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„Dann fangen wir an“, sagt F., habe die Blaaser Kreszenz im bozner Wirtshaus Vögele gesagt, wo sie sich, „wie aus alter gewohnheit?“16, verabredet hätten am letzten junidonnerstag in jenem achtzehnerjahr, das sie immer wieder im weiteren verlauf jenes ersten treffens als „sültzratherauferstehungsjahr“ bezeichnet habe bei jeder sich nur irgendwie ergebenden gelegenheit, und dann nach dem kellner gerufen und sich, vielleicht ja aufgrund des umstands, daß sie eben noch den sommer für sommer prallvollen marillenbaum an der friedhofzugewandten mauer des Kalberhofes im mund gehabt habe, als nachtisch die Marillen-Knödel mit Zimt-Mandelbrösel17 bestellt anstelle des als „sommerfrisch“ beworbenen Zitronenthymian-Honig-Halbgefrorenen mit geschmorten Kirschen „Rotwandterhof“, von dem sie bis zum eintreffen des kellners wie von etwas sehnsüchtig zu entdeckendem geschwärmt habe. Und er, „längst ungeduldig“, so F., die Blaaser Kreszenz endlich nicht in bloßen andeutungen und immer bloß satz- und ansatzweise und zwischen dem einen kauen und dem anderen kauen davon reden zu hören, was ihr der Vitus Sültzrather in jenen „sehnsuchtsstunden“, wie sie ihre gemeinsame zeit vorzugsweise genannt habe, „verraten“ habe, habe sich den nächsten Montenegro mit eis bringen lassen. Sie erzähle nur nach, habe sie dann, noch bevor der kellner das bestellte an den tisch gebracht habe, gesagt: „Ich erzähle nur nach“ – und, wie wenn endlich jemand einen erzählmotor angeworfen hätte in ihr, manchmal das andre vor das eine stellend, das ihr erzählte erzählt, zuerst aber noch einmal wiederholt und also aus den erinnerungskellern heraufgeholt, wie sie in den kalberschen obstgarten hinein sei, ihn nur durchqueren wollend, und wie dies nun die „initiation“ der verflechtungen ihrer beider geschichten zu der einen, gemeinsamen geschichte gewesen sei, von der sie aber nur am rande erzählen wolle. Denn zuerst müsse „in die nacht oder an den tag“ – „Halten Sie’s, wie Sie’s wollen!“ –, was der Vitus ihr anvertraut: Davon wisse, bisher, nämlich nur sie. – Jener obstgarten, im übrigen, in den sie im fernen mai dreiundsiebzig erstmals „eingedrungen“ sei18 – bei diesem wort habe sie sich, sagt F., zu ihm hingeneigt und mit einem augenzwinkernden lächeln leise gesagt: „wie aber der Kalber Vitus ja doch niemals in mich“ –, jener obstgarten, in dem die bäume tatsächlich noch bäume und die früchte noch nicht „unfehlbar und makellos“ gewesen seien und den der Vitus immer als seinen „kindheitsgarten“ bezeichnet habe, wenn sie dann, später, das wort „kindergarten“ danebengestellt habe19, von den kindergartenerfahrungen ihrer beiden kinder, ihrem Jonas und ihrer Julia20, erzählen wollend, habe sich kaum verändert mit den jahren, habe er erzählt, so seine kindheit aufbewahrend als eine, die dem neunzehnten jahrhundert in wirklichkeit näher gewesen sei21 als dem weltkriegsverheerten zwanzigsten, das an seinem ende ja als ein wirklichkeitsauslöschendes, als ein all die lebensgebirge scheinbar einebnendes, all die lebensebenen scheinbar auftürmendes sich gebärdet habe, so den menschen einen lebenseintopf, einen allzeit möglichen glückstopf vorgaukelnd22, in wirklichkeit aber größere unterschiede, abgründe und katastrophen zeitigend als all die zeit davor. So habe der Kalber Vitus es zu ihr gesagt, habe die Blaaser Kreszenz gesagt – und dann, unvermittelt, sagt F., und wie zusammenhanglos, während der kellner den teller mit den marillenknödeln vor sie hingestellt habe: „Wie hätte auch ich ein bub sein mögen, als kind!“

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