Читать книгу Dark Addiction - Josy B. Heard - Страница 10
ОглавлениеKapitel 2 Ankunft mit Hindernissen
Grelles Neonlicht riss mich aus der sicheren Dunkelheit des Schlafes. Ein viel zu lautes Piepen klingelte in meinen Ohren. Zerknittert öffnete ich die Augen und blinzelte gegen das künstliche Licht an, das sich in meine Netzhaut brannte. Leuchtstoffröhren waren mir schon immer zuwider gewesen. Sie erinnerten mich an Krankenhäuser, und ich hasste Krankenhäuser.
Die Türen des Busses standen weit geöffnet und ein warmer Luftzug wehte durch den Mittelgang. Ich drehte mich um. Die Rückbank war verlassen. Die Teenies hatten sich schon aus dem Staub gemacht.
Plötzlich schob sich ein Schatten über mich und löschte das Licht. »Raus mit dir, Püppchen, wir sind da«, brummte mir der Fahrer des Nachtbusses entgegen. Mann, sah der Typ fertig aus. Ich kramte meinen Rucksack unter dem Sitz hervor. »Entschuldigung, bin wohl eingeschlafen.« Mit eingezogenem Kopf quetschte ich mich am Busfahrer vorbei und hüpfte nach draußen. Es war noch dunkel, aber die Sonne würde bald aufgehen. Der Nachthimmel hatte bereits seine Sterne fallengelassen und färbte sich Indigo. Ich sah mich um. Auf der Leuchtreklame stand Greyhound: Bus Station.
Ich hatte es geschafft. Ich war tatsächlich in Tampa.
Ein wohliges Gefühl von Freiheit flatterte durch meinen Bauch und schüttelte mir die Schläfrigkeit aus den Knochen. Überall standen geparkte Busse. Davor ihre Fahrer mit qualmenden Zigaretten zwischen den Fingern. Einige wirkten, als würden sie gleich umkippen, andere unterhielten sich leise. An der Ecke kauerte ein Obdachloser. Eine Strickmütze tief ins Gesicht gezogen, mit verschränkten Armen und einem Labrador auf dem Schoß liegend. Schön zu sehen, dass es überall das gleiche Elend zu entdecken gab.
Ich lief zur Wartehalle, die sich langsam mit Berufspendlern füllte. Davor stand ein Zeitungsspender. Ich schnappte mir die aktuelle Tageszeitung und einen Stadtplan, der ebenfalls dort ausgelegt war.
Dann wollen wir mal.
Mein Orientierungssinn war in etwa so ausgeprägt wie der einer blinden Eule. Er ging quasi gegen null. Trotzdem war ich voller Zuversicht, als ich die Karte auseinanderfaltete und mir vors Gesicht hielt. Da mein Handy immer noch im Dornröschenschlaf verweilte, musste ich mich wohl oder übel mit der Papierversion der Karten-App zufriedengeben.
Gleich auf Anhieb fand ich die Busstation, an der ich mich befand. Perfekt, mein auserkorenes Ziel befand sich nur eine Meile von hier entfernt. Was bedeutete, ich konnte mir das Geld für ein Taxi sparen und zu Fuß laufen. Voller Tatendrang zurrte ich den Rucksack auf meinem Rücken fest und stapfte los.
Die Straßen waren wenig befahren. Der Berufsverkehr würde wohl erst noch kommen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es hier in Tampa anders ablaufen sollte als in Fort Payne. Zumal diese Stadt hier um ein Vielfaches größer war als meine Heimatprovinz. Trotzdem ließ mich dieser ungewohnte Freiraum etwas paranoid werden. Ich erwischte mich dabei, wie ich verstohlene Blicke über die Schultern warf. Als erwartete ich regelrecht, dass mich jemand verfolgte, was totaler Blödsinn war. Die Menschen, die mir um diese Stunde entgegenkamen, hingen entweder mit der Nase in ihren Smartphones oder steckten mit den Köpfen in ihren Ausschnitten, da sie nach einer durchzechten Nacht auf ihrem persönlichen Walk of Shame den Heimweg angetreten hatten. Keine Sau interessierte sich für das Provinzmädchen mit der Stadtkarte in der Hand.
An der nächsten Häuserecke orientierte ich mich neu. Mein Ziel war die University of Tampa. Während der achtstündigen Busfahrt hierher hatte ich mich dazu entschlossen, mein Glück an der Universität zu versuchen. Ich hatte die Highschool mit exzellenten Ergebnissen abgeschlossen, warum diese also nicht nutzen? Zumal mein eigentlicher Plan jetzt ohnehin hinfällig war. Meine Mutter würde lange darauf warten können, dass ich nach Hause zurückkam, um in ihrer Immobilienkanzlei mit einzusteigen. Selbst wenn sie mich mit Saurons Ring zu sich lockte, würde ich ihr Angebot ablehnen. Nicht nach dieser Aktion auf meiner Abschlussfeier. Lieber würde ich mich mit einem Kopfsprung in die Feuergruben des Schicksalsberges stürzen, als in der Firma dieser Frau zu arbeiten.
Ich erreichte die Kennedy Boulevard Bridge, die über den Hillsborough River führte. Weitere zehn Minuten später stand ich vor der University of Tampa. Zumindest sagte mir das Straßenschild, dass es sich um die Universität handelte. Das Gebäude, das sich vor mir erhob, wirkte eher, als hätte es Aladin mit seinem fliegenden Teppich hergebracht. An jeder Hausecke zog sich ein Backsteinturm nach oben, der mit einer runden, silbernen Turmspitze versehen war. Es war eine bizarre Mischung aus viktorianischen Elementen, die mit glänzenden Kuppeln und Minaretten garniert worden war. So als hätte sich der Taj Mahal mit der St. Patricks Cathedral gepaart und ein Kind gezeugt.
Wie ein blindes Huhn suchte ich nach der richtigen Tür. Jeder Eingang sah gleich aus. Große, reich verzierte Vorbauten schmückten die Pforten. Eine halbe Stunde irrte ich um das Hauptgebäude herum, bis ich endlich die Tür fand, die zur Verwaltung führte. Natürlich war sie verschlossen.
Verdammter Mist!
Es war wohl doch nicht so schlau von mir gewesen, kurz vor dem Wochenende von zu Hause zu flüchten. Ich hätte mir denken können, dass die Campusverwaltung an einem Samstagmorgen nicht besetzt sein würde.
Frustriert trat ich den Rückzug an und setzte mich auf den Gehweg, der gegenüber dem Gebäude lag.
Was sollte ich bis Montag machen?
Ich hatte keine Bleibe, kaum Bargeld in der Tasche und kannte mich hier überhaupt nicht aus. Ich war am Arsch, aber sowas von …
Das Geräusch von quietschenden Reifen ließ mich aufhorchen. Ein schwarzer SUV donnerte in die Straße. Mit heruntergelassenen Fenstern dröhnte der derbe Bass von Housemusik durch die Gassen. Schnell zog ich die Beine ein, während das Auto in einem Affentempo immer näher kam. Auf plattgefahrene Füße hatte ich nämlich wenig Lust.
Vier Typen mit verspiegelten Sonnenbrillen saßen darin, wippten mit ihren Köpfen zum Takt der Musik und feierten sich selbst.
Als sie an mir vorbeifuhren, lehnte sich der Beifahrer aus dem Fenster und präsentierte mir seinen von oben bis unten tätowierten Arm. Dieser Augenblick schien in Zeitlupe an mir vorbeizuziehen. Ich gaffte den Beifahrer an oder viel mehr seinen vollgekritzelten Arm. Warum wusste ich selber nicht. Das Schlangentattoo sah noch nicht einmal ansprechend aus, dennoch hingen meine Augen auf den schwarzen Linien, die sich über den Bizeps spannten.
Das Auto war schon an mir vorbei, da drehte sich der Typ plötzlich um, schob sich die Sonnenbrille von den Augen und zwinkerte mir zu.
Unwillkürlich musste ich lächeln. Vermutlich waren die Jungs ebenfalls auf dem Weg nach Fort Lauderdale und in meinem Kopf hörte ich eine leise Stimme flüstern, die gerne mitgefahren wäre. Dabei mochte ich Partys noch nicht einmal. Heute war wirklich ein eigenartiger Tag.
Gott, ich hatte mir wirklich den falschen Zeitpunkt ausgesucht, um hier aufzuschlagen.
Doch jetzt half kein Jammern. Ich brauchte einen Schlafplatz fürs Wochenende. Bevorzugt befand der sich in einem Haus und nicht unter dem nächsten Brückenbogen. Mit etwas Glück erbarmte sich vielleicht eine zurückgebliebene Studentin meiner und nahm mich für zwei Tage bei sich auf. Dafür müsste ich aber erst einmal eine Studentin finden. Und das erschien mir auf einem ausgestorbenen Campus wie ein Sechser im Lotto …
Aber wie hieß es so schön? Auch ein blindes Korn findet einmal ein Huhn … Oder lautete das Sprichwort anders?