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Kapitel 9

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Leevi & Leviten


Leevi

Ich mag sie, Granny, mehr als das. Irgendetwas ganz Besonderes ist da zwischen uns. Ich weiß, ich spüre, was sie meint, ohne dass sie es mir lange erklären muss, und trotzdem ist sie spannend und geheimnisvoll.“ Granny sah mich skeptisch an.

„Das mag ja sein, aber eigentlich passt sie doch gar nicht in dein Beuteschema, oder?“

Fast hätte ich mich verschluckt. „Was willst du damit nun wieder andeuten?“

„Diese jungen Dinger, die du sonst immer anschleppst“, sie machte eine abwertende Handbewegung, „sind in keiner Weise mit Mona zu vergleichen.“

„Ja, eben. Ich brauche mal ein bisschen Abwechslung, denn es macht überhaupt keinen Spaß, wenn man sich nicht anstrengen muss.“ Das war als Scherz gemeint, aber Granny wurde richtig böse.

„Kannst du vielleicht auch mal eine Sekunde lang an sie denken? Ich warne dich“, sie drohte mir, „wenn du ihr auch nur ein Haar krümmst, ihr in irgendeiner Art und Weise wehtust, ich rede kein Wort mehr mit dir, ich reiße dir den Kopf ab, ich streiche dich aus meinem Testament, ich …“

„Jetzt hol mal Luft, Granny, und beruhige dich“, unterbrach ich ihren Redeschwall und fing ihre herumfuchtelnde Hand ein. „Du stellst mich ja hin wie ein Monster. Glaubst du, ich suche sie überall, um ihr dann wehzutun?“

Sie funkelte mich an, schien sich aber zu beruhigen.

„Wir alle haben nur ein einziges Leben, Granny, und ich würde es mir niemals verzeihen, wenn ich sie jetzt nicht suchen würde. Ich werde mich ständig fragen, wie es ausgegangen wäre, wenn ich sie aufgehalten hätte.“

Sie schnaufte tief und schüttelte ihren Kopf. Dann beugte sie sich zu mir herüber und ihre Augen verschleierten sich auf ganz eigenartige Weise, als sie mich fragte: „Spürst du dein Herz wachsen, Leevi?“

„Was?“

„Wenn du wirklich liebst, Junge, dann spürst du, dass dein Herz und deine Seele wachsen.“

„Bei mir wächst da was anderes“, brummelte ich mir in den Bart. „Aua!“ Sie hatte mich geboxt.

„Es ist aussichtslos! Man kann sich einfach nicht vernünftig mit dir unterhalten“, wetterte sie los. Oh, Vorsicht, sie wurde schon wieder ärgerlich.

„Hilf mir, Granny, bitte! Du hast dich doch lange mit ihr unterhalten. Sag mir, worüber ihr gesprochen habt. Irgendeinen Hinweis auf ihren Nachnamen, ihren Wohnort, irgendetwas. Bitte!“

„Du willst mir damit sagen, dass ihr keine Adressen oder Telefonnummern ausgetauscht habt und du nicht mal ihren Nachnamen kennst?“ Ich zuckte nur mit den Schultern.

„Meine Güte! Die Jugend stellt sich wirklich unbeschreiblich dämlich an. Kein Wunder, dass die Menschheit bald ausstirbt.“

Dann sah sie mich endlos lange zweifelnd, prüfend und nachdenklich an. Ich konnte förmlich sehen, wie sich ihre Gedanken überschlugen. Danach holte sie tief Luft und las mir gehörig die Leviten, was meinen Lebenswandel betraf, und in direktem Anschluss folgte eine Doppelstunde über den korrekten Umgang mit richtigen Frauen.

„Regel Nummer eins: Du musst ihr jeden Wunsch von den Augen ablesen. Regel Nummer zwei: Du wirst sie nicht zuerst küssen.“

„Was? Das geht nicht. Das kann ich nicht aushalten.“

„Natürlich kannst du das. Jetzt stell dich bloß nicht so an. Wie willst du sonst herausfinden, dass sie es wirklich will?“

„Niemals wird sie mich zuerst küssen, nie, dazu ist sie viel zu schüchtern.“

Granny wischte mit einer Handbewegung meine Einwände weg und redete weiter. „Du musst dich wie ein Gentleman benehmen. Und steck ihr bloß nicht gleich die Zunge in den Hals, das ist ja ekelhaft“, lautete ihre dritte, noch vergleichsweise harmlose Anweisung. Denn was danach folgte … Ich wusste nicht, ob ich lachen oder beschämt sein sollte. Was sie mir alles sagte; meine Güte! Sie nahm wahrlich kein Blatt vor den Mund. Meine Ohren glühten.

„Grundgütiger!“, platzte es irgendwann aus mir heraus. „Du bist meine Großmutter, du solltest nicht solche Gespräche mit mir führen.“ Aber sie tat es, ohne mit der Wimper zu zucken und ohne auch nur ein klitzekleines bisschen rot zu werden.

„Papperlapapp“, winkte sie ab, „dein Vater ist nicht mehr da, also wer außer mir sollte dieses Gespräch mit dir führen? Deine Mutter ganz sicher nicht. Sie ist ja päpstlicher als der Papst.“

„Oh, Granny! Du bist unmöglich, aber gerade deshalb bewundere und liebe ich dich so sehr.“ Ich gab ihr einen Kuss.

„Ich sage dir nur eins, reiß dich am Riemen und halte dich zurück.“

„Dazu müsste ich sie ja erst mal finden.“

„Na, das ist doch kein Problem, du fragst die Virtanens, die vermieten das Häuschen doch.“

„Da war ich schon, die sagen nichts.“

„Ach, das richte ich dir schon, ich kenne doch die Armi, das ist eine Cousine von Lotta, der das Haus gehört, die findet mir das schon heraus.“

„Glaubst du? Wirklich? Das wäre super! Nein, das wäre grandios! Wie lange wird es wohl dauern?“

„Keine Ahnung. Das könnte schon längst erledigt sein, wenn du nicht ewig um den heißen Brei herumgeschlichen wärst“, setzte sich meine Abreibung fort.

„Ja, du hast ja recht“, gab ich kleinlaut zu. „Und worüber hast du dich damals mit Mona unterhalten? Was hat sie dir erzählt?“

„Sie hat von ihrem Haus gesprochen, und dass sie überlegt, es zu verkaufen. Warum, habe ich allerdings nicht richtig verstanden. Sie hat es umgebaut, viel Geld und Mühe in das Haus investiert. So etwas gibt man doch nicht einfach so auf? Oder?“

„Nein, sicher nicht, aber vielleicht will sie einen Schlussstrich unter alles ziehen?“

„Ja, schon möglich.“

Jedenfalls schwirrte mir der Kopf nach diesem Abend. Und wie viele Versprechen mir Granny abverlangt hatte. Unter anderem wollte sie über alle meine weiteren Schritte genauestens informiert werden! Ich hatte es befürchtet. Sie war so ein Schlitzohr! Aber die Hauptsache war, dass sie mir helfen würde. Und je länger ich über die Information, dass Mona eventuell ihr Haus verkaufen wollte, nachdachte, gefiel mir meine spontane Idee, es als „Deutschlandquartier“ für die Band zu kaufen, immer besser. Wie cool wäre das denn? Und wir wollten doch unbedingt den deutschen Musikmarkt erobern.

Nun würde ich also auf Monas Adresse warten müssen, obwohl Geduld nicht gerade eine meiner stärksten Charaktereigenschaften war! Ich ging joggen, ins Fitness- und Tonstudio, traf mich mit der Band, meinem Bruder, mit Freunden, die ich ewig nicht mehr gesehen hatte, nur um mich irgendwie abzulenken.

Es verstrichen quälende zweieinhalb Wochen, Armi war ausgerechnet jetzt zwei Wochen auf Kur gewesen, bis Granny strahlend und mit vor Aufregung geröteten Wangen einen Zettel mit Monas Adresse vor meiner Nase herumschwenkte. Ich drückte sie.

„Danke, Granny. Du hast was gut bei mir.“ Ich ließ sie wieder los, aber sie hielt mich mit ihrem Blick fest.

„Warum musst du eigentlich immer dem Wind nachjagen? Das hast du als kleiner Junge schon mit Vorliebe getan.“

Ich zwinkerte ihr zu. „Das weißt du doch, Granny. Weil es Spaß macht und weil ich es liebe, so wie ich dich liebe.“

Mit ihren kleinen Händen packte sie mein Hemd, zog mich zu sich herunter und drückte mir einen Kuss auf die Wange. Ich wusste, dass auch sie mich über alles liebte, und wenn sie ab und zu böse mit mir war, dann nur deshalb, weil sie sich Sorgen machte. Wie schon so oft hatte mich Granny wieder einmal gerettet, und ihre einundzwanzig goldenen Regeln über den Umgang mit richtigen Frauen konnte ich mittlerweile im Schlaf aufsagen.

* * *

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