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Geben und Aneignen

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Das Essen, das in den eben erwähnten Aufzeichnungen des pontifex maximus genannt wird, wurde organisiert, um die Inauguration eines Flamen Martialis um das Jahr 70 v. Chr. herum zu feiern. Wir haben keinen Anlass, an der Existenz anderer luxuriöser Bankette zu zweifeln. Wenn ein Römer des ersten Jahrhunderts seine Freigiebigkeit zur Schau stellen wollte, sprach er von cenae sacerdotales, von „Priestermählern“. Natürlich kann eine Gelegenheit, die eine klare religiöse Zuschreibung hat, auch für andere soziale Interaktionen genutzt werden. Trotzdem war die Kommunikation bei solchen Anlässen durch formelle und informelle Regeln beschränkt, die typisch für den jeweiligen Anlass waren. Ich sage dies nicht, um „säkular“ und „religiös“ gegenüber zu stellen. Dennoch bleiben Unterschiede. Das Loseziehen für die Auswahl der ersten Stimmgruppe, ein Zufallsverfahren, das die Entscheidung in den Händen der Götter belässt, machte die wählenden und gesetzgebenden Versammlungen nicht zu religiösen Treffen; contiones zur Wählergewinnung ohne solche religiösen Elemente gab es darüber hinaus. Man nahm trotzdem an, dass die Organisation von großartigen Spielen einen größeren Eindruck bei den Wählern hinterlassen würde als eine eloquente Rede. Die Zunahme von Spielen und Prozessionsriten ist ebenso stark mit den euergetischen Praktiken verbunden wie die Veränderung scheinbar privater Bankette. Welcher Mechanismus ist hier wirksam?

Religiöse Anlässe bedeuten Handlungen, die unmittelbar die Götter einbeziehen. Trotz der Vernachlässigung des religiösen Faktors durch viele Historiker waren die Götter nicht überflüssig oder nur traditionelles Beiwerk. Wie oben gezeigt, waren die Götter die Hauptadressaten von Wettkämpfen und dramatischen Vorführungen und waren unverkennbar anwesend in Zeitwahl, Ortswahl und als Bild – normalerweise in allen drei Dimensionen. Auch die Gladiatorenspektakel, die während der Republik und lange danach weder als Spiele noch als „öffentlich“ eingestuft wurden, wurden trotzdem mit Blick auf künftige Wahlen organisiert. Gleichwohl wurden sie als munera betitelt, „Pflichten“ gegenüber einem toten Vorfahren. Die großen Männer der späten Republik nahmen große Mühen auf sich, solche Vorfahren zu identifizieren, und sie schreckten nicht davor zurück, zeitlich lange Brücken von jetzt veranstalteten Gladiatorenspielen zu einem Todesfall zu schlagen, der bereits lange zurück lag. Das Publikum, das damit geschaffen wurde – und die Einführung einer die Spiele eröffnenden pompa half natürlich, ein solches Publikum zu schaffen34 – machte keinen privaten Zirkel von Feiernden aus, sondern einen halböffentlichen Zusammenschluss, der einem göttlichen Wesen, nämlich der toten Person, Verehrung anbot. Die munera für die Toten sakralisierten, wie inoffiziell auch immer, die Stätte, an der sie stattfanden. Diese Stätte wurde zum locus religiosus, wenn auch nicht zu einem förmlich in göttliches Eigentum übergegangenen locus sacer.35

Der religiöse Charakter war noch deutlicher für die technisch gesehen wirklich „öffentlichen“ Rituale, die an Gottheiten gerichtet waren, die von der res publica verehrt wurden, also auch auf deren Kosten. In öffentlichen religiösen Ritualen wird die Achse der Kommunikation zwischen dem Spender (dem leitenden Magistraten) und dem Verbraucher (dem anwesenden Bürger) in ein komplexes Feld von Kommunikationen zwischen mindestens vier Parteien umgewandelt. Durch die Kofinanzierung von Spektakeln ließ die Gemeinschaft keinen Zweifel an ihrer führenden Rolle. Die Anwesenheit der Götter war die Garantie, dass die Anwesenden nicht einfach bloß die Opfergaben des Magistraten verspeisten. Im Ritual wurden die Götter nicht durch den leitenden Magistraten geehrt, sondern durch die Bürger allgemein. Die als solche benannten Verbraucher waren die Götter; die Bürger wurden Teil der Spendengemeinschaft. Die res publica eignete sich das Ritual an.

Römische Religion in republikanischer Zeit

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