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3Die Kette wird im Norden durchbrochen
ОглавлениеDie lange Galeere, ungefähr achtzig goreanische Fuß lang, raste auf die Kette zu. Ihr Bug hob sich auf unnatürliche Weise aus dem Wasser und berührte es nicht einmal.
»Hervorragend!«, lobte Callimachus den Feind.
»Wie machen sie das?«, rief ich hinauf zum Vordersteven.
»Sie haben den Ballast anders verteilt«, erklärte er. »Ausgezeichnet!«
Das Galeere fuhr weiter auf die Kette zu. Ich konnte die Ruderschläge sogar auf der Tina hören. Solch eine Geschwindigkeit kann nur für ein paar Sekunden gehalten werden. Ich sah den Rumpf, den Kiel, tropfend aus dem Wasser ragend.
»Sie sind verrückt!«, rief ich.
»Sie haben vor, über die Kette zu fahren«, erklärte Callimachus.
Fasziniert hielt ich mich an der Reling fest. Jedes bisschen Sand im unteren Teil des Schiffes musste zum Heck gebracht worden sein. Selbst die Mannschaft, abgesehen von den Ruderern, hatte sich dort versammelt.
Dann überquerte der gewölbte vordere Teil des Schiffes die Kette. Es folgte lautes Kratzen, als die Kette am Kiel entlangschrammte. Dann hing die Galeere, halb auf der Kette, halb unten und taumelte dort wie ein Schiff, das gefangen auf einer Untiefe gestrandet ist und von der Strömung hin und her geworfen wird.
»Ruder raus!«, befahl Callimachus. »Bereit!«
Wir sahen eine weitere Galeere im Westen, den Bug ebenfalls angehoben, auf die Kette zurasen.
Die Ruder der ersten Galeere schlugen in den Vosk, ihr Rumpf drehte sich, schwankte nach vorn und zur Seite.
»Sie wird über die Kette kommen«, rief ich.
»Zwei Strich backbord!«, befahl Callimachus. »Rudert!« Sein Offizier übermittelte den Befehl mit Gesten an den Steuermann und den Rudermeister am Heck.
»Sie überwindet die Kette!«, rief ich aus.
Die Tina raste bereits auf den Eindringling zu. Ich warf mich aufs Deck. Wir trafen sie auf der Steuerbordseite am Bug, als sie von der Kette rutschte, zermalmt und berstend.
»Zurückrudern!«, befahl Callimachus.
Der Aufprall hatte mich um einige Dutzend Fuß nach hinten rutschen lassen.
»Zurückrudern!«, befahl Callimachus wieder.
Die Tina, zitternd, rückwärtsfahrend, mit zersplitterndem Holz, befreite ihren Rammbock.
Hockend spähte ich über die Reling. Der vordere Teil des feindlichen Schiffes war bereits überschwemmt.
Ich sah Männer dort, knietief im Wasser, die sich an den Querbalken festhielten. Das Katapult am Vordersteven des feindlichen Schiffes hatte sich aus seiner großen, rotierenden Verankerung gelöst. Seine Schleuder hing nach unten und wehte im Wind. Die Stränge sahen aus der Entfernung schmal aus. Der größte betrug aber wahrscheinlich ungefähr vier Inch im Durchmesser. Ich sah, wie ein Mann vom Vordersteven aus ins Wasser sprang.
»Seht!«, stieß ein Mann entsetzt aus und deutete nach steuerbord. Die zweite feindliche Galeere hatte es über die Kette geschafft.
»Das erste Schiff des Voskjard hat die Kette überquert!«, rief jemand.
Wir sahen, wie weitere Galeeren auf die Kette zufuhren.
»Noch eine hat die Kette überquert«, rief ein Mann und zeigte nach steuerbord. Hinter diesem Schiff konnten wir noch eine weitere Galeere sehen, aber diese lief auf die Kette auf.
Die Mira beeilte sich, die Galeere zu konfrontieren, die es über die Kette geschafft hatte. Das Schiff machte das Beste aus seinem Angriff. Jubel brach auf unserem Schiff aus. Das Seitenruder der feindlichen Galeere war bei der Überquerung der Kette weggerissen worden. Die Galeeren des Voskjard sind, wie die meisten goreanischen Schiffe, mit zwei Seitenrudern ausgerüstet.
»Hart steuerbord!«, rief Callimachus.
As wir uns drehten, raste eine Piratengaleere auf uns zu.
»Steuerbord!«, rief Callimachus. Dann schrie er: »Ruder einholen!«
Ihr Rammbock verfehlte uns. Der Rumpf der Galeere schlug gegen unsere Planken.
»Ruder raus!«, befahl Callimachus. »Wenden!«
Die beiden Schiffe fuhren aneinander vorbei. Als sich die Schiffe passierten, sah ich in die Augen eines Piraten. Er war nicht mehr als fünf Fuß von mir entfernt.
»Zwei weitere Schiffe haben es über die Kette geschafft!«, rief der Offizier von Callimachus und deutete nach backbord.
»Die Schiffe aus Port Cos nähern sich!«, rief ein Mann. Auf unserem Schiff brach Jubel aus. Zehn solcher Schiffe waren an der Kette. Zwanzig weitere lagen auf dem Wasser in der Nähe der südlichen Wachstation, jenem Posten, der von Callisthenes bewacht wurde. Die Schiffe aus Port Cos waren unsere Hoffnung. Nur sie waren es, so befürchteten wir, die es im Kampf mit Voskjard vielleicht aufnehmen konnten. Die Schiffe aus Ars Station brachten uns eine größere Anzahl, aber wir zählten nicht die einzelnen Schiffe, da sie es weder mit einer Galeere des Voskjard noch mit jenen aus Port Cos aufnehmen konnten. Die Marinetradition von Cos ist sehr alt, und viele Offiziere aus Port Cos sind gebürtige Cosianer, Söldner oder Veteranen der Marine aus Cos, entsandt, um ihre Pflicht in der Kolonie zu tun, sodass die Interessen des Mutterlandes auf dem Vosk verteidigt werden.
»Da ist ein Schiff aus Ars Station!«, rief der Offizier auf dem Vordersteven. Jubel brach aus. Wir hatten nun beigedreht, aber die Galeere, die uns beinahe entzweit hätte, stand uns nun wieder gegenüber.
»Sie ist schnell«, stellte ein Mann fest.
»Warum hat sie nicht angegriffen?«, wollte ein anderer wissen.
»Sie wartet auf Unterstützung«, erwiderte der nächste.
»Nein«, widersprach jemand. »Wenn wir uns auf die Kette zubewegen, kann sie uns mittschiffs rammen.«
»Sie verteidigt ihre Schwestern«, meinte der vorherige.
»Wir können die Kette nicht länger beschützen«, stellte jemand fest.
Aber dann sahen wir die Galeere nach steuerbord drehen. Eine andere Galeere, die die Fahnen von Port Cos gehisst hatte, raste auf sie zu.
Erneut brach Jubel unter unseren Männern aus. »Zurück zur Kette!«, befahl Callimachus freudig erregt.
»Noch ein Schiff hat es geschafft!«, rief ein Mann wütend und zeigte über den Bug.
Es war frei von der Kette. Wir konnten es nicht entern. Das Schiff schaffte es auf den breiten, schlammigen Vosk hinaus.
»Wie viele haben es über die Kette geschafft?«, fragte ein Mann bedrückt.
»Weiß es jemand?«, griff ein anderer die Frage auf.
Hier und dort an der Kette schlugen Piratengaleeren gegen die großen Kettenglieder, zogen sich zurück, um es dann wieder geduldig und erneut zu versuchen.
»Zweifellos hämmern sie gegen Stellen, von denen sie wissen, dass die Kette letzte Nacht geschwächt wurde«, äußerte ein Mann in meiner Nähe, der mich letzte Nacht im Beiboot begleitet hatte.
»Ja«, stimmte ich zu. »Schau, dort!« Ich zeigte auf einen Mast, der aus dem Wasser ragte und mit gelber Farbe angemalt worden war.
»Katapulte!«, schrie Callimachus.
Zwei Steine schossen in die Höhe und flogen anmutig auf die Piratenschiffe zu. Riesige Wasserfontänen schossen hoch, als die großen Felsbrocken im Vosk eintauchten.
»Bogenschützen!«, befahl Callimachus nun.
Wir näherten uns der ersten Galeere und schossen Pfeile in ihre Richtung. Daraufhin zog sie sich zurück.
»Dort sind noch weitere«, sagte ein Mann und wies uns die Richtung.
Wir bewegten uns entlang der Kette und trafen auf eine Piratengaleere, die auseinandergebrochen und verlassen war. Sie war beim Versuch, über die Kette zu fahren, gebrochen.
»Einen Pasang hinter uns befindet sich eine Piratengaleere«, rief ein Mann achtern auf dem Vordersteven.
»Wir bleiben an der Kette!«, befahl Callimachus.
»Sie scheint Schlagseite zu haben«, rief der Mann. »Ich glaube, sie ist angeschlagen.«
»Wir bleiben an der Kette!«, wiederholte Callimachus.
Ich lächelte. Callimachus war ein guter Kommandeur. Er würde sich von seinem Posten nicht weglocken lassen. Ein Schiff kann den Anschein erwecken, Schlagseite zu haben, indem man den Ballast im unteren Deck neu positioniert. Wenn das Schiff wirklich angeschlagen war, bezweifelte ich, dass es wirklich Schlagseite hatte. Ein Kampfschiff mit Rudern ist selten hilflos. Auch wenn das Schiff angeschlagen ist, stellt es keine unmittelbare Gefahr dar. Und wenn es nicht angeschlagen ist, muss man es nur beobachten. Um isolierte Schiffe kann man sich nach und nach kümmern. Unsere Pflicht galt der Kette. Der, der seine Verteidigungslinie verlässt, schließt einen schlechten Pakt mit dem Schicksal.
»Schaut, dort!«, rief der Offizier, der mit Callimachus auf dem Vordersteven stand, und zeigte nach vorn, einen halben Strich über dem Steuerbordbug.
Callimachus nahm dem Offizier das Glas der Erbauer ab. »Es ist die Sita aus Jorts Ferry«, sagte er. »Und die Tais aus Port Cos.«
»Sie haben Notsignalflaggen gehisst«, erklärte der Offizier.
»Beidrehen!«, befahl Callimachus.
»Das kann nur eine Sache bedeuten«, stellte der Offizier fest, während
Callimachus das Glas der Erbauer schloss.
Jetzt konnte ich den Klang von Hörnern hören, der in unsere Richtung trieb.
»Bestätigt!«, befahl Callimachus. Flaggen wurden auf dem Vordersteven gehisst.
Ich konnte die Signale der Hörner nicht interpretieren. »Was ist los?«, rief ich zu Callimachus hinauf.
»Das musste passieren«, sagte er.
»Was?«, wollte ich wissen.
»Es ist im Norden passiert«, erwiderte er.
»Was?«, fragte ich erneut.
»Die Kette wurde durchbrochen«, gab er mir zur Antwort. Ich hielt mich an der Reling fest und schaute nach achtern. Die Sita und die Tais waren jetzt deutlich zu erkennen.
»Wo sind die Talia, die Thenta, die Midice, die Ina, die Tia?«, fragte der Offizier.
»Ich sehe sie nicht!«, entgegnete Callimachus und reichte dem Offizier das Glas der Erbauer. »Siehst du sie?«
»Nein!«, entgegnete der Offizier. »Nein!«
»Viertelschlag!«, befahl Callimachus.
»Viertelschlag!«, rief der Offizier dem Rudermeister zu.
»Viertelschlag!«, befahl dieser seinen Männern.
Die Sita und die Tais lagen nun querschiffs, backbord.
Wir bewegten uns nach Süden, entlang der Kette.
Callimachus stieg vom Vordersteven hinab und ging zwischen den Bänken hindurch nach hinten zum Heck. Ich begleitete ihn. Er trug das Glas der Erbauer.
»Da waren sieben Schiffe«, sagte ich. Ich stand neben Callimachus am Heck.
»Vielleicht haben einige überlebt«, mutmaßte er.
»Ich sehe Schiffe«, sagte ich und zeigte nach achtern. Am Horizont zeichneten sich Punkte ab.
Callimachus reichte mir das Glas der Erbauer. »Schiffe des Voskjard«,
sagte ich.
»Ja«, bestätigte er.
»Anscheinend hat Voskjard mehr als fünfzig Schiffe«, stellte ich fest. Ich hatte mindestens vierzig gezählt. Und es befanden sich noch einige mehr, wie ich wusste, hier und da an der Kette.
»Die Information von Callisthenes war anscheinend falsch«, stellte Callimachus fest. »Das ist ein schmerzlicher und unwillkommener Makel in unserem Informationssystem.«
»Wie viele könnten da sein?«, wollte ich wissen.
»Ich weiß es nicht«, erwiderte er. »Sechzig, hundert?«
»Wir können es niemals mit solchen Schiffen in einer offenen Schlacht aufnehmen«, stellte ich fest.
»Port Cos muss kämpfen, wie es dies noch nie zuvor getan hat!«, erwiderte Callimachus.
»Sie beeilen sich nicht«, entgegnete ich, denn ich hatte die Ruderschläge per Ehn gezählt.
»Sie möchten die Ruderer nicht ermüden«, erwiderte Callimachus. Ich reichte ihm das Glas der Erbauer.
»Port Cos ist die Hoffnung des Vosk«, erklärte er. »Wir aus Ars Station und die unabhängigen Schiffe müssen ihnen im Kampf beistehen!«
»Die Chancen sind erdrückend«, erwiderte ich. »Können sie gewinnen?«
»Sie müssen!«, entgegnete Callimachus.
»Zumindest werden sie von einem Mann wie Callisthenes befehligt«, sagte ich.
»Seine zwanzig Schiffe, die von der südlichen Wachstation einberufen wurden, werden ausschlaggebend sein«, sagte er.
»Wir werden jedes einzelne brauchen, wenn wir uns aufstellen«, sagte ich. »Ohne sie wird es ein Gemetzel geben!«
»Mit ihnen, trotz der Chancen der Piraten«, sagte Callimachus, »könnte sich das Blatt noch zu unseren Gunsten wenden.«
»Du scheinst besorgt zu sein«, stellte ich fest.
»Ich hoffe nur«, sagte er, »dass die Kette nicht auch südlich von uns durchtrennt wurde.«
»Wir haben sie gut beschützt, solange wir konnten«, entgegnete ich.
»Lass uns hoffen, dass die Zeit, die wir investiert haben, gut genutzt war.«
Ich erschauderte. »Das hoffe ich auch!« Wenn unsere Flotte keine Zeit hätte, um sich zu sammeln, wäre es wirklich ein tragischer Tag für unsere Truppen auf dem Vosk. Die Planken unserer Flotte würden den Fluss bis zum Hafen von Turmus übersäen.
»Hast du Anweisungen für mich?«, fragte ich.
»Schärfe dein Schwert«, entgegnete er. »Und hol dir so viel Schlaf, wie du bekommen kannst.«
»Jawohl, Kapitän«, erwiderte ich und wandte mich von Callimachus ab.
»Freust du dich auf den Kampf?«
»Ja«, erwiderte ich, ohne ihn anzusehen.
»Das ist interessant«, stellte er fest.
»Ist es von Bedeutung?«
»Vielleicht.«
»Was hat es zu bedeuten?«, fragte ich nach.
»Denkst du, du wirst vor dem Kampf schlafen können?«, fragte er.
»Natürlich!«, erwiderte ich. »Warum? Sind diese Dinge wichtig?«
»Was denkst du?«
»Ich weiß es nicht.«
»Schärfe dein Schwert«, wies er mich erneut an. »Und hol dir so viel Schlaf, wie du bekommen kannst!«
»Ja, Kapitän«, sagte ich, stieg die Treppen hinab und ging auf den Bug zu. Die Ruderer arbeiteten nur im Viertelschlag. Ich setzte mich in die Nähe meiner Ausrüstung und schärfte für eine Weile mit einem Stein die Waffe, die ich trug. Als ich fertig war, überzog ich den Stahl mit einer leichten Ölschicht, damit er vor Rost geschützt war.
Dann legte ich mich nieder auf das geschliffene Deck, ganz in der Nähe der Steuerbordreling und eines aufgerollten Seils, und schlief bald ein.