Читать книгу Von Jupiter zu Christus - Jorg Rupke - Страница 22

2. Die Logik der Inschrift CCID 373/Zappata 13

Оглавление

Corpus Cultus Iovis Dolicheni 373 = AE 1938,61; 1940,75 = Zappata 1996, Nr. 13

Gute Fortuna

Auf Anweisung des Größten und Besten Iuppiter Dolichenus, des ewigen Bewahrers haben / Annius Iulianus und Annius Victor, die Patrone dieses / Ortes als Geschenk diese Marmortafel aufgestellt – / (5) zu Ehren ihrer Brüder, gleichfalls Patrone und Kandidaten. / (Das Ganze geschieht) unter Mitwirkung des Marcus Aurelius Oenopio Acacius, Priester und Vater der Kandidaten.

(Es folgen die jeweils mit patr überschriebenen Namenslisten in sechs Spalten)


Bei dem vorgelegten Text handelt es sich – wie bei wohl allen Zeugnissen des Dolichenus-Kultes – um eine Dedikation, die „auf Befehl“ (ex praecepto, ex iussu) des Gottes entstanden ist. Nach diesem Praeskript stellen sich die Dedikatoren Annius Iulianus und Annius Victor als patroni huius loci vor und nennen das Dedikationsobjekt, eine Marmortafel; mit et honorem angeschlossen geben sie sodann den Zweck der Inschrift an. Geehrt werden sollen die eigenen „Brüder“ (fratres), die als patroni und candidati bestimmt werden. Durchgeführt wird die Weihung in Anwesenheit oder mit Erlaubnis (per) eines M. Aurelius Oinopio Acacius, der als sacerdos und pater candidatorum bezeichnet wird. Diese letzte Angabe schließt syntaktisch den Einleitungssatz ab.

Die nun folgenden Namen sind in sechs, allerdings nicht ganz gleichmäßig gefüllten Spalten angeordnet, die jeweils mit patr überschrieben sind. Die übliche Interpretation löst diese Abkürzung mit patr(onus et candidati) auf und sieht in jeder Spalte eine aus einem Patron und mehreren Kandidaten bestehende Gruppe.6 Eine scheinbare Bestätigung fand diese Interpretation in der (wie die eckigen Klammern, die die zerstörten, nur hypothetisch ergänzten Teile umrahmen, nur teilweise deutlich machen können) stark beschädigten Inschrift CCID 375/Zappata 14, in der gerade unter der Überschrift Patroni und – wahrscheinlich zu ergänzen – ċ[andidati] hu[ius loci]7 die Namen der die Spalten drei bis sechs von CCID 373 anführenden Personen, Aurelius Asclepiodotus, Suaetrius Clodianus, Flavius Campanus und Aurelius Vitalio, sowie die der beiden Dedikanten Annius Iulianus und Annius Victor folgen; in einer vorangehenden Lücke in CCID 375 ließen sich auch gut die Namen des Aurelius Magnesius und Aurelius Sarapiacus unterbringen, welche die Kolumnen 1 und 2 von CCID 373 anführen:

CCID 375/Zappata 14:

Auf B[efehl des Größten und Besten Iuppiter Dolichenus haben die Patr]one und? K[andidaten] di[eses Ortes?] / [eine Tafel aus Marmo]r [aufgestellt] / … / [Aurelius Magnesius, Aurelius Sara]piac[us], Au[relius] Asclepi[odotus] / (5) Suaetr[i]us [Clodian]us, Flavius Campanus, Aurelius Vitali[o, die Annii] / Julianus und Vict[or], Senior und Junior, (allesamt) Pat[ron]e / unter Mitwirkung von M. A[urelius] Oinopio Acacius, Priester und Vater der Kandidaten./

Geminius Felix und Vibius Eu]tychianus, Sänftenträger des Gottes, / […] und Kandidaten / …

Auch diese Weihung CCID 375 geschieht laut Zeile 7 „durch“ M. Aurelius Oinopio Acacius, Priester und pater candidatorum. Es folgt dann in der Folgezeile (8) nach einer Lücke, in der der Name des Geminius Felix (zweiter in der zweiten Spalte von CCID 373) unterzubringen wäre, der Name des Eutychianus (dritte Position der zweiten Spalte von CCID 373), der gemeinsam mit der ihm voranstehenden Person unter dem Titel lecticari dei figuriert.

Die soeben vorgestellte Interpretation führt aber zu Schwierigkeiten in CCID 373/Zappata 13: Da in der ersten Spalte von CCID 373/Zappata 13 auch der zweite Name mit patronus qualifiziert wird, würden hier – fasst man das verschriebene Lamrpias als eigenen Namen auf – zwei patroni einen Kandidaten, Memmius Leo, betreuen (andernfalls wären nur zwei Patrone genannt: Patro(nus) Aur(elius) Magnesius Lamprias, patronus Mem(mius) Leo).8 Dass Lamprias – diese Korrektur für die unmögliche Verschreibung Lamrpias liegt zunächst nahe9 – patronus war, ja eine besondere Rolle in der Kultgruppe eingenommen zu haben scheint, wird durch CCID 381/Zappata 20 gesichert: Diese Inschrift wird „zum Heil“ (pro salute) mehrerer Personen gesetzt, nämlich für das Wohlergehen des Dedikanten selbst (sua), seiner Frau Aurelia Restituta und seiner Tochter Tettia Pannuchia sowie schließlich für die sacerdotes, kandidati und colitores huius loci, die Priester, Kandidaten und „Verehrer dieses Ortes“. Zwischen diese beiden Gruppen, Familie und Kultanhänger, ist Aurelius Lampadius10 gestellt, der als frater carissimus qualifiziert wird, nach der Terminologie der Inschriften eindeutig ein „Bruder“ im kultischen Sinne.11 Beide Personen dürften identisch sein, wenn auch die korrekte Namensform aus der Verschreibung einerseits und dem nicht mehr erhaltenen Genitiv andererseits nicht mehr zu ermitteln ist.

Die Interpretation der Kolumnen als patronus mit candidati führt auch in der fünften Spalte zu einem Problem: Der dort an fünfter Stelle genannte Aurelius Romanus wird bereits als sacerdos qualifiziert; es ist aber schwierig, sich vorzustellen, wie er zur gleichen Zeit bloßer candidatus sein könnte – CCID 381 stellt nämlich eine klare Hierarchie von sacerdotes, kandidati und colitores vor.12

Sieht man sich diese zuletzt genannte Inschrift CCID 381 näher an, muss man darüber hinaus feststellen, dass der Dedikant, L. Tettius Hermes, sich als candidatus et patronus huius loci (Zeile 4) vorstellt. Patrone und Kandidaten stehen demnach in keinem Komplementärverhältnis, sondern gehören zwei unterschiedlichen Klassifikationssystemen an.13 Aber welche interne Ordnung liegt dann den Listen von CCID 373 zugrunde?

Zunächst eine weitere Beobachtung: Ist es ein „Zufall“, dass ausgerechnet die Personen, die die Spitzen der Kolumnen von CCID 373/Zappata 13 einnehmen, die schon genannten Aurelii Magnesius, Sarapiacus und Asclepiodotus, Suaetrius Clodianus, Flavius Campanus und Aurelius Vitalio sowie Lamprias oder Lampadius, Geminius Felix, Vibius Eutycianus und Cornelius Crescentianus, in CCID 375/Zappata 14 (die ersten beiden und der letzte in Ergänzungen, Lamprias fehlt) und wenigstens teilweise in CCID 381/Zappata 20 (siehe unten; die ersten beiden und die letzten drei) zusammengestellt werden und auch die Dedikanten Annius Iulianus und Annius Victor von CCID 373 in CCID 375 am Ende der ersten Namensliste, unmittelbar vor dem sacerdos, genannt werden? Zunächst einmal ist negativ festzuhalten, dass in beiden Vergleichsinschriften Personen genannt werden, die ihrerseits nicht als candidati qualifiziert werden; die fragmentarische Inschrift CCID 375/ Zappata 14, in der Zappata wie zuvor schon Merlat ċandid[ati] am Textende liest (Z. 9), scheint diese erst nach der durch eine Reihe unterschiedlichster Funktionen strukturierten Namensliste als (vielleicht sogar anonyme) Gruppe abschließend genannt zu haben. Wie schon gesagt, bilden Patrone und Kandidaten keine komplementären Gruppen. Im Falle von CCID 375 setzt patroni die voranstehende Liste zunächst einmal gegen den per-Ausdruck, der den die Dedikation begleitenden sacerdos nennt, ab. Die darauf folgenden beiden Namen sind die auch aus CCID 381/ Zappata 20 bekannten lecticarii:

Gute Fortuna

Auf Geheiß des Größten und Besten Iuppiter Dolichenus, dem ewigen Bewahrer des ganzen Himmels und der herausragenden, / erhaltenden und unbesiegten Gottheit hat L. Tettius Hermes, römischer Ritter und / Kandidat und Patronus dieses Ortes, zum eigenen Heil und dem der / (5) Aurelia Restituta, seiner Gattin, und dem der Tettia Pannuchia, seiner Tochter / und der Seinen und des Aurelius Lampadus, des geliebtesten Bruders, und zum Heil / der Priester und Kandidaten und Verehrer dieses Ortes, eine Tafel / aus Marmor mit Bühne und Säulen gestiftet. Diese hat / der Größte und Beste Iuppiter Dolichenus auserwählt, ihm zu dienen: M. Aurelius Oenopio Onesimus mit dem Rufnamen Acacius, / (10) den Notar, und Septimius Antonius mit dem Rufnamen Olympius, den Vater der Kandidaten, / die Patrone, geliebtesten Brüder und höchst ehrenwerte Kollegen Aurelius Magnesius, / Aurelius Serapiacus, Antonius Marianus, Marcus Iulius Florentinus, Erster / dieses Ortes, und Aurelius Severus, den Veteran und Tempelverantwortlichen und / Aurelius Antiochus, den Priester. – Geminius Felix und Vibius Eutychianus / (15) die Sänftenträger des Gottes, Co[rnelius Cres]centianus / …

Auch hier ist eine Dreiteilung zu beobachten: Zunächst nehmen die beiden durch „die sich Jupiter Optimus Maximus Dolichenus erwählte“ (Z. 8 / 9) bezeichneten Personen jene Stelle ein, die in anderen Inschriften durch eine mit „unter Mitwirkung von“ (per) bezeichnet und herausgehobenen Funktionsträgern vorbehalten wird. Grammatikalisch wird die Liste dann aber unverändert fortgesetzt, allerdings der Einschnitt sprachlich deutlich markiert: In Zeile 11 nimmt das dreifache patronos, fratres carissimos et collegas honestissimos die Funktion einer „Überschrift“ ein, die die folgenden Namen bis zu dem Priester (sacerdos) Aurelius Antiochus umfasst. Dieser Struktur entspricht in CCID 375 das eine Namensliste im Nominativ abschließende patroni (Ende Zeile 6) vor der mit per angeschlossenen Person, Acacius, der auch hier die Funktion wahrnimmt, die Weihung durchzuführen oder zu „legalisieren“. Insofern markiert in CCID 381 der Wechsel von den Akkusativen zu den Nominativen nach sacerdotem (Zeile 14) einen deutlichen Einschnitt, wie er in CCID 375 mit den erneuten Nominativen nach dem per-Ausdruck erreicht wird (Zeile 9). In beiden Fällen stehen die lecticarii dei, die „Sänftenträger des Gottes“, an der Spitze dieses dritten Teils. Demnach wird auch in CCID 373 im sechsspaltigen Teil ein wichtiger Einschnitt vor den Namen dieser nicht als solcher markierten Funktionsträger auf der zweiten Position der zweiten Spalte zu suchen sein. Aber Geminius Felix (wahrscheinlich) und Vibius Eutychianus (sicher) als lecticarii dei, Träger der Sänfte mit dem Standbild des Gottes in Prozessionen, und Cornelius Crescentianus als epigraphisch gesicherter, aber nicht näher bestimmbarer Funktionsträger dürften kaum „Kandidaten“, geschweige denn die einzigen Vertreter einer (dann auffällig kleinen) Gruppe von Kandidaten sein.

Aus ihrer Position in den sechs Spalten von CCID 373/Zappata 13 wird nun die Logik der Inschrift ersichtlich: Als Vorlage diente dem Steinmetz eine einspaltige Liste, die er von sich aus, ohne auf konzeptionelle Gründe zurückzugreifen, die in der Struktur des Kultes begründet wären, auf der Tafel selbst wegen des Formates in eine sechsspaltige Liste umsetzte.14 Dazu trug er zunächst, jeweils eine neue Spalte beginnend, die ersten sechs Namen auf die Tafel auf, beginnend mit Aurelius Magnesius in der ersten Spalte, bis hin zu Aurelius Vitalio in der sechsten Spalte. Der siebte Name der Liste, Lamprias (oder Lampadius?) folgte entsprechend an zweiter Stelle der ersten Spalte. Vermutlich enthielt die Vorlage hier den Zusatz patronus oder patroni, da mit den vorangegangenen Namen – und man wird hier die Dedikanten des ersten Teils der Inschrift hinzurechnen müssen – die erste Gruppe erschöpft waren.

Aus den in der ersten Namenszeile erkennbar annähernd identischen Breiten der Spalten, die auf den Buchstabenbestand, der untergebracht werden muss, keine Rücksicht nehmen, ist ersichtlich, dass der Steinmetz keine sauber ausgearbeitete Vorlage benutzte, sondern den Auftragstext gewissermaßen freihändig auf die Marmortafel übertrug. Um also zu einer gleichmäßigen Auffüllung der Spalten und einer Zentrierung der Gesamtinschrift zu kommen, füllte er nun zunächst die von ihm vorgesehenen sechs Spalten weiter auf. Da die erste vertikale Spalte bereits nach dem Patronus Lamprias, also dem zweiten Namen in dieser Spalte, vier Zeilen umfasste, konnten in die zweite Spalte drei Namen eingetragen werden, die Liste konnte über Geminius Felix und Vibius Eutycianus, den beiden lecticarii, bis zu Cornelius Crescentianus abgearbeitet werden. Auf der Liste selbst dürften dann M. Aurelius Eutyces (Spalte 3,4) Aturmarurius (?) sowie noch in derselben Spalte, dicht darunter, T. Annius Nicevitus gefolgt sein. Es folgen dann zwei Aurelii, Antoninus und sein Sohn, sowie Gelasius der Vergolder (Spalte 4,3 – 5), sodann drei Suetrii in der fünften Spalte (Exuperas, Primus und Ampliatus), gefolgt von zwei Aurelii und einem Vulcacius (Bulcacius) in der sechsten.

Nach diesem ersten Durchgang, der zu Spalten geführt hatte, die aufgrund der verringerten Zeilenabstände in der rechten Tafelhälfte immer kürzer wurden, folgte die weitere Auffüllung. Die abzuarbeitende Liste setzte sich fort mit Memmius Leo (Spalte 1), gefolgt von zwei Aurelii (Victorinus und Timotheus) in der zweiten und zwei Namen (Florus Aelianus und Campanus Iunior) in der dritten Spalte; der den Abschluss bildende Campanus Junior war wohl ein Sohn des patronus Flavius Campanus (Spalte 5,1). Mit den verbliebenen fünf Namen konnte nun großzügiger umgegangen werden: Es folgte (schon mit deutlichem Abstand zur Vorzeile) Aurelius Gelasius Acaci in der vierten und – zur Anpassung der Längen – Aurelius Romanus wie Aurelius Maximus in der fünften Spalte, beides sacerdotes. Dass die Abkürzung einmal drei (sac), einmal fünf Buchstaben (sacer) umfasste, zeigt, dass die Optik – ausgeglichene Zeichenlängen – wichtig war. Und schließlich wurden, in größeren Buchstaben, ein Gr. (?) Deuterius und ein Suetrius Bacradis aufgetragen. Möglicherweise – und das ist ein Gewinn der Rekonstruktion der ursprünglichen Liste (über die Sequenz und familiäre Struktur der patroni-Schicht hinaus) – handelt es sich bei allen fünfen um religiöse Spezialisten: Aurelius Gelasius gehört zum sacerdos Acacius, die beiden Aurelii sind explizit als sacerdotes ausgewiesen und die beiden letzten ungewöhnlichen Namen verweisen auf „Sacerdotabilität“ vielleicht aufgrund der Herkunft.15

Die Kürzel patr dürfte der Steinmetz erst nach Abschluss seiner Arbeit eingefügt haben:16 Las man den Text so, wie er zunächst aufgetragen war, musste das isoliert stehende patronus, mit dem Lamprias qualifiziert worden war (vielleicht dürfte gerade die Verwunderung über diesen Zusatz zu der Verschreibung im Namen geführt haben), den Eindruck erwecken, als handele es sich bei den zuvor aufgeführten Personen nicht um solche, zumal ja auch Acacius in der vorangehenden Zeile als pater candidatorum, nicht aber patronus vorgestellt worden war.17

Von Jupiter zu Christus

Подняться наверх