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2.3.3 Defensoría del Pueblo: Artikulation sozialer Konflikte

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Die Defensoría del Pueblo wurde mit dem Artikel 162 der Verfassung von 1993 geschaffen und 1996 konstituiert.15 Sie ist ein autonomes Organ mit der Aufgabe, die durch Verfassung garantierten Rechte und die Menschenrechte zu verteidigen und die staatliche Verwaltung auf die Erfüllung ihrer Pflichten und Dienstleistungen den Bürgern gegenüber zu überwachen.

Um diese Aufgaben zu erfüllen kann die Defensoría del Pueblo auf Bitten eines Bürgers oder aus eigener Initiative unabhängige Nachforschungen betreiben. Dazu beobachten die Mitarbeiter der Defensoría del Pueblo das Geschehen in Peru, um Verletzungen von Menschenrechten und politischen Rechten festzustellen. In den Departementen und Provinzen unterhält die Defensoría del Pueblo Büros, in denen Repräsentantinnen und Repräsentanten des Defensor del Pueblo für einen bestimmten Raum zuständig sind. Dazu gibt es Verantwortliche für bestimmte Konfliktarten, die jeweils einer Einheit zugeteilt sind.

Eine wichtige Rolle im Umgang mit sozialen Konflikten spielt das Comité de Seguimiento e Intervención en Conflictos Sociales y Políticos.16 Der Defensor del Pueblo, der nationale Ombudsmann, berief die Arbeitsgruppe 2005 ein und präsidiert sie bis heute. Die Arbeitsgruppe besteht aus einer Analysegruppe (Comité de análisis) und einer ausführenden technischen Koordination (Órgano de coordinación técnica). Die Analysegruppe bespricht wöchentlich die gesammelten Informationen und formuliert Vorschläge, ob und wie die Defensoría del Pueblo interveniert. Die technische Koordination sammelt Informationen über soziale Konflikte, fertigt Berichte an, schlägt Aktionen der Defensoría del Pueblo vor, erarbeitet Methoden der präventiven Supervision, organisiert Trainingsprogramme für Konfliktbeteiligte etc.

Das Komitee reagiert auf zwei Ebenen auf Konflikte. Es versucht, in akuten und gewaltsamen Konflikten deeskalierend zu intervenieren, den Konflikt zu verwalten und den Dialog zwischen den Parteien wieder in Gang zu bringen. In anderen Fällen, oft nach gewaltsamen Auseinandersetzungen, arbeitet das Komitee Vorschläge aus, die darauf abzielen, die dem Konflikt zugrundeliegenden Ursachen zu ändern.

Die Defensoría del Pueblo beobachtet soziale Konflikte und interveniert auf unterschiedliche Weise: Vermittlung, Supervision als Prävention, Formulierung von allgemeinen Vorschlägen und Konflikt-Berichte.17

a) Vermittlung. Die Bevölkerung von Peru nimmt die Defensoría del Pueblo vor allem als eine Institution wahr, wo Individuen und Gruppen sich beschweren können und wo ihnen zugehört wird. Darüber hinaus sucht die Defensoría del Pueblo aktiv nach Lösungen in Konflikten. Die Defensoría del Pueblo definiert verschiedene Möglichkeiten der Vermittlung.

Die Defensoría del Pueblo bietet gute Dienste an, um den Fortgang eines Dialoges zu ermöglichen. Sie beteiligt sich an Runden Tischen (Mesas de diálogo). Die Mesas de diálogo sind Verhandlungen, an denen Vertreterinnen und Vertreter der Konfliktparteien teilnehmen. Die Defensoría del Pueblo kann zusammen mit anderen Institutionen eine Mesa de diálogo einberufen, sie kann die Organisation eines Runden Tisches also erleichtern18 oder als unabhängige Organisation, die die Menschen- und Bürgerrechte verteidigt, teilnehmen. Gelegentlich sind Vertreterinnen und Vertreter der Defensoría del Pueblo bei Comisiones de alto nivel beobachtend beteiligt. Hier verhandeln nationale Politikerinnen und Politiker oder deren Vertreterinnen und Vertreter direkt mit Betroffenen. Schliesslich führt die Defensoría del Pueblo Mediationen im engeren Sinne durch, das heisst durch einen Mediator geführte Verhandlungen nach einem definierten Phasenmodell.19 Die Defensoría del Pueblo ist sich der anspruchsvollen, in manchen Fällen nicht erfüllbaren Aufgabe bewusst, die sie als Mediator übernimmt. Sie ist einerseits Fürsprecherin und Verteidigerin der Partei, die die Verletzung grundlegender Rechte anklagt, andererseits sollte sie in dieser Rolle eine neutrale, allparteiliche Funktion übernehmen.

b) Supervision als Prävention. Die Defensoría del Pueblo beobachtet Situationen und Strukturen, die zu Konflikten führen können, sowie aktive und latente Konflikte. Diese meist präventiven Supervisionen erlauben, die Qualität der staatlichen Verwaltung und Politik zu kontrollieren. Die Defensoría beobachtet die Praxis dabei vor dem Hintergrund der normativen Vorgaben. Die präventive Supervision ist eine proaktive Massnahme, um Verletzungen von Menschen- und Bürgerrechten zu verhindern.

Die präventive Supervision umfasst verschiedene konkrete Massnahmen. Die Defensoría del Pueblo hilft, für das Verständnis und die Lösung von Konflikten relevante Informationen zu beschaffen. Dazu kann sie selber bei den zuständigen Behörden Auskunft verlangen oder verschafft Peruanerinnen und Peruanern den Zugang zu diesen Informationen. Sie kann unangemeldet Behörden besuchen, verlangen, dass diese Dokumente offenlegen, und öffentliche Dienstleistungen der Staatsangestellten beobachten. Sie kann Akteure eines Konfliktes befragen: Vertreterinnen und Vertreter der Defensoría besuchen den Akteur oder laden ihn ins lo-kale Büro der Defensoría del Pueblo ein. Die Defensoría kann so ein gemeinsames Treffen der Akteure organisieren, um ihnen Gelegenheit zu bieten, sich gegenseitig die Meinungen und Wahrnehmung des Konfliktes mitzuteilen.

Weitere Massnahmen der präventiven Supervision von Konflikten sind die Organisation und Durchführung von akademischen Workshops, in denen Expertinnen und Experten referieren und diskutieren und interessierte Akteure zuhören können. In Frühwarnungen (Alertas tempranas) weist die Defensoría del Pueblo Behörden und manchmal die Öffentlichkeit auf Entwicklungen hin, die wahrscheinlich zu Konflikten führen.

c) Formulierung von allgemeinen Vorschlägen. Viele Konflikte, mit denen sich die Defensoría del Pueblo beschäftigt, äussern sich auf lokaler Ebene, hängen jedoch stark mit gesetzlichen Rahmenbedingungen oder der politischen Praxis der Zentralregierung zusammen. Bei solchen Konflikten kann die Defensoría del Pueblo politische Akteure und interessierte Institutionen zum Dialog und gemeinsamen Nachdenken zusammenrufen. Aufgrund der so entstandenen systematischen und interdisziplinären Analyse macht die Defensoría Reformvorschläge oder ermutigt die zuständigen Behörden, angemessene Massnahmen zu treffen.

d) Konflikt-Berichte. Seit Mai 2004 veröffentlicht die Defensoría del Pueblo regelmässig monatliche Berichte über soziale Konflikte in Peru.20 Die Repräsentantinnen und Repräsentanten der Defensoría del Pueblo in den Büros in allen Departementen Perus verfolgen und analysieren permanent konfliktträchtige Situationen innerhalb ihres Territoriums. Jedes Büro ist daher informiert über sich ankündigende Konflikte, die sich in unterschiedlichen Formen ausdrücken: andauernde Demonstrationen mit bestimmten Forderungen; Klagen, die Peruanerinnen oder Peruaner in den Büros der Defensoría del Pueblo oder in anderen öffentlichen Institutionen21 deponieren; durch Medien veröffentlichte Äusserungen; durch Medien getragene Kampagnen, die Behörden zum Rücktritt auffordern.

Die Hinweise auf Konflikte kommen über unterschiedliche Kanäle zu den lokalen Vertreterinnen und Vertretern der Defensoría del Pueblo. Sie hören und lesen die lokalen und nationalen Medien, analysieren die im eigenen Büro vorgebrachten Klagen, bereisen die einzelnen Provinzen der Regionen und führen Gespräche mit politischen Autoritäten und Vertreterinnen und Vertretern von Organisationen. Erkennen Mitarbeitende der Defensoría soziale Konflikte, so analysieren sie den Fall genauer und entwerfen mögliche Interventionen der Defensoría del Pueblo.

Ende Monat schreibt jedes Büro der Defensoría del Pueblo einen Bericht über die beobachteten Konflikte im betreffenden Departement. Dieser Bericht wird nach folgenden Aspekten gegliedert: – Lokalisation, – primäre Akteure, – sekundäre Akteure: Gruppen oder Personen, die die primären Akteure unterstützen, – Motive, die die Akteure bei Ausbruch des Konfliktes vorbringen, – Vorgeschichte, – Beschreibung der Aktivitäten inklusive Interventionen der Defensoría del Pueblo, – aktueller Stand des Konfliktes.

Die regionalen Büros schicken ihre Berichte an die zentralen Büros der Defensoría del Pueblo in Lima, wo das Oficina de Promoción y Coordinación Territorial daraus einen nationalen Bericht erstellt. Die Mitarbeiter der Zentrale sehen die Berichte aus den Departementen durch. Für den nationalen Bericht übernehmen sie nur diejenigen Vorfälle, in denen die primären Akteure Gewalt angewendet haben. Das heisst, mindestens eines der folgenden Merkmale trifft zu: Die primären Akteure verletzten das Recht auf Leben, auf körperliche Unversehrtheit oder auf Gesundheit; sie zerstörten öffentliches oder privates Eigentum; sie schränkten die Bewegungsfreiheit längerfristig ein (meist Blockaden von Strassen); die primären Akteure hinderten die Behörden, ihre Funktion auszuüben; sie verhinderten öffentliche Dienstleistungen.

Die Mitarbeiter des Oficina de Promoción y Coordinación Territorial vergleichen wenn möglich die Berichte aus den Departementen mit der Medienberichterstattung und mit Berichten von involvierten Institutionen und Gruppen. Falls Unklarheiten bestehen, verlangt die Oficina de Promoción y Coordinación Territorial vom lokalen Büro der Defensoría del Pueblo weitere Abklärungen und Informationen. Neben der erzählenden Darstellung kategorisieren die Angestellten die Berichte aus den Departementen und werten die Vorfälle statistisch aus.

Der Defensor del Pueblo bewilligt den monatlichen Bericht über soziale Konflikte. Anschliessend verbreiten die Mitarbeitenden den Bericht elektronisch und veröffentlichen ihn auf der Web-Seite der Defensoría del Pueblo.22

Das zentrale Büro der Defensoría del Pueblo wertet die Daten über soziale Konflikte des vorhergehenden Monats statistisch aus. Die Mitarbeiter der Oficina de Promoción y Coordinación Territorial geben die Anzahl der registrierten Fälle an, sie unterscheiden zwischen aktiven und latenten Konflikten und der Anzahl der neu registrierten und der gelösten Konflikte. Weiter ordnen sie die Konflikte den unten erwähnten Kategorien zu, zählen sie auf nationaler und regionaler Ebene zusammen und stellen sie anteilsmässig dar. Diese Statistik gibt einen Überblick, wie Konflikte und die verschiedenen Konfliktarten geografisch verteilt sind.23

Die Defensoría del Pueblo unterscheidet in den monatlichen nationalen Berichten soziale Konflikte nach thematischen und geografischen Kriterien und nach dem Status latent, aktiv oder gelöst.

Thema

Die Defensoría del Pueblo unterschied ursprünglich fünf verschiedene Konfliktthemen und Konfliktbereiche24: Umweltkonflikte, Konflikte im Zusammenhang mit dem Coca-Anbau, Konflikte betreffend der regionalen und lokalen Regierungen und Verwaltungen, Konflikte durch politische Gewalt. Diese Typologie veränderte und erweiterte sie in späteren Berichten. Heute führt sie folgende Konflikttypen auf: sozioökologisch, Vorfälle der lokalen Regierungen, Grenzstreitigkeiten, Vorfälle der nationalen Regierung, Kommunale Vorfälle, andere Vorfälle, Arbeitskonflikte, illegaler Anbau von Coca, Wahlen.25

Konflikte im Zusammenhang mit dem Bergbau erschienen zuerst unter Umweltkonflikten (conflictos ambientales), später unter sozioökologischen Konflikten (conflictos socioambientales). Die Defensoría del Pueblo charakterisiert diese als Auseinandersetzungen zwischen ungleichen Akteuren, in denen es um die Modalitäten geht, wie natürliche Ressourcen verbraucht oder verwaltet werden, um den Zugang zu diesen Ressourcen und um den Umgang mit Verschmutzungen, die durch die Gewinnung dieser Ressourcen entstehen.

Tipo N.° casos %
TOTAL 208 100,0%
Socioambiental 145 69,7%
Asuntos de gobierno local 22 10,6%
Demarcación territorial 1.2 5,8%
Asuntos de gobierno nacional 9 4,3%
Comunal 9 4,3%
Asuntos de gobierno regional 4 1,9%
Otros asuntos 4 1,9%
Laboral 3 1,4%
Cultivo ilegal de coca - 0,0%
Electoral - 0,0%

Tabelle 1: Absolute und relative Anzahl der aktiven Konflikte nach Typen, Februar 201626


Grafik 1: Typen von Konflikten, Dezember 201027


Grafik 2: Typen von Konflikten, Februar 201628


Grafik 3: Umweltkonflikte nach Bereichen differenziert, Februar 201629

Im Februar 2016 registrierte die Defensoría del Pueblo 142 aktive Konflikte.30 Davon waren 111 Fälle Umweltkonflikte, das entspricht 78,2%. Das unterstreicht die zunehmende Bedeutung der Umweltkonflikte, und wenn wir diese differenzierter betrachten, der Bergbaukonflikte. Bergbaukonflikte machen mit 63,1% den weitaus grössten Teil der Umweltkonflikte aus. Die Erdöl- und Erdgasförderung dagegen nimmt einen Anteil von 12,6% der Umweltkonflikte ein.31

Geographie

Die Defensoría del Pueblo erfasst Konflikte nach Departementen. Sie unterscheidet innerhalb eines Departementes örtlich zwischen Provinzen und schliesslich einzelnen Ortschaften.


Karte 1: Unterschiedliche soziale Konflikte in den Departementen, Dezember 201032

Status

Die Defensoría del Pueblo unterscheidet schliesslich zwischen aktiven (conflictos activos), gelösten (conflictos resueltos) und latenten Konflikten (conflictos latentes).

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