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„Dann fangen wir an“, sagt F. und ist dann eine weile still; als überlegte er, wie er anfangen soll. – „Es ist ein schöner tag, ich habe meine schwester nicht getötet“, habe der Kalber Vitus wie zu sich selbst vor sich hingeredet13, als sie sich das erste mal zu ihm hinübergetraut habe, habe ihm die Jaist Kreszenz vom Blaaserhof erzählt, sagt F., denn, habe sie gesagt, es habe ja immer geheißen „Der spinnt!“ und „Dem ist nicht zu traun!“ und „Wie der schon dreinschaut!“ und „Es ist ja nichts geworden aus dem!“ und „Wie es die Schilcher Notburga nur aushält bei dem!“ und „Wenn der nicht im rollstuhl säße, wer weiß ..“. Hinterm Kalberhof im kalberschen obstgarten sei das gewesen, die apfelbäume hätten gerade geblüht14, sie habe die abkürzung in den friedhof hinauf durch eben diesen kalberschen garten genommen, wie es früher, als sie noch ein kind gewesen sei, „der Kalber Vitus, müssen Sie wissen, war ja mehr als zwanzig jahre älter als ich“, wie es früher halt überall üblich gewesen sei, da habe sich niemand um grenzen geschert – außer beim ackern und mähn, da sei nichts zugesperrt worden „wie heut“, bei dem einen oder dem anderen habe man sogar ohne zu fragen vom wenigen obst, das auf diesen mehr als tausend metern meereshöhe noch vor dem winter gereift sei, oder von den johannisbeeren15 essen können. Nur einmal, „das muß ich Ihnen jetzt erzählen“, habe die Blaaser Kreszenz an dieser stelle gesagt, sagt F., als der Kalber Vitus und der Blasegger Bonifaz auf den walcherschen kirschbaum hinauf seien, da sei der alte Walcher mit einem heustecken auf sie los – und auf den einbeinigen, den holzprothesenbehinderten Blasegger Bonifaz habe er derart eingedroschen, mit einer solchen wut, daß er ganz rot, kirschrot beinah geworden sei im gesicht und man schließlich den arzt habe holen müssen, nicht nur für den Blasegger Bonifaz. – „Es ist ein schöner tag, ich habe meine schwester nicht getötet“ –: Ja, da sei sie vielleicht siebzehn oder achtzehn gewesen, als der Kalber Vitus – „mit diesen beiden sätzen!“ – eine nur immer stärker werdende anziehungskraft auszuüben begonnen habe auf sie. „Nein, sechzehn“, habe sich die Blaaser Kreszenz korrigiert, denn es sei im dreiundsiebzigerjahr gewesen, als der Kalber Vitus „diese alles anfangenden obstgartensätze“ gesagt habe, „im mai, ja“, da erinnere sie sich genau; denn damals habe sie sich in Bozen – „in der Electronia“ – ihre erste musikkassette gekauft: The Dark Side of the Moon von Pink Floyd; den tag vergesse sie nie. Und am nächsten oder übernächsten tag sei sie eben, und sie wisse nicht, was der auslöser gewesen sei für ihren mut, die abkürzung durch den kalberschen obstgarten zu nehmen, vielleicht sei sie einfach gedankenlos, nein, eher wohl „voller Pink Floyd“, über den speltenzaun und, noch nicht mit beiden beinen auf kalberschem grund und boden, habe der Kalber Vitus –: „Mit diesen beiden obstgartensätzen hat er mich aufgetan.“ Drum sei dann schließlich zwischen ihnen geschehen, „was halt so geschieht zwischen mann und frau“, wenngleich seine querschnittlähmung – „Mein gott!, Mein gott!“ – –: „Ach was ist alles dies, was wir vor köstlich achten“, habe der Andreas Gryphius einmal, „so ungefähr!“, in einem gedicht gesagt; mehr sage sie dazu nicht, habe sie gesagt, sagt F.; und eine art monalisalächeln habe sich in ihr gesicht gelegt. – „Vielleicht an einem anderen tag ja einmal mehr.“

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