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5. Ein ordentliches Aussehen ändert alles Sa, 26.09.2015
ОглавлениеEndlich sitze ich hier im 2. Zug, froh, dass meine Fahrkarte diesmal akzeptiert wurde, weiter auf dem Weg nach Lippstadt, zur Aktionärsversammlung der HELLA GmbH & Co. KGaA, einem deutschen Automobilzulieferer, an welchem ich via Aktien Anteile halte. Der Weg dorthin begann für mich schon vor mehreren Tagen, als ich mich mit meiner Bank in Verbindung setzte, um herauszufinden, ob es für mich als 15-Jährigen denn überhaupt möglich sei, solch eine Veranstaltung allein zu besuchen. Dies wurde bejaht. Somit konnte ich das Ganze auch relativ schnell mit meiner Schule und den zuständigen Lehrern klären, meine Busfahrt hin- und zurück sowie meine Übernachtung in einer Jugendherberge buchen.
Letztendlich kam ich gestern Abend, gegen 20.30 Uhr in Dortmund an und suchte von da an gut 30 Minuten nach meiner Unterkunft, dem A&O Hostel. Als ich diese schließlich fand und meine Zimmerschlüssel erhielt, fiel mir tatsächlich ein Stein vom Herzen.
Heute früh, Hemd an, Hose an, Anzugschuhe an – ab ging es zum Frühstück. Diverse Leute schauten mir interessiert nach, begutachteten meinen erhabenen Kleidungsstil und gewährten mir am Buffett sogar Vortritt, junge als auch sehr alte Leute. Anscheinend hatte sie mein wohlhabend erscheinendes Äußeres beeinflusst. Und letztlich auch am Bahnhof (nun natürlich auch mit Jackett) gehörte ich mit zu den paar Leuten, welche ab und an angesprochen wurden, um ein paar Cents zu erbetteln. Ich zog also mein Portmonee aus der Tasche und gab dem Mann mein ohnehin störendes Kleingeld, welches ich am Fahrkartenautomat ein paar Minuten vorher erhalten hatte. Ich bat ihn, das Geld doch bitte sinnvoll zu investieren und es für ja keinen Scheiß auszugeben. Er versicherte mir dies und bedanke sich recht herzlich.
Schließlich im Zug, der Fahrkartenkontrolleur bat um meinen Preisnachweis, woraufhin ich ihm meine vorhin stolz erstandene Fahrkarte präsentierte, welche wohl bereits entwertet war. Und nicht nur das, es war der falsche Tarif! Statt Verbund hätte wohl DB der richtige sein sollen, ich saß also streng genommen falsch hier. Nichtsdestotrotz verließ er mich einem „Nein, kein Problem, Sie steigen ja eh in Hamm aus - alles gut“. Wieder einmal verhalf mir mein Äußeres, anscheinend ordentlich wirkendes, Aussehen zu diversen Vorteile oder einfach nur den ein oder anderen Ignoranzvorfall.
An der Stelle möchte ich nun ein bereits gestern entstandenes Resultat meinerseits einfügen:
„ Tag für Tag ist unser Leben reines Schauspiel. Und die Leute, die die Kunst des Schauspiels am besten beherrschen, sind letztendlich auch die Erfolgreichsten.“
- Jon Keno -
Im Laufe des gestrigen Tages ist mir einfach bewusst geworden, wie viel Irrealität in dieser eigentlich so real erscheinenden Welt doch steckt. Die Vorstände, die Geschäftsführer, die Redner, die Helfer, die Übertragung der Vorstände auf die Leinwände, ja die Zuschauer selbst – alle mussten schauspielern. Und zwar gut. Gut, um nicht durchzufallen. Durchzufallen, durch die Prüfung des Lebens. Denn stellt man sich vor, einer der Vorstände hätte plötzlich angefangen zu lachen, weil er den aktuellen Redner einfach nur zum Schlapplachen findet (was durchaus der Fall hätte sein können, bei dem Niveau des einen oder anderen, der dort so die Bühne betrat). Oder noch schlimmer, einer der Vorstände hätte plötzlich angefangen zu weinen, weil vor Kurzem seine Mutter verstorben ist und er einfach nicht anders konnte, als nun daran zu denken. In beiden Situationen hätten die Menschen um ihn herum (vor allem diejenigen, die überredet werden sollen, weiterhin seine Aktien zu kaufen) ihn nicht mehr ernst nehmen können. Ich meine, welche professionell ausgebildete Führungskraft zeigt offen seine Emotionen, wenn er/sie vor einer öffentlichen Menge spricht? Und jetzt kommt der springende Punkt. Wenn wir hier von einer professionell ausgebildeten Führungskraft sprechen, dann meinen wir Leute, die es zu etwas gebracht haben. Und weshalb haben diese Leute es zu etwas gebracht?
Entweder weil sie sich in ihrem Fach einfach besonders gut auskennen und sich damit der Masse abheben – oder einfach weil es verdammt gute Schauspieler sind. In diversen Praxisbüchern lernt man, dass erfolgreiches Auftreten bedeutet, sein Inneres (Gefühle) mit dem Äußeren (sachliches Ziel) in Einklang zu bringen und das Ganze authentisch zu vermitteln. Dem Ganzen kann ich nur halb zustimmen, wobei solche Fähigkeit natürlich einen ehrlichen Verkäufer auszeichnen würde. Nun allerdings werden die meisten Leute nicht erfolgreich weil sie ehrlich sind, sondern weil sie es eben nicht sind. So ist es doch. Also sind es eben jene Schauspieler, die vor allem gut darin sind, ihr Äußeres möglichst gut in Schale zu werfen, sich und ihr Produkt möglichst toll zu bepreisen und letztendlich einfach gut aussehen. Worauf will ich hinaus? Ich weiß es nicht, auf jeden Fall ist mir klar geworden, dass nichts auf dieser Welt wirklich echt ist, vieles gar nicht echt sein kann und letztlich die Leute es am einfachsten haben, die die besten Schauspieler sind. Leider.