Читать книгу Dark Addiction - Josy B. Heard - Страница 20
ОглавлениеKapitel 12 Fell mit Ohren
Die nächsten Tage verliefen alle gleich. Ein Kurs endete, der nächste begann. Ständig war ich dabei, über den Campus zu hetzen, um pünktlich zu den Vorlesungen zu kommen.
Am Mittwoch hatte ich den Dreh so weit raus, dass ich mich nur noch selten auf dem weitläufigen Gelände verlief.
Tobias begegnete ich in den Pausen ständig. Mal lief er auf dem Gang an mir vorbei, ohne überhaupt Notiz von mir zu nehmen. Mal stand er in schummrigen Ecken und machte mit irgendwelchen Weibern rum. Manchmal grüßte er mich überfreundlich. Nach jeder zufälligen Begegnung verstärkte sich in mir das Gefühl, dass diese Treffen von ihm beabsichtigt waren.
Jedoch sprach ich ihn kein einziges Mal an. Ich hatte mich dazu entschieden, dieses komische Spiel von ihm nicht mitzuspielen, und ignorierte ihn geflissentlich.
Mir war es ehrlich gesagt zu dämlich, mich von ihm vorführen zu lassen. Wenn ihm das Spaß bereitete, sollte er sich daran erfreuen. Ich für meinen Teil hatte genug damit zu tun, mich mit dem Campusleben zu arrangieren.
Was ich jedoch feststellte, war, dass mich diese Begegnungen nicht mehr aus der Fassung brachten. Es war mir schlichtweg egal geworden.
Mein Zimmer war weiterhin nur mit dem notdürftigsten ausgestattet. Von einer ordentlichen Einrichtung konnte dabei nicht die Rede sein. Lediglich ein Bett, ein wackliger Schreibtisch mit Drehstuhl und ein klappriger Kleiderschrank standen darin. Daher stand auf meiner To-do-Liste der Besuch eines Möbelhauses ganz weit oben.
Einige Punkte hatte ich bereits abhaken können. Dazu gehörten das Abholen meines Studienausweises, die Bezahlung der Gebühren sowie die Kosten für das Wohnheim und die Rückgabe der Formulare für die Einschreibung, die noch gefehlt hatten. Alles in allem war es ein guter Schnitt der bereits erledigten Aufgaben dafür, dass es erst Mitte der Woche war.
Camy hatte ich seit Montag nicht mehr gesehen. Für heute hatten wir uns allerdings verabredet. Sie wollte mit mir in einen Laden fahren, um passende Deko auszusuchen.
Was ich alles brauchte, stand auf einem Extrazettel. Dieser steckte gefaltet in meiner Hosentasche, während ich mich durch das Getümmel quetschte, welches sich vor dem Hörsaal gebildet hatte.
Bislang war es mir noch nicht gelungen, Anschluss zu den übrigen Kommilitonen zu finden. Auch wenn ich den ein oder anderen Versuch dazu unternommen hatte. Leider war nach wenigen Sätzen immer ein betretenes Schweigen entstanden, woraufhin ich mich schnell verabschiedet hatte und davongeeilt war.
Endlich gelang es mir, mich aus dem Stau zu befreien und nach draußen zu laufen. Camy saß in einem weiten blau-weißen Batikkleid auf einer Bank unter einer Palme und wälzte in einem Schinken von Buch. Beim Näherkommen las ich den Titel: Amerikanisches Recht. Siebte Auflage.
Sie bemerkte mich, bevor ich bei ihr war und klappte das Buch zu. »Da bist du ja. Ich habe mir Clays Auto geliehen, dann müssen wir nicht alles schleppen.« Das Buch, das vermutlich eine Tonne wog, verschwand in ihrer Umhängetasche. »Neulich habe ich beim Bummeln einen kleinen Vintage-Laden entdeckt. Dort finden wir bestimmt alles, was du brauchst.«
Vintage war jetzt nicht der Stil, den ich bevorzugte, allerdings konnte es nicht schaden, sich den Laden anzusehen. Zumal ich ein Fan von secondhand war.
Nachdem ich ihrer Idee zugestimmt hatte, schlenderten wir zu dem SUV, der auf dem Collegeparkplatz stand. Als ich den Wagen erblickte, kullerten mir beinahe die Augen auf den Gehweg.
Das Teil musste ein Vermögen gekostet haben. Ein Wagen dieser Größe und mit dieser Ausstattung ließ einfach keinen anderen Schluss zu. Es fühlte sich fast schon heilig an die Tür zu öffnen und sich auf den schwarzen Ledersitz fallen zu lassen. Zudem roch der Innenraum nach Neuwagen. Kein einziges Staubkorn war auf der Mittelkonsole zu finden.
Camy stieg ein und startete den Motor. Nur ein leichtes Kitzeln unter meinem Hintern verriet mir, dass der Wagen lief. Man hörte nichts.
Gar nichts!
Im Gegensatz zu diesem Auto hörte sich unseres wie ein rollender Panzer an. Das überdimensionale Farbdisplay, das auf dem Armaturenbrett thronte, erwachte zum Leben. Nachdem Camy die Adresse des Ladens in das Navigationsgerät eingetippt hatte, ging die Spritztour los. Das war meine erste Gelegenheit, Tampa genauer zu betrachten. Seit meiner Ankunft vor fünf Tagen war ich nicht mehr vom Campus runtergekommen.
Es war erstaunlich leer auf den Straßen und wir kamen gut voran. Laut Wegbeschreibung mussten wir zum anderen Ende der Stadt. Die Temperaturen draußen kletterten immer weiter in die Höhe. Dank der Klimaanlage hatte ich allerdings eine Gänsehaut auf den Armen.
Am Ziel angekommen beäugte ich kritisch den winzigen Laden. Zwischen zwei hochmodernisierten Ladenzeilen bekannter Modelabel wirkte die blaulackierte Holztür wie aus einer vergessenen Zeit. Im Schaufenster warteten abstruse Gegenstände schon eine lange Zeit darauf, verkauft zu werden. Wahllos zusammengewürfelte Möbel, Krimskrams und Kleider auf vergilbten Mannequins luden nicht gerade zum ausgiebigen Shoppen ein.
Da Camy neben mir jedoch strahlte und ganz hibbelig darauf drängte, endlich hineinzugehen, atmete ich tief durch und öffnete die Tür.
Begrüßt wurden wir neben einem Glockenklingen von einem älteren asiatischen Herrn. »Bittesön. Ich können helfen?«, fragte er freundlich mit einem rundgelutschten Dialekt.
Ich überlies Camy das reden und schaute mich um. Es war, als wäre ich im Fuchsbau bei den Weasleys gelandet, nur das hier keine Gegenstände wie von Zauberhand herumflogen. Vorsichtig schlängelte ich mich durch die engen Ladenreihen, möglichst darauf bedacht, nichts anzustoßen, was zu einer Kettenreaktion führen könnte. Scheinbar hatte der Ladenbesitzer in seiner Jugend leidenschaftlich gern Tetris gespielt, denn die Türme aus unnützen Dingen waren perfekt übereinandergestapelt, wenn auch ziemlich wackelig.
Camy tauchte im Gang neben mir auf. Ihre Augen strahlten. »Ist es hier nicht fabelhaft?« In ihrer Hand hielt sie ein flauschiges Knäuel. »Schau dir nur mal diesen Plüschhamster an, sieht der nicht echt aus?«
Langsam senkte ich meinen Kopf und betrachtete das Etwas in ihrer Hand. »Öhm, Camy? Ich glaube, das Ding ist echt.«
»Heilige Scheiße!« Das ausgestopfte Tier flog im hohen Bogen über das Regal. Ich grölte los. Camys Gesicht, dazu das fliegende präparierte Hamsterding ließen mich mein gutes Benehmen vergessen.
Ein kleiner schwarzhaariger Kopf lugte von der anderen Seite in den Gang hinein. »Alles gut, ja?«
»Bestens!«, gab ich zurück, während ich mit den Lachtränen kämpfte. Hinter mir schmierte Camy ihre Hand an ihrem Kleid ab und schüttelte sich immer noch voller Ekel.
Ich fand in dem Laden zwar nichts, was ich brauchte, gestand mir aber ein, dass der Ausflug hierher echt ein Highlight war.
Gerade wollten wir gehen, als mir Camy eine Lampe vors Gesicht hielt. »Die musst du aber mitnehmen. Das Teil ist hinreißend.«
»Das Ding ist aus Plüsch und hat Ohren!«
»Aber es ist so niedlich!«, versuchte sie mich weiter zu überzeugen, während sie damit vor meinen Augen herumwedelte.
»Vergiss es! Da nehme ich lieber den gruseligen Kuschelhamster mit.«
Sie schob die Unterlippe nach vorn, stellte die Lampe aber zurück auf ihren Platz.
»Wiedersehen. Beehren sie uns bald wieder!«, sagte der Ladenbesitzer zum Abschied.
Im Anschluss fuhren wir endlich in ein ordentliches Möbelhaus und brachten meine Geldkarte zum Glühen. Der Kofferraum war jetzt bis zum Bersten gefüllt und mir war ein wenig übel. Das Abschlussgeschenk meines Vaters dezimierte sich schneller, als es mir lieb war. Die Studiengebühren, die Wohnheimkosten und jetzt die Zimmereinrichtung hatten ein ziemliches Loch in mein Budget gefressen. Wenn das so weiterginge, wäre das Geld meines Vaters in wenigen Wochen aufgebraucht.
In den nächsten Tagen musste ich schauen, ob es einen Job in der Nähe gab, der mit meinen Vorlesungen vereinbar war. Ich brauchte Geld. Und zwar dringend.
Die Arme vollbepackt mit Einkaufstüten wankten wir in mein Zimmer zurück. Während über das Handy Musik dudelte, machten wir uns daran, den Kram auszupacken und mein Zimmer zu gestalten. Erst spät am Abend verabschiedete sich Camy von mir.
Jetzt fühlte ich mich endlich wohl. Ich hatte mich für eine schlichte Deko in Pastelltönen entschieden. Mein absoluter Lieblingsplatz war der Schreibtisch. Neben diversen Ordnungsmöglichkeiten und einer Halogenlampe, die ein warmes Licht abgab, stand jetzt mein Laptop angeschlossen darauf. Davor ein neuer Wochenplaner, den ich in ein Bullet Journal verwandeln wollte. Im Internet war ich auf die Idee gestoßen und fand sie grandios. Einen Planer mit meinen Listen so zu gestalten, wie ich es wollte, würde meinen inneren Monk voll befriedigen.
Mit einer neuen Palette Buntstifte bewaffnet, schlug ich die erste Seite auf und fing an. Zunächst skizzierte ich mir eine Tabelle, die ich farblich in Wochentage einteilte und schrieb sorgfältig meinen Vorlesungsplan ab.
Morgen hatte ich einen Kurs, auf den ich mich besonders freute. Auch wenn es schon eine Weile her war, dass ich mit dem Thema Berührung hatte.
In der Juniorhigh hatte ich auch mal einen Fotografiekurs belegt und unheimlich Freude daran gefunden, die Welt aus einer anderen Perspektive zu sehen. Oftmals entdeckte man, wenn man Dinge aus dem Objektiv heraus betrachtete, überraschende Merkmale, die einem sonst verborgen geblieben wären. Es war wie ein Geheimnis zu erkunden, das man bisher übersehen hatte.
Das reichte für heute. Müde und glücklich streckte ich mich und klappte das Journal zu.