische Ökonom David Ricardo während der teuren Napoleonischen Kriege ein, die wechselnde Koalitionen europäischer Staaten rund um den Anfang des 19. Jahrhunderts gegen Frankreich führten. In seinem Buch Über die Grundsätze der politischen Ökonomie und der Besteuerung von 1817 meinte Ricardo, die Art der Finanzierung mache im Grunde keinen Unterschied. Den Steuerzahlern sollte klar sein, dass Kreditaufnahmen ebenfalls mehr Steuern bedeuten – nur zeitlich etwas in die Zukunft verschoben. Da sie in beiden Fällen Steuern zahlen müssten, sollten sie für künftige Steuern Ersparnisse zur Seite legen. Ricardo meinte, die Menschen hätten Verständnis für die Situation der Regierung und wüssten, dass beide Entscheidungen am Ende gleich hohe Kosten verursachen. Diese Idee wurde als ricardianische Äquivalenz bekannt.

Angenommen, ein dem Glücksspiel verfallener Familienvater leiht sich das Geld dazu immer von seinen Söhnen. Einmal erzählt er ihnen aber, diesen Monat brauche er kein Geld, weil er es sich von seinem Freund Alex geliehen habe. Der sorglose jüngere Sohn Tom gibt das Bargeld, das er nun übrig hat, freudig aus. Der kluge ältere Sohn James weiß, dass der Kredit von Alex im nächsten Monat mit Zinsen zurückgezahlt werden muss. Also bewahrt er das Geld auf, weil er vermutet, dass sein Vater ihn dann wieder darum bitten wird. Ihm ist bewusst, dass er insgesamt nicht reicher ist, daher ändert er seine Ausgabenpolitik nicht.

Ricardo als Theoretiker erwartete nicht, dass die ricardianische Äquivalenz in der Wirklichkeit zu beobachten wäre. Er glaubte, der Durchschnittsbürger mache sich die gleichen Illusionen wie Tom und gebe das Geld sofort aus. Manche modernen Ökonomen gehen jedoch tatsächlich davon aus, dass die Bürger rational handeln.


Die moderne Diskussion

1974 tauchte der Gedanke in einem Artikel des US-Ökonomen Robert Barro (geb. 1944) wieder auf. Heute geht es hauptsächlich um die Frage, unter welchen Bedingungen es den Menschen gleichgültig ist, ob der Staat Geld aufnimmt oder Steuern erhebt. Eine Annahme lautet, die Entscheidungen der Menschen seien rational begründet und sie handelten in weiser Voraussicht. Sie wüssten, Ausgaben heute bedeuten Steuern in der Zukunft. Doch das ist unwahrscheinlich.

Ein Problem ist auch, dass das menschliche Leben begrenzt ist. Eigennützige Menschen machen sich vermutlich wenig Gedanken über Steuern, die nach ihrem Tod anfallen. Barro meinte jedoch, dass Eltern sich um ihre Kinder sorgten und ihnen Geld hinterlassen würden, mit dem sie künftige Steuern bezahlen könnten.


Der griechische Staat musste 2011 hohe Kredite aufnehmen, um den Bankrott zu vermeiden. Die folgenden Unruhen zeigten, dass es für die Erhöhung von Krediten und Steuern Grenzen gibt.

Regierungsausgaben

Die ricardianische Äquivalenz, auch als Schuldenneutralität bekannt, wird heute wegen der hohen Ausgaben, Schulden und Steuern moderner Staaten viel diskutiert. Ricardos Einsicht wurde von den neuen klassischen Makroökonomen dazu benutzt, gegen eine keynesianische Politik zu protestieren: Nachfrage und Wachstum dürften nicht durch mehr Staatsausgaben erhöht werden. Sie behaupten, wenn die Leute wissen, dass eine Regierung Geld ausgibt, um die Wirtschaft aus der Krise zu holen, sorgen ihre rationalen Erwartungen dafür, dass sie mit höheren Steuern in der Zukunft rechnen. Sie reagieren also keinesfalls blind auf eine aktuell erhöhte Geldmenge im System. Bisher sind allerdings die praktischen Beweise – dafür und dagegen – noch nicht schlüssig.

Die neue klassische Makroökonomie

Die US-Ökonomen Robert Barro, Robert Lucas und Thomas Sargent bildeten in den frühen 1970er-Jahren die Schule der neuen klassischen Makroökonomie. Ihre Hauptprinzipien lauten: rationale Erwartungen und Markträumung – die Vorstellung, dass die Preise spontan ein neues Gleichgewicht finden. Die Anhänger der neuen klassischen Schule meinen, dies gelte auch für den Arbeitsmarkt: Das Lohnniveau werde bestimmt durch den Ausgleich von Angebot (Zahl der Menschen, die Arbeit suchen) und Nachfrage (Zahl der benötigten Arbeitskräfte). So gesehen kann jeder, der will, arbeiten, wenn er den »üblichen Lohn« akzeptiert. Jedwede Arbeitslosigkeit ist daher freiwillig. Und aufgrund ihrer rationalen Erwartungen durchschauen die Menschen, dass es gleichgültig ist, ob die Regierung Steuern oder Kredite erhöht.

Big Ideas. Das Wirtschafts-Buch

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