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Kapitel 5

Organisationsmuster religiöser Spezialisten im kultischen Spektrum Roms

1. Einführung

Das vorangegangene Kapitel hat am Beispiel eines Textes des zweiten Jahrhunderts deutlich gemacht, in welchem Umfang Bilderwelten wie Einstellungen quer zu religiösen Orientierungen geteilt wurden. In welchem Maße solche Überschneidungen als Blick auf Gemeinsamkeiten vor jeder Differenzierung oder als sekundäre Konvergenz in gemeinsamen kulturellem Rahmen zu interpretieren sind, kann nur die Analyse des Einzelfalles entscheiden. In diesem Kapitel soll das im Blick auf Spezialistenrollen in unterschiedlichen Kulten getan werden. Der Blick richtet sich dabei besonders auf jene Kulte, die mit dem Begriff der „orientalischen Religionen“ assoziiert worden sind, Judentum, Isis, Christianer, Mithras, und die in besonderem Maße als unterschieden, als andersartig in der Forschung behandelt worden sind. Der Zugriff ist ein prosopographischer, der das Material benutzt, das ich in den Fasti sacerdotum für die Stadt Rom zusammengestellt habe.1 Diese Sammlung prosopographischer Daten erfasst alle Träger dauerhafter kultischer Funktionen, nicht nur „Priester“, sondern ebenso Kultdiener, Kassenwarte oder Schreiber im Dienste eines Kultes, insgesamt knapp viertausend Personen für die Zeit von 300 v. Chr. bis 499 n. Chr.

Die Bezeugungsdichte ist sehr unterschiedlich. Wo die Pontifices maximi und Arvales über Jahrhunderte fast zu einhundert Prozent bekannt sind, liegt der Wert für die großen Kollegien zwischen dem ausgehenden dritten Jahrhundert v. Chr. und dem frühen dritten Jahrhundert n. Chr. zwischen vierzig und achtzig Prozent, danach sinkt er dramatisch. Für das vierte Jahrhundert sind in manchen Kollegien und manchen Jahren nur ein oder zwei (von zwölf oder mehr) Amtsinhabern bekannt. Von den vermutlich Zehntausenden von vicomagistri – es gab vier jährlich wechselnde magistri idealerweise in jedem der 265 vici der augusteischen Stadtordnung – kennen wir nur wenig mehr als vierhundert; fast dieselbe Anzahl christlicher Presbyter (rund 360) dürfte für das zweite bis fünfte Jahrhundert die Zehn-Prozent-Grenze kaum übersteigen. Manche Namen sind zufällig erhalten, durch isolierte Erwähnung in Briefen oder Geschichtswerken. Die Masse aber stammt aus Ehren- und Grabinschriften, die – als antikes Massenphänomen – ähnliche Standards in der Erwähnung eigener oder fremder Ämter erwarten lassen. Damit konzentriert sich das prosopographisch erfassbare Material auf entsprechend bewertete Funktionen. Oberhalb des einfachsten Hilfspersonals, das sich vielleicht keine Grabinschriften leisten konnte, führen die Inschriften so zu einem recht realistischen Organigramm vieler Kulte und Kollegien. Diskrepanzen gegenüber literarisch tradierten oder formulierten Ämterlisten lassen sich mehrfach als begründet und nicht zufällig, allein durch die Zufälle der Überlieferungsgeschichte bedingt, erweisen. Wie sehen die Befunde nun aus?

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