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Kapitel 4 Beginnende Rationalisierung von Religion in Dramen des zweiten Jahrhunderts v. Chr.: Accius
ОглавлениеBis jetzt wurde Systematisierung vor allem in Bezug auf die Veränderungen von Institutionen beobachtet. Dabei diente die Rationalisierung der Kommunikation vor allem der Gestaltung von Raum. Öffentliche Religion erschien eher als Instrument denn als Objekt von Rationalisierung. Dieses Kapitel soll die ersten Stufen eines Prozesses beleuchten, der als theoretische Rationalisierung von Religion bezeichnet werden kann und Religion zu etwas machte, das gewusst, diskutiert und Standards argumentativer Stimmigkeit, Rationalität also, unterworfen werden konnte. Auch wenn der Prozess in anderen Texten sichtbar ist, wird sich dieses Kapitel auf die Texte konzentrieren, die im Zentrum der bisher behandelten Entwicklungen steht: das römische Drama.
Das römische Drama ist am besten durch zwei seiner ersten Stückeschreiber bekannt, Plautus und Terenz. Eine aktuelle Studie hat gezeigt, wie weitverbreitet Religion in den Stücken des Plautus ist. Sie schildern die performativen Aspekte römischen Rituals und die Feinheiten der Kommunikation mit verschiedenen Göttern. Auch wenn das erzeugte Bild von Religion sehr schlüssig ist und die Unsicherheit der Kommunikation zwischen Menschen und Göttern durch häufig gestörte und unterbrochene Rituale thematisiert wird, wird doch keine systematisierende Kritik in den Texten des Plautus geboten.1 Es gibt zu Beginn vom Mercator (5–8), dem „Kaufmann“, einen Hinweis auf die Frage, ob sich Götter wirklich um Menschen kümmern, aber die Idee wird, sobald sie aufkommt, sofort dafür genutzt, sich dafür zu verteidigen, sich auf das Publikum als Hauptadressat des dramatischen Werkes zu beziehen.2 Wir müssen bis zur zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts warten, bis wir deutlichere Veränderungen in der Natur der religiösen Diskurse und dem Inhalt der Kritik finden.
Die Quellen für die betrachtete Zeit sind eher spärlich. In den wenigen Fällen, in denen wir zeitgenössische Texte haben – Zeitgenossenschaft ist von besonderer Bedeutung bei dieser Untersuchung –, sind sie kurz und selten mehr als Fragmente. Polybius, der sich immerhin in Rom aufhielt, war Grieche und nicht besonders an Religion interessiert. Gleichwohl kann seine positive Einschätzung der Funktion dieses „Aberglaubens“3, wie ein Polybius es heute wohl nennen würde, als wichtige Reflexion auf Theorien angesehen werden, die unter seinen Gesprächspartnern kursierten, Mitglieder der römischen Oberschicht wie Cato der Ältere.4
In der nächsten Generation römischer Theaterstücke stellen die Stücke des Accius (ca. 170–90 v. Chr.) einen wichtigen Ausgangspunkt dar. Sie sind vielfach in verstreuten Fragmenten erhalten. Eine Durchsicht dieser Fragmente zeigt drei bedeutende Bereiche: kritische Betrachtung der Götter oder Theologie allgemein; die Beschreibung meteorologischer und astronomischer Phänomene, die mit den theoretischen Begriffen griechischer Naturphilosophie erklärt werden; und Aussagen über Divination, die mit einem vergleichbaren theoretischen Diskurs verbunden sind und so eine eigene Form der Kritik römischer Institutionen ermöglicht.