Читать книгу Renko - Jorin Söker - Страница 15
Renko
ОглавлениеIch erwachte aus einem komischen Schlaf und brauchte einen Moment, um mir bewusst zu werden, was alles passiert war. An den Raum, in dem ich mich befand, konnte ich mich nicht erinnern. Ich hatte ein Spielzimmer in Erinnerung. Als ich mich nach rechts drehte, entdeckte ich Kai und Steffen, die ebenfalls im Bett waren. Beide lehnten am Kopfende. Steffen war offenbar an Kais Schulter eingenickt. Kai sah aus dem Fenster, aber irgendwie registrierte er wohl, dass ich wach war, denn plötzlich drehte er den Kopf zu mir.
»Na? Wie fühlst du dich?«
»Ich ...«, setzte ich an, führte den Satz aber nicht zu Ende.
Mir war mit einem Mal alles so peinlich. Außerdem tauchte Olaf in meinen Gedanken auf. Ich wollte mir gar nicht ausmalen, was der mit mir tun würde, wenn er mich das nächste Mal zu packen bekam. Mir lief es eiskalt den Rücken runter.
»Hey, ruhig«, hörte ich Kai wieder und spürte kurz darauf seine Hand auf meinem Kopf, wo er sachte durch meine Haare streichelte.
Seine Berührung holte mich schnell in die Gegenwart zurück, ließ den Gedanken an Olaf verschwinden. Unsicher sah ich zu ihm auf.
»Mir ist das alles so unangenehm«, stammelte ich.
»Muss es nicht. Wirklich nicht«, sagte Kai und schaute mich mit warmem Blick an.
Steffen wurde ebenfalls langsam wach. Er blinzelte und sah zu Kai auf. »Ach, verdammt, da bin ich wohl eingeschlafen.«
Er rappelte sich etwas auf, sodass sein Kopf nicht mehr an Kais Schulter ruhte. Sein Blick wanderte zu mir.
»Wie geht’s dir?«, fragte auch er.
»Es tut mir leid«, entwich es mir.
»Dir muss nichts leidtun«, entgegnete Steffen.
»Um dich mal aufzuklären«, berichtete Kai, »Leon hat alle Stellen gesäubert und mit Salbe versehen. Die schlimmsten Striemen sind mit Pflaster abgeklebt, nur deine Fußsohlen nicht, weil da die Pflaster nicht gut halten. Er hat dir absolutes Laufverbot erteilt, es sei denn, du musst auf Toilette.«
»Laufverbot?«, hakte ich irritiert nach.
»Ja, damit deine Fußsohlen abheilen können.«
»Gut, heute kann ich mich noch ausruhen, aber morgen muss ich wieder auf die Arbeit.«
»Du kannst so doch nicht arbeiten!«, wandte Steffen ein.
»Doch. Ich muss. Ich habe heute schon gefehlt.«
»Was du musst, ist, dich ausruhen«, erwiderte Steffen.
»Das geht schon.«
»Du solltest das nicht so auf die leichte Schulter nehmen.«
»Lass das mal meine Sorge sein!«, rebellierte ich, da ich mich in die Ecke gedrängt fühlte.
Da war Steffen, der wollte, dass ich mich ausruhte, Kai, der vermutlich das Gleiche wollte, und Olaf, bei dem ich wusste, dass es fatal wäre, wenn ich nicht zur Arbeit ging. Das Theater, was er veranstalten würde, wollte ich nicht erleben.
»Schluss!«, ging Kai dazwischen und brachte uns beide zum Schweigen.
Er sah mich streng an. »Du bleibst. Bis übermorgen, wenn Leon deine Wunden nochmal kontrollieren kommt.«
»Nein!«, hielt ich stur dagegen, auch wenn es mir bei seinem Blick schwerfiel.
Er hob eine Augenbraue. »Das war keine Frage, sondern eine Ansage. Das diskutiere ich nicht.«
»Ich diskutiere da auch nicht! Ich werde gleich nach Hause gehen und damit hat sich das! Eure Hilfe in allen Ehren, aber ich krieg das auch allein hin!«
»Verdammt. Du wirst hierbleiben und dich erholen«, versuchte er weiter, mir vorzuschreiben, was ich zu tun und zu lassen hatte.
»Nein! Du bist nicht mein Dom!«, schrie ich ihn an.
»Aber immerhin hast du erkannt, dass ich einer bin«, gab er trocken zurück, was mir bewusst machte, was ich da gerade gesagt hatte.
Steffen stöhnte. »Leute, wir drehen uns im Kreis. Wie wäre es, wenn wir erst mal aufstehen und etwas essen? Na gut, Renko, du stehst noch nicht auf, dich trage ich.«
»Ich kann auch aufstehen, so schlimm ist es nicht«, beharrte ich weiterhin.
Steffen verdrehte die Augen. »Schön. Ich trage dich trotzdem. Falls du es noch nicht gemerkt hast: Ich bin auch ein Dom. Also versuch gar nicht erst, gegen uns anzukommen, das schaffst du nämlich nicht.«
Er zwinkerte und stand aus dem Bett auf. Ich schnaubte.
»Und ich kann es gerne tausend Mal wiederholen: Du bist nicht mein Dom. Genauso wenig wie Kai.«
»Und wir drehen uns immer noch im Kreis, also beende ich das jetzt ein für alle Mal. Wir wechseln in die Küche. Steffen, du trägst ihn, und dann kümmere ich mich ums Essen, während du uns aufklärst, was da bei dir alles gewesen ist.«
Mit den Worten stand er auf und ging, barfuß wie er war, aus dem Schlafzimmer.
»Du hast es gehört. Hier, zieh die Jogginghose an, die dürfte dir passen, obwohl du schmaler bist als ich«, sagte Steffen und reichte sie mir rüber.
Da wurde mir erst bewusst, dass ich nackt unter der Decke lag.
»Wo sind meine Sachen?«
»Unten. Die müssen erst gewaschen werden.«
»Hm«, brummte ich unzufrieden, zog aber die Jogginghose an.
Es war komisch, keine Unterhose darunter zu tragen, aber da mein Schwanz immer noch vor Schmerz pochte, war das wohl eine kluge Entscheidung.
»Bist du so weit? Halt dich fest«, fragte Steffen und hob mich, zum wiederholten Mal, auf seine starken Arme.
In der Küche sah ich das erste Mal auf die Uhr und stellte schockiert fest, dass es bereits kurz nach dreiundzwanzig Uhr war. Steffen folgte meinem Blick, da er mir am Tisch gegenübersaß und mich ansah.
»Ja, das wird eine kurze Nacht werden«, befand er.
»Ihr könnt ausschlafen. Ich werde morgen als Einziger von uns auf die Dienststelle fahren«, teilte Kai vom Herd aus mit, wo er Rührei mit Speck zubereitete.
Steffen runzelte die Stirn.
»Ich will aber keinen Urlaubstag vergeuden.«
»Was ist mit Überstunden? Da haben wir genug von«, antwortete Kai.
»Hm. Eben. Du kannst auch hierbleiben.«
»Nein. Einer muss Thorsten informieren.«
Ich keuchte auf, woraufhin Kai sich zum Tisch umdrehte.
»Worüber informieren?«, fragte ich ihn leise.
»Darüber, dass du diese Woche nicht mehr arbeiten wirst. Ich kenne deinen Schichtleiter nicht, aber Thorsten ist unserer, und der kann das ja weitergeben.«
Innerlich atmete ich auf.
»Zu dem Thema, woher deine Verletzungen stammen, kommen wir gleich. Erst essen wir«, stellte Kai mir allerdings in Aussicht, was mich direkt wieder unruhiger werden ließ.
Aber ich durfte es ihnen nicht zeigen. Es wäre ganz schlecht, wenn sie herausbekämen, dass Olaf, mein Teampartner, der Verursacher war.
Die Zeit des Essens ging leider für mein Gefühl viel zu schnell rum. Kai hatte gerade den Tisch abgeräumt, als er sich auch schon mir gegenüber hinsetzte, statt wie beim Essen, links über Eck von mir. Jetzt saßen sie mir beide gegenüber. Und sie sahen mich beide intensiv an. Das würde eine harte Runde werden.
»Ich frage jetzt mal ganz direkt. Wer hat dir das angetan?«, wollte Kai wissen.
»Ich werde dir darauf nicht antworten«, gab ich zurück.
»Und warum nicht?«
Daraufhin schwieg ich.
»War es in einem Club und du willst nicht, dass der Inhaber jetzt Ärger bekommt?«, fragte Steffen. »Wenn dem so ist, dann sei beruhigt. Dahingehend sind alle Clubinhaber abgesichert. Zur Verantwortung gezogen wird immer nur der Verursacher. Da kann ja kein Clubinhaber was für, wenn einer seiner Gäste Mist verzapft. Deswegen unterschreibt man als Besucher solcher Clubs ja immer so eine nette Klausel.«
»Es war übers Internet«, erzählte ich, nachdem ich sicher war, das meine Maske saß.
»Übers Internet? Ihr habt also geschrieben und dann hast du dich mit ihm getroffen?«, hakte Kai nach.
»Genau.«
»Wie lange geht der Kontakt schon?«
»Schon länger. Erst online, dann persönlich.«
»Seit wann persönlich? Oder eher, wie oft schon?«, fragte er weiter.
»Schon öfters.«
»Und du bist nach der ersten heftigen Nummer nicht skeptisch geworden?«, mischte Steffen sich wieder dazwischen.
»Nein. Es war vorher nie so heftig.«
»Die Wunden an deinen Fußsohlen sind nicht alle so frisch wie die an deinem Rücken.«
Das hatte Kai erkannt? Mist. Nach außen hin behielt ich meine Maske auf.
»Die sind vom gleichen Tag«, behauptete ich.
Jetzt donnerte Kai mit der Faust auf den Tisch, sodass ich tatsächlich zusammenzuckte. Steffen hatte wohl Erfahrung mit Kais Art, denn er hatte sich keinen Millimeter gerührt.
»Ich bin Polizist, verkauf mich nicht für blöd, Renko«, warnte er gefährlich leise.
»Ich verkauf dich nicht für blöd. Im Übrigen bin ich das auch. Polizist.«
»Deswegen ist das hier ja gerade so spannend. Mal sehen, wer den längeren Atem hat«, erwiderte Kai trocken. »Die Wunden an deinen Füßen waren älter als die an deinem Oberkörper.«
»Das mag wohl daran liegen, dass ich auf den Füßen laufe. Sie sind stärker belastet.«
»Aber wie kommt es, dass die weniger schlimmen Stellen an deinen Füßen bereits verheilt waren und am Oberkörper hingegen nicht?«
»Was weiß ich? Vielleicht heilt die Haut an den Füßen besser.«
»Vielleicht, vielleicht«, wiederholte Kai, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. »Merkst du eigentlich, wie du dich gerade um Kopf und Kragen redest?«
Noch ehe ich darauf etwas Schlagfertiges sagen konnte, sprach Steffen.
»Olaf Häuser.«
Mehr sagte er nicht, aber das brauchte er auch nicht. Meine Maske verschwand nur für eine Sekunde, aber das genügte den beiden. Sie waren nun mal Polizisten und im Verhören genauso gut geschult wie ich. Und ja, ich musste mir eingestehen, dass ich auf der Seite desjenigen, der verhört wurde, nicht das beste Bild abgab. Auf der Seite des Polizisten hatte ich definitiv mehr Übung.
»Jep, du hast recht«, stimmte Kai in Steffens Vermutung mit ein. »Also wohl doch nicht online.«
»Der war von Beginn an mein Verdächtiger, seit ich die Wunden gesehen habe.«
Überrascht sah ich Steffen ins Gesicht. Er erwiderte meinen Blick.
»Du fragst dich, warum? Nun, nenn es siebten Sinn, keine Ahnung. Verhärtet hat sich der Verdacht tatsächlich erst, bei diesem Gespräch. Ich habe dich nämlich nicht das erste Mal vor mir. Das hat mir die Sache ungemein erleichtert. An dem Tag, an dem wir dich zum Mittagessen mitgenommen haben, da kam Olaf zu seinem Schreibtisch, als ich dich gefragt habe, ob du uns begleiten möchtest. Du hast ihm Blicke zugeworfen, von denen ich jetzt weiß, dass es ängstliche waren. Du wusstest, dass er dir das nicht gestatten würde, wenn er dich auf der Dienststelle offen als Sub behandeln könnte. Hab ich recht?«
»Sklave«, korrigierte ich krächzend. Für Olaf hatte ich von Anfang an Sklave sein müssen. Als Sub reichte ich ihm nicht.
»Wie dem auch sei. Eben habe ich gemerkt, dass du uns gegenüber viel lauter bist, mehr in Konfrontation gehst. Das hat dich letztendlich verraten. Vor ihm kuschst du, vor uns nicht.«
»Ich kusche nicht vor ihm.«
»Nein, deswegen hast du ja auch diese Verletzungen«, entgegnete Steffen.