Читать книгу Dark Addiction - Josy B. Heard - Страница 19
ОглавлениеKapitel 11 Haarige Angelegenheit
Der restliche Tag verlief ohne weitere Zwischenfälle. Ich tigerte von einer Veranstaltung zur nächsten.
Mein Notizblock war bereits so vollgekritzelt, sodass ich ernsthaft Sorge hatte, ob dieser für die gesamte Woche reichen würde.
Tobias sah ich erst am Nachmittag wieder. Er lehnte mit dem Rücken an der Wand im Gang vor den Hörsälen und tippte auf seinem Handy herum.
Von dem Gewusel, welches um ihn herum herrschte, schien er nichts mitzubekommen.
Da ich mich immer noch fragte, was er heute Morgen in dem Einführungskurs für Psychologie zu suchen hatte, gab ich mir einen Ruck, straffte die Schultern und stiefelte geradewegs auf ihn zu.
»Hey«, sagte ich, zwar immer noch viel zu leise, aber immerhin redete ich mit ihm, ohne einen Nervenzusammenbruch zu erleiden. Die erste Stufe der Besserung war erreicht.
Er schielte von seinem Handy auf, sofort erschien dieses schiefe Grinsen auf seinen Lippen. »Hey, Sweetie. Schon voll im Studentenmodus?« Belustigt fiel sein Blick auf meinen Notizblock, den ich mir an die Brust gedrückt hielt.
»Ähm, ja. Die Kurse sind sehr interessant.«
Er nickte, während er sein Handy in die Hose steckte. »Was hast du als Nächstes?«
»Betriebswirtschaft.« In diesem Kurs hatte ich mich nur eingeschrieben, um die Grundlagen der Betriebsführung zu lernen. Nur für den Fall, dass ich doch in die Immobilienfirma meiner Mutter mit einsteigen würde. Was ich natürlich partout nicht vorhatte.
Seine linke Augenbraue wanderte nach oben. »Tatsächlich? Du siehst nicht wie eine Bürostuhldreherin aus.«
»Bürostuhl… was?« Was meinte er damit bloß wieder.
Er kicherte. »Bürostuhldreherin. Ein etwas gewählteres Wort für Sesselfurzer.«
Ich rückte meinen Block zurecht und gab mich unbeirrt. »Es kann nicht schaden, sich die Basics anzueignen. Schließlich weiß ich noch nicht, wohin mein Weg gehen wird.«
»Ah ja …« Er stieß sich von der Wand ab. »Wie dem auch sei, ich muss jetzt los.«
»Tobias, warte«, rief ich, als er sich zum Gehen abwandte. »Was wolltest du heute im Psychologiekurs?« Hoffentlich kam die Frage nicht zu forsch rüber, doch sie interessierte mich brennend und ich wollte eine Antwort.
Nachdem der Kurs vorbei und wir uns auf den Weg zum nächsten gemacht hatten, hatte ich das Getuschel zweier Mitstudenten aufgeschnappt. Wie es schien, war Tobias auf dem Campus ziemlich bekannt. Denn selbst die Erstsemester hatten von ihm gehört. Sein Ruf war allerdings kein Guter. Er war wohl schon des Öfteren aus Vorlesungen geflogen, weil er unangenehm aufgefallen war. Doch nicht diese Tatsache war es, die seinen Ruf ausmachte. Der permanente Frauentausch an seiner Seite war es, der seiner Person die Aufmerksamkeit sicherte.
»Ich dachte mir, es könnte nicht schaden, sich die Basics anzueignen. Ciao, Sweetie.«
Er ließ mich einfach im Gang stehen und tauchte in die Menschenmassen ein.
Dieser Kerl war für mich ein Buch mit sieben Siegeln. Camy hatte offenbar doch recht. Mein Instinkt sagte mir, dass dieser Typ nur Ärger bedeutete und ich ihm tunlichst aus dem Weg gehen sollte.
Ich sollte wirklich darauf hören …
Der Letzte meiner Kurse, kreatives Schreiben, den ich als Ausgleich zu den trockenen Fächern gewählt hatte, endete pünktlich. Schon als Kind liebte ich es, Tagebuch zu schreiben und Kurzgeschichten zu verfassen.
Mit rauchendem Kopf und müde bis auf die Knochen schleifte ich mich zurück zum Wohnheim. Ich wollte nur noch meine Sachen aus Camys Zimmer holen, alles in mein eigenes schmeißen, mich aufs Bett werfen und schlafen.
Während ich den Schlüssel ins Türschloss steckte, konnte ich kaum noch meine Augen offenhalten. Das änderte sich allerdings schlagartig, als ich das Zimmer betrat.
»Fuck! Sorry …«, stammelte ich und stürmte wieder hinaus. Soeben hatte mich ein nackter Männerarsch begrüßt. Ein außerordentlich behaarter nackter Männerarsch!
So ein Anblick war ein besserer Muntermacher, als jeder Espresso der Welt.
Wie ich so schockiert im Gang stand, probierte ich, dieses Bild aus meinem Kopf zu verseuchen.
Hinter mir rumpelte es, gleich darauf ging die Tür wieder auf und eine kleine, stramme Brünette erschien im Rahmen. »Hey, du musst Evy sein.« Sie hatte sich die Bettdecke um die Hüfte geschlungen und trug wenigstens ein Bustier. »Camy hat mir getextet, dass du kommst, um deinen Kram zu holen. Gib mir eine Minute, dann kannst du rein.«
»Nur keine Eile. Ich wollte euch nicht unterbrechen.«
»Kein Problem. Victor braucht eh noch ’ne Weil um das Ding zum Laufen zu bringen, wenn du verstehst, was ich meine.« Verschwörerisch wackelte sie mit den Augenbrauen, danach schloss sie die Tür wieder.
Nein, ich verstand nicht, was sie meinte, und ich wollte es auch überhaupt nicht wissen.
Neben dem nackten Männerarsch, der mir jetzt vermutlich die gesamte restliche Woche im Kopf herumgeistern würde, breite ich bedauernswerterweise noch ein weiteres Bild in meinem Oberstübchen aus.
Ich schüttelte heftig den Kopf, doch es war schon zu spät. Jetzt flackerte noch ein Bild von der höchstwahrscheinlich genauso haarigen Vorderseite des Typen vor meinem inneren Auge auf. Angestrengt versuchte er mit einer Leine seinen Penis anzuschmeißen. So, wie man einen Rasenmäher anzog, riss er an diesem Strick, bis sein Ding anfing zu knattern und wie eine Katze zu schnurren.
Schreckliches Bild.
Ganz, ganz schreckliches Bild.
Die albtraumhafte geistige Vorstellung endete, als Camys Mitbewohnerin die Tür erneut öffnete. »Komm rein.«
Am liebsten hätte ich mir die Augen zugehalten, verkniff es mir jedoch. Die Brünette stand vollständig bekleidet im Zimmer. Der haarige Nacktarschkerl lag zugedeckt bis zum Hals auf der Matratze und verfolgte mich mit den Augen.
Wo seine Hände waren, wusste ich nicht und wollte es auch nicht herausfinden. Die Beule, die sich unter der dünnen Decke abzeichnete, reichte mir als Erklärung.
Bereits gestern hatte ich alles zusammengepackt, darum brauchte ich mir nur die Tasche zu schnappen und wieder zu verschwinden.
Genau das tat ich auch.
Schnell brummte ich ein »Danke«, danach rannte ich wie auf der Flucht durch den Gang, die Treppe runter und direkt in mein Zimmer.
Mein Zimmer!
Das klang surreal und fremd. Daran musste ich mich erst noch gewöhnen.
Meine Kraft reichte gerade noch aus, um das Bett frisch zu beziehen, den Wecker zu stellen und die Vorhänge zu schließen. Kaum das mein Kopf das Kissen berührte, schlief ich ein.
Ein beharrliches Klopfen riss mich aus dem Schlaf. Benommen taumelte ich zur Tür und öffnete sie einen Spalt. Camy schaute mich unverständlich an. »Pennst du etwa?«
»Mmh …anstrengender Tag«, nuschelte ich. Meine Zunge fühlte sich träge an.
»Soll ich morgen wiederkommen?«
Ich gähnte ausgelassen. »Schon okay, komm rein.«
Nachdem ich Platz gemacht und Camy hereingebeten hatte, suchte ich in meinem Rucksack nach etwas zu trinken. Meine Kehle war wie ausgedörrt.
»Wie war dein erster Tag?«
Mit dem Handrücken wischte ich mir über die Lippen, anschließend ließ ich mich wieder rücklings aufs Bett fallen und klopfte neben mir auf die Matratze. Camy legte sich zu mir. Unsere Gesichter waren so dicht beisammen, dass mir ihr Atem auf der Haut kitzelte. Sie roch nach Pfefferminze und Kirsche. Und Alkohol.
»Warst du feiern?«, fragte ich, ohne ihre Frage an mich zu beantworten.
»Nur was trinken. Nach dem Fußballtraining gönnen wir uns meist im Carlston ein oder zwei Drinks zum Runterkommen. Also, wie war dein erster Tag?«
»Klasse. Meine Kurse sind spitze und ich habe jetzt schon so viel gelernt, dass ich bezweifle, alles im Kopf zu behalten. Kurz um; ich liebe es hier.« Ich schmunzelte, was Camy erwiderte. »Freut mich, dass es dir hier gefällt.«
Nach einer kurzen Pause fragte sie: »Und es gab keine besonderen Zwischenfälle?« Sie hörte auf, an der Ecke meines Kissens herumzuspielen und blickte mich unter gesenkten Lidern an. Ich runzelte die Stirn. Der Buschfunk auf dem Campus schien tadellos zu funktionieren. Oder Clayton hatte von der Sache gewusst und es Camy erzählt. Ich entschied mich dazu, die Unwissende zu spielen. »Was genau meinst du?«
»Hattet ihr nicht zufällig einen ungebetenen Gast in euren Reihen?«
»Ach, du meinst Tobias. Ja, war ganz amüsant mit anzusehen, wie er vor dem brechendvollen Hörsaal eins auf den Deckel bekommen hat. Woher weißt du davon?«
Schnaubend drehte sie sich auf den Rücken. Mit hinter dem Kopf verschränkten Armen blickte sie auf meine kahle Zimmerdecke. Auch ich drehte mich und folgte ihrem Beispiel. Da gehörte definitiv ein Poster hin. Die weiße Decke war ein bedrückender Anblick.
»Das ist mittlerweile zu einer richtigen Tradition geworden. Er macht sich einen Spaß daraus, die Erstsemester aufzumischen. Er hat schließlich einen Ruf zu verteidigen.« Das Wort ›Ruf‹ setzte sie demonstrativ in Anführungszeichen.
»Was denn für einen Ruf?« Ich versuchte, betont lässig zu klingen, was mir nur mäßig gelang. Camy schien mein brennendes Interesse zu bemerken. Seufzend setzte sie sich hoch. »Ich kenne Tobias jetzt seit einem Jahr und kann die Frauen, die er in dieser Zeit hatte, nicht mal mehr an zwei Händen abzählen. Bevorzugt schleicht er sich an Neulinge heran und umgarnt sie, bis sie in seinem Netz festhängen. Am nächsten Morgen verpisst er sich und sucht sich das nächste Opfer. Ich habe keine Ahnung, wie viele gebrochene Herzen ihm schon hinterherweinen, aber es müssen viele sein.«
Ich schluckte trocken und ignorierte den verbitterten Unterton in Camys Stimme. Tobias sah gut aus. Sehr gut.
Und dass ihm die Frauen Scharenweise hinterherrannten, konnte ich mir bildhaft vorstellen. Scheinbar hielt sie sein Ruf als Herzensbrecher nicht davon ab, zu ihm ins Bett zu hüpfen. Das hatte das Getuschel, das ich heute mit anhören durfte, bestätigt. Denn es waren viele dabei gewesen, die ihm hinterhergeschmachtet hatten …
Camy drehte sich zu mir um und drückte mir einen Kuss auf die Wange, der mich überraschte. »Ich lass dich jetzt mal schlafen. Wir sehen uns.«
»Okay, bis dann.«
Nachdem Camy verschwunden war, konnte ich nicht wieder einschlafen. Alles Mögliche ratterte mir durch den Kopf. Hauptsächlich war es aber eine bestimmte Person, die mir nicht mehr aus dem Sinn gehen wollte. Eine Stunde quälte ich mich und wälzte mich im Bett herum, schließlich gab ich auf.
Es gab nur eine Sache, die mir jetzt dabei helfen würde, den Kopf frei zu kriegen. Ich musste eine To-do-Liste schreiben.
Dinge, die mich beschäftigen, auf Papier zu übertragen, räumte meine Gedanken auf. Darum fing ich an, alles, was ich in dieser Woche noch zu erledigen hatte, aufzuschreiben. Ganz oben stand der Besuch in einem Möbelhaus. Ich brauchte Dekoration, damit dieses Zimmer auch wirklich zu meinem Zimmer wurde.
Danach fühlte ich mich erleichtert und leergefegt.
Ein Gefühl der Ruhe und Ordnung breitete sich in meinem Körper aus und holte die Müdigkeit zurück. Ich ließ den Stift sinken und fiel aufs Kissen zurück. Befriedigt schlief ich endlich wieder ein und träumte von blauen Augen und haarigen Ärschen …