Читать книгу Dark Addiction - Josy B. Heard - Страница 18
ОглавлениеKapitel 10 Gespaltene Persönlichkeit
Auf Anhieb fand ich den richtigen Hörsaal und suchte mir einen Platz ganz außen in der hintersten Reihe. Hauptsache genügend Abstand zu den anderen. Bevor ich anfing, mich meinen Kommilitonen anzunähern, wollte ich mir einen Überblick verschaffen. Wenn ich die Lage überblickte, wusste, wie alles funktionierte und wo es langging, fiel es mir leichter, auf andere zuzugehen.
Langsam füllte sich der Raum. Viele wirkten genauso unsicher wie ich. Vereinzelt hatten sich schon kleine Grüppchen gebildet. Sie unterhielten sich über ihre Ankunft in Florida und wo sie untergekommen waren. Meine Nervosität sank mit jedem Studenten, der den Hörsaal betrat.
Ich kramte Block sowie Schreibutensilien aus meinem Rucksack und verstaute die Papiere, die ich von der Verwaltung bekommen hatte.
Jetzt war ich bereit.
Ein letztes Mal ließ ich den Blick über die vollgewordenen Sitzreihen gleiten. Tobias sichtete ich am anderen Ende des Raumes in der Fensterreihe.
Er fläzte tief auf dem kleinen Holzstuhl, ein Bein hatte er auf den Platz neben sich abgestellt. Die anderen machten einen großen Bogen um ihn und ließen die freien Sitze in seiner Umgebung unbesetzt. Das sagte eigentlich schon alles …
»Guten Morgen.« Augenblicklich kehrte Ruhe ein und sämtliche Augenpaare richteten sich auf die Tür. In meiner Vorstellung hatte ich immer ein klares Bild von Professoren gehabt. Alt, schrullig, mit kariertem Jackett, brauner Leinenhose und dazu passenden Einstecktuch. Die Hornbrille durfte natürlich auch nicht fehlen. Doch diese Professorin, die mit einer erhabenen Selbstverständlichkeit durch den Raum schritt, hatte ich definitiv nicht erwartet.
Hautenges, knallpinkes Cocktailkleid, farblich darauf abgestimmte High Heels, mit einem locker geflochtenen Zopf, der über ihre Schulter drapiert war.
Sie sah atemberaubend aus.
Wenigstens ein Klischee erfüllte sie, denn auf ihrem Kopf steckte eine Brille. Auch wenn das feine, drahtige Gestell nichts mit einer Hornbrille gemeinsam hatte.
Nachdem sie das Pult erreicht und ihre Handtasche darauf abgestellt hatte, drehte sie sich um und schrieb ihren Namen an die Tafel. »Ich bin Professor Izabella DaCosta und Ihre Dozentin im Einführungskurs der psychologischen Grundlagenforschung. Es freut mich zu sehen, dass der Hörsaal so gut gefüllt ist.« Sie legte die Kreide ab, faltete die Hände vor dem Bauch, bevor sie durch den Raum blickte.
Ein überlegenes Lächeln erschien auf ihren pinken Lippen. »Dennoch muss ich Sie in ihrer Erwartungshaltung enttäuschen. Am Ende dieses Kurses erwartet Sie ein Self Assessment, welches darüber entscheiden wird, ob Sie der Fachrichtung Psychologie gewachsen sind. Prozentual scheitern über die Hälfte der Studierenden an den Anforderungen dieses Tests und werden uns verlassen.«
Ein Raunen wallte durch die Menge, das Professor DaCosta mit ihrer lauten Stimme gleich wieder unterband. »Lassen Sie sich davon jedoch nicht entmutigen. Die Universität bietet noch andere hervorragende Studienrichtungen.«
Das konnte ja heiter werden.
»Also gut, lassen Sie uns beginnen. ›Das Unbewusste ist viel moralischer, als das Bewusste wahrhaben will.‹ Wer kann mir sagen, von wem dieses Zitat stammt?«
»Sigmund Freud«, meldete sich eine Rothaarige aus der ersten Reihe zu Wort.
»Hervorragend. Und was möchte Sigmund Freud damit zum Ausdruck bringen?«
Diesmal folgte Stille.
»Niemand?« Professor DaCosta lief durch die Reihen des Hörsaals. Wie zu Highschool-Zeiten duckten sich alle ab, während sie an ihnen vorbeiging. Als würde ein eingezogener Kopf sie davor beschützen dran genommen zu werden.
Die Professorin erreichte die letzte Reihe.
Bitte nicht zu mir gucken …
Sie drehte sich nach rechts. Die Augen der anderen folgten ihr. Sie hatte Tobias anvisiert. Dieser hatte seinen Kopf auf die Brust gelegt und die Arme verschränkt und … schlief er etwa?
Professor DaCosta schlenderte in aller Ruhe zurück zum Pult, anschließend setzte sie sich auf die schmale Tischplatte. »Mr. McFaith, möchten Sie diese Frage beantworten?«
Sein Kopf flog hoch, während er die Augen aufriss, entfleuchte ihm ein Grunzen. Die Mädels fingen zu kichern an. Ich blieb stumm, schaute ihn einfach nur an. Betroffen rieb er sich die Augen, setzte sich aufrecht hin und legte fragend seinen Kopf zur Seite. »Wie war die Frage noch mal?«
Erneut machte ein Kichern die Runde.
»Mr. McFaith, ich bin mir bewusst, dass die Grundfragen der Psychologie Ihren Intellekt unterfordern und Sie weitaus schwierigere Fragestellungen gewohnt sind. Allerdings erwarte ich von meinen Kursteilnehmern Konzentration und die Bereitschaft zur Mitarbeit.«
Anstatt kleinlaut auf dem Stuhl zusammenzusinken, setzte er einen amüsierten Gesichtsausdruck auf, der mich an Professor DaCostas Stelle rasend gemacht hätte. Sie hingegen blieb gefasst und fuhr mit ihrem Tadel fort. »Da ich nicht gewillt bin, Ihnen bei Ihrem Einschlafritus behilflich zu sein, rate ich Ihnen, meine Vorlesung zu verlassen und Ihre Persönlichkeit an einem Ort zu präsentieren, der für die fortgeschrittenen Semester angemessener ist.« Ich wäre im Erdboden versunken, hätte mich jemand vor versammelter Mannschaft so fertiggemacht.
Doch nicht Tobias.
Nein, er grinste wie ein Honigkuchenpferd vorm Süßwarengeschäft, packte mit viel Aufsehens seinen Kram zusammen, schob seinen Stuhl so zurück, dass er über das Parkett schabte und schlenderte gelangweilt nach vorn.
»Entschuldigen Sie bitte die Unannehmlichkeiten, Professor DaCosta. Scheinbar hat sich eine meiner gespaltenen Persönlichkeit in den Vordergrund gedrängt und meinen willenlosen Körper in Ihrem Kurs platziert. Wie sonst könnte ich solch ein desaströses Verhalten meinerseits erklären?«
Das linke Auge der Professorin begann zu zucken.
»Denn, wie Sie schon richtig festgestellt haben, überschreitet meine Intelligenz den einfachen Kontext Ihres Themas bei weiten. Entschuldigen Sie bitte vielmals die Störung.«
»Verschwinden Sie!«, zischte Professor DaCosta.
»Mit Vergnügen.« Er fiel in eine tiefe Verbeugung. Die Professorin machte einen Schritt auf ihn zu und ich war mir sicher, sie würde ihn jetzt packen und am Kragen nach draußen zerren.
Er war jedoch schneller, drehte sich auf dem Absatz um und eilte zu Tür. Bevor er endgültig daraus verschwand, fand er meinen Schopf in der Menge wieder und zwinkerte mir zu. Mir fehlten die Worte bei so viel Unverfrorenheit … Dennoch schlich sich ein Lächeln auf mein Gesicht.