Читать книгу Geschenkt ist noch zu tödlich - Josi Aniol - Страница 6

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Ein kalter, nach abgestandener Luft riechender, staubiger Luftzug schlug Hope entgegen. Der Gestank der Jahrhunderte dachte sie. Die Geister der Vergangenheit umarmten sie wie eine heim gekehrte Tochter, auf die man sehnlichst gewartet hat.

«Ach du Schande, na, das wird ja lustig. Genau auf was ich gewartet habe. Ein echter Lottogewinn. Was für ein Scheiß!»

Augen zu und durch dachte Hope.

Sie konnte es gar nicht glauben, als eines Tages ein Brief von einem Notar aus Lübeck in ihrem Briefkasten in Essen lag. Zuerst dachte sie an einen Betrug. So wie bei Aktenzeichen XY. Überweisen Sie zehntausend Euro auf ein Schweizer Nummernkonto dann erhalten Sie die Erbschaft. Ha, ha. so ein Quatsch. Erst als Hope den Brief ein paar Tage als Tassenuntersetzer benutzt hatte und er eigentlich im Altpapier landen sollte, dachte Sie, das der Briefkopf doch sehr professionell aussah.

«Machen die sowas nicht übers Internet. Diese Betrüger.

Das hier sieht gar nicht so aus.»

Also las sie den Brief.

«Ach du große Scheiße. Das gibt’s doch gar nicht. Kann das denn war sein. Wer zum Geier ist Albert Hansen. Und der sucht mich? Das gibt’s doch nicht!»

Also schnappte sie sich das Telefon und wählte die Durchwahlnummer in Lübeck.

«Kanzlei Piepenbrock. Was kann ich für Sie tun?»

Die nächste dreiviertel Stunde bekam Hope den Mund gar nicht mehr zu. Und die Ohren wurden immer größer. Der Notar hatte eine erstaunliche Geschichte parat.

«Unsere Recherchen haben uns zu ihnen geführt. Sie sind die Großnichte von Johanna Weber. Sehe ich das richtig Frau Stern?»

«Äh, ja, das stimmt. Meine Oma war die Schwester von Johanna Weber.»

«Frau Weber lebte bis Anfang der achtziger Jahre in Aalmünde, das gehört zu Lübeck, wo sie auch verstarb. Ihr Lebensgefährte, Herr Hansen hat uns damit beauftragt die noch lebenden Verwandten von Frau Weber zu finden, da er selber keinen Kontakt mehr zur Familie hat. Durch Heirat und Umzug waren dann auch die letzten Spuren verwischt. Es ist Herrn Hansen ein Anliegen, das Gutshaus, den Wohnsitz von Johanna Weber und ihm, in gute Hände zu geben und das Anwesen wieder bewohnbar zu machen. Da Herr Hansen und Frau Weber keine gemeinsamen Kinder hatten, und Herr Hansen auch keine eigenen Angehörigen mehr, wären sie die nächste Person an die er gedacht hatte. Wir hatten herausgefunden das die Schwester von Frau Weber und deren Tochter, also ihre Mutter leider auch nicht mehr lebt .

Ist das so korrekt?»

Da keine widersprüchliche Bemerkung kam, sprach der Notar weiter.

«Herr Hansen möchte persönlich mit ihnen sprechen. Aus gesundheitlichen Gründen lebt Herr Hansen schon seit einem Jahr in einem komfortablen Pflegeheim in Aalmünde. Er ist aber nicht mehr der jüngste und sein Zustand verschlechtert sich in letzter Zeit. Er möchte die Dinge gerne geregelt wissen bevor er von dieser Welt gehen muss. Herr Hansen will noch miterleben, dass sein Haus in die richtigen Hände kommt. Darum möchte er sie einladen nach Aalmünde zu kommen. Ich würde gerne für sie ein Hotelzimmer in Lübeck bereithalten. Natürlich im besten Haus am Platz. Herr Hansen übernimmt selbstverständlich die Kosten.»

«Ja das kommt jetzt aber überraschend, ich muss erst meinen Chef fragen ob das den geht. Wir haben sehr viel zu tun in der Praxis. Da kann ich nicht einfach so weg. Und ich weiß auch nicht ob ihr Herr Hansen wirklich mir so ein großes Haus schenken möchte. Der kennt mich doch gar nicht.»

«Wie gesagt. Es ist Herrn Hansen sehr wichtig. Sie können ja nach dem Besuch immer noch nein sagen.»

Hope konnte gar nicht mehr an sich halten. Ihr Herz fing so stark an zu klopfen, dass sie dachte das ihr Gehörsturz sich gleich wieder meldet. Mit Ihren sechsundvierzig Jahren war sie auch kein junger Hüpfer mehr. Aufgeregt fuhr sie sich mit den Händen durch die dunklen Locken, die schon ein paar graue Strähnen bekamen. Die hatte sie von ihrem Verflossenen. Gerd war ein Arsch. Wie sie es so lange mit ihm ausgehalten hatte war ein Wunder. Oder sie war ganz schön blöde. Gerd konnte keine Kinder zeugen. Und so musste er seine Männlichkeit mit Bier trinken und Fußball gucken kompensieren. Leider konnte das auch seinen Arbeitswillen nicht vergrößern. So war er längere Zeit arbeitslos. Hope arbeitete seit einigen Jahren in einer Hausarztpraxis in Kray-Mitte. Die Arbeitstage waren stressig, das Geld und der Urlaub zu wenig. Aber nach der Scheidung von Gerd hatte sie ihr eigenes Auskommen. Sie zog in ein ganz passables Mehrfamilienhaus in eine Zweizimmerwohnung und hatte ein zwar altes aber gepflegtes Auto. Sie hatte nette Kolleginnen und ein paar gute Bekannte und Freunde. Es gab in der Nähe alles was sie brauchte, musste nicht weit fahren bis in die nächste Großstadt zum Shoppen, ins Kino oder in die nächste Inn-Kneipe. Nie hatte sie darüber nachgedacht aus Essen weg zu ziehen. Hier war ihr Lebensmittelpunkt.

Sie brauchte sofort jemanden zum Quatschen. Also zog sie ihre grünen Crocs an und rannte eine Etage tiefer und schellte Sturm.

«Schätzchen, was ist den so dringend. Mein Gott ist jemand gestorben? Du zitterst ja ganz doll. Komm rein, ich mach Tee.»

Das war Eddi. Hopes schwuler Nachbar und guter Freund. Eine Schulter an der man sich jederzeit ausweinen konnte. Eddi liebte traurige Geschichten. Deshalb war seine Berufswahl als Trauerredner wohl auch glücklich getroffen. Aber er liebte auch schöne und lustige Geschichten und Ereignisse.Von denen erlebte er eine ganze Menge. Eddi war mit Paul verheiratet. Er lebte also in einer Lebenspartnerschaft. Eddi und Paul waren bekannt wie der berühmte bunte Hund. Paul hatte eine Werbeagentur in der Eddi neben seiner Arbeit als Trauerredner mithalf. Die beiden und Hope waren so was wie ziemlich beste Freunde. Hope konnte immer klingeln und sich über die Allüren ihres Chefs oder die Nachzahlung des Stromanbieters ausheulen. Es kam aber auch schon mal vor, dass einer von beiden bei ihr auf dem Sofa saß, wenn mal wieder Liebeskummer angesagt war. Beide waren sehr eifersüchtig, wenn auch meist unberechtigt. Eben wie bei einem frisch verliebten Ehepaar.

Nachdem Hope Bericht erstattet hat, wusste er auch noch nicht, das die Neuigkeit noch viel Aufregung bringen sollte.

«Also wenn ich das richtig verstehe, dann hat Deine Großtante in diesem riesigen Bunker mit diesem Hansen gehaust. Ein Leben lang. Kinderlos, jede Menge Kohle, und der Hansen ist jetzt im Pflegeheim wird zunehmend dementer und redet immer von deiner Oma. Was hatte der denn mit der?

Du bist doch wohl nicht etwa...»?

«Nein, nein. Unsinn. Hör zu. Der Hansen war mit meiner Großtante zusammen. Aber unverheiratet. Und meine Oma war die Schwester von der. Die waren damals oft oben in McPom. Ach nein, is ja Schleswig-Holstein. Na, bei Lübeck eben. Das war in den Fünfzigern. Meine Oma war ja hier in Essen heimisch geworden, damals nach dem Krieg. Und diese Johanna ist halt in Lübeck hängen geblieben. Die wollte nicht in das dreckige Ruhrgebiet. Hat dann irgendwann eine Stellung als Haushälterin bekommen, bei dem Hansen. Das war zufällig auch die große Liebe. Aber die wollten beide keine Kinder. Und auch nicht heiraten. Is ja auch O.K.. War nur in der damaligen Zeit was ganz unschickliches. Deshalb guckte das ganze Dorf auf die beiden. Gesagt hat aber keiner was, weil der Hansen ne große Firma für Im- und Export hatte und viele Arbeitsplätze geschafften hatte. Na ja, dann war da noch dieses Landgut. Das gehört der Familie Hansen schon seit über einhundertfünfzig Jahren, oder so. Nur der Krieg hat die Familie so dezimiert, da ist nur der kinderlose Hansen über geblieben. Und nun ist er kurz vorm Sterben. Da hat er einen Notar beauftragt die nächsten Verwandten seiner geliebten Johanna zu finden. Und da meine Oma und meine Eltern ja nun schon ein paar Jahre tot sind, bin ich die Nächste die noch da ist.»

Ein paar Minuten war es nun still.

Eddi wusste, das man die Leute erst mal in Ruhe lassen sollte, bevor sie von sich aus weiter erzählen würden.

Sie tranken schweigend grünen Tee. Aber Eddi war auch neugierig und hielt es dann selber nicht mehr aus.

«Und was jetzt. Musst du das Schloss nicht mal besichtigen und die Formalitäten erledigen?»

«Eddi, ich weiß gar nicht ob ich das annehmen kann. Der alte Hansen will mir das Ding ja schenken. Dann hab ich das am Hacken und kann nichts damit anfangen. Das verschlingt doch Unsummen an Kosten für Erhaltung und so was.

Hallo, ich bin Arzthelferin nicht Rockefeller.»

«Hat der nicht auch als Tellerwäscher oder so angefangen?»

Geschenkt ist noch zu tödlich

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