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SPANNUNGEN MIT DEN TSCHETNIKS UND DIE REPUBLIK VON UŽICE

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Das Erscheinen einer rivalisierenden Widerstandsbewegung, die bereit war, der Sowjetunion in ihrem verzweifelten Kampf ohne Rücksicht auf Opfer beiseitezustehen, zwang die Tschetniks, ihr Programm und ihre Taktik besser zu definieren. Sie sprachen sich gegen eine unbesonnene Konfrontation mit den Deutschen aus, solange sich das Kriegsglück nicht gewendet hätte, denn »noch ist der Zeitpunkt für den Kampf nicht gekommen«, man müsse mit dem serbischen Blut sparsam umgehen und so die »biologische Substanz des Volkes« bewahren. In Erwartung eines geeigneten Zeitpunkts (»bis der Tag kommt«) für den Widerstand, zu dem er das ganze Volk aufzurufen beabsichtigte, beschränkte Mihailović die Konfrontation mit den Deutschen auf das Notwendigste.

Trotz aller ideologischen Unterschiede waren sich beide Gruppierungen anfangs nicht von vornherein feindlich gesinnt, sondern stimmten untereinander sogar Aktionen gegen die Wehrmacht und gegen die Ustascha in Ostbosnien ab.131 In einem Schreiben an den Hauptstab der serbischen KP warnte Tito am 13. August 1941 zwar davor, dass »der große Mangel der Volksbefreiungsbewegung in Serbien die Isolierung von den übrigen politischen, mit Großbritannien sympathisierenden Strömungen« sei, jedoch schloss er, dass eine Zusammenarbeit mit diesen dennoch möglich sei.132 Mit Mihailović und seinem Stellvertreter Dragiša Vasić traf er sich am 19. September 1941 in dem Ort Struganik bei Valjevo am Fuße der Ravna Gora, aber weil ihre Ziele einander diametral entgegengesetzt waren, konnten sie sich nicht auf einen gemeinsamen Kampf einigen: Mihailović verlangte für sich das Oberkommando über alle bewaffneten Einheiten, um seine Strategie des Wartens auf »günstigere Umstände « durchzusetzen. Zudem wollte er nach dem Krieg das alte Regime erneuern. Tito hingegen brannte vor Ungeduld, mit seiner so vielversprechenden Aktion fortzufahren. Vor allem aber hatte er nicht vor, auf die Volksbefreiungsausschüsse zu verzichten, die in den befreiten Gebieten entstanden waren, denn für ihn waren sie die Basis der angestrebten neuen Gesellschaftsordnung. Am Ende verabredeten sie nur, dass Partisanen und Tschetniks nicht aufeinander schießen sollten.133

Von dieser Begegnung nahm Tito einen positiven Eindruck von Mihailović mit. Wie er später unter Freunden erzählte, habe ihm der Tschetnikführer in einem bestimmten Augenblick die Hand auf die Schulter gelegt und ihm vorgeschlagen, ins Freie zu treten. »Sag, Freund, bist du Russe? Warum gibst du es nicht zu? Wir lieben die Russen.« – »Nein, ich bin Kroate.« – »Gut, auch wenn du es bist, ich habe nichts gegen die Kroaten, ich kämpfe gegen die Ustascha, nicht gegen die Kroaten.« Als er geendet hatte, wurde Tito nachdenklich und setzte zur Überraschung der Anwesenden hinzu: »Wisst ihr, Draža war mir sympathisch: Hätte es nicht die Londoner Exilregierung gegeben, wäre Draža sicherlich mit uns gewesen.«134

Im Gegensatz zu ihm hegte Mihailović keinerlei freundschaftliche Gefühle für Tito und ließ sich auch nicht davon überzeugen, dass er kein Russe sei. Vor allem wollte er die alte Staatsgewalt erhalten, einschließlich der verhassten Gendarmerie, und konnte natürlich nicht übersehen, welche Gesellschaftsordnung die Partisanen im Falle eines Sieges etablieren würden: Auf dem ersten befreiten Territorium im Städtchen Užice, einem Zentrum der Militärindustrie, wo Tito seit dem 23. September sein Hauptquartier hatte, hatten die Partisanen nämlich die rote Fahne mit Hammer und Sichel entfaltet. Als Gruß hatten sie »Tod dem Faschismus!« eingeführt, eine Losung, die sich Tito selbst ausgedacht hatte; die Antwort lautete »Freiheit dem Volke!«, wie es Ranković vorgeschlagen hatte. An den Fassaden der Gebäude hatten sie Stalinporträts und proletarische Losungen ausgehängt, Gendarmen, die nicht rechtzeitig geflüchtet waren oder sich ihnen nicht angeschlossen hatten, waren »vernichtet« worden.135

In Serbien soll es zu diesem Zeitpunkt bereits annähernd 40 000 Partisanen, in Belgrad 600 Partei- und 2 000 SKOJ-Mitglieder gegeben haben.136 »Damals waren die Bauern, die Lebensmittel nach Belgrad hineinbrachten, die einzige Verbindung mit dem Umland, denn die Partisanen hatten alle Verbindungen mit der Hauptstadt gekappt. […] Das Partisanentum in Serbien befand sich damals auf dem Höhepunkt«, schreibt Kardelj in seinen Erinnerungen, »kaum fünfzehn Kilometer von Belgrad entfernt waren schon die ersten Partisanenpatrouillen.«137

Tito war noch optimistischer. Anfang Oktober berichtete er nach Moskau, dass es »in der Partisanenarmee in Jugoslawien 100 000 Mann und ca. 30 000 Tschetniks gibt, die unsere Verbündete sind«. Erneut bat er darum, dass man ihm Waffen schicken möge, denn er habe mehrere Flugplätze zur Verfügung, wo die sowjetischen Flugzeuge landen könnten.138

Die Republik von Užice, die annähernd 19 000 Quadratkilometer umfasste und ca. 300 000 Einwohner zählte, hatte eine große Resonanz und verschaffte den Führern der KPJ erste Regierungserfahrung.139 Und auch die erste Gelegenheit, ihre Macht zu missbrauchen: Als ihnen Živojin Pavlović in die Hände fiel, der in der Vergangenheit Kommunist gewesen war, sich später aber unter anderem in der Broschüre Bilanz des sowjetischen Termidors gegen Stalins Schreckensherrschaft gewendet hatte und nun als Informant der Polizei arbeitete, wurde erbarmungslos gefoltert und anschließend erschossen.140

Tito und der Oberste Stab wählten das beste Gebäude in der Stadt als ihre Residenz. Es war die Filiale der Nationalbank, wo sie auch eine reiche Beute in Geld und Silber macht.141 »Sechsundfünfzig Millionen waren damals nicht wenig «, stellte er später fest. »Das hat uns in den ersten Tagen sehr genützt, sodass wir die Bauern nicht angerührt haben, während die Tschetniks vom ersten Tag an geräubert haben, so viel sie nur konnten, nur gekämpft haben sie nicht. Wir haben im Gegensatz dazu befohlen, dass absolut nichts angerührt werden darf. Da geht zum Beispiel eine Einheit durch ein Dorf, da sind Früchte, reife Früchte, Herbst, niemand rührt auch nur eine Pflaume oder einen Apfel an. Die Bauern haben uns von allem angeboten und sich gewundert, dass wir keinen Schnaps trinken. Sie brachten große Krüge mit Schnaps und Wein, aber niemand durfte davon nehmen. Damals habe ich Trinken und Stehlen unter Todesstrafe gestellt, sodass die Disziplin tatsächlich außerordentlich hoch war.«142 In dieser erst entstehenden Armee trug zwar noch niemand eine richtige Uniform (außer einer šajkača (›Schiffchen‹) – der traditionellen serbischen Militärkappe, an die sich die Kämpfer einen aus Stoff geschnittenen roten Stern genäht hatten). Die Ausnahme war Tito, der schon damals eine sowjetische pilotka trug, auf der der fünfzackige Stern mit Hammer und Sichel aus Emaille glänzte.143

Zu diesem Zeitpunkt tauchte unter seinen engeren Mitarbeitern ein neuer Mann auf. Arso Jovanović, Montenegriner und ehemaliger Hauptmann der königlichen Armee, wurde aufgrund seiner Erfahrung bald Mitglied und später Kommandant des Obersten Stabs. Laut Đilas nahm Arso mehrmals Einfluss auf Tito, dass dieser keine übereilten Entscheidungen fällte.144 Wobei es durchaus auch Situationen gab, in denen sich zeigte, dass er »der Typ des alten Generalstabsoffiziers war, der nicht verstand, dass die Partisanenkriegsführung eine andere war als ein frontaler Angriff«, wie Kardelj sagte.145 So griff zum Beispiel auf seinen Befehl hin eine Einheit montenegrinischer Partisanen am 1. Dezember 1941 die gut befestigte und von einer italienischen Division verteidigte Stadt Plevlja im Sandžak an. Trotz des Heldentums der »stürmenden« Montenegriner endete der Angriff in einer Niederlage. Die Partisanen hatten 203 Gefallene und 269 Verwundete zu beklagen. Der Hauptstab Montenegros entschied deshalb, Arso Jovanović abzulösen. Aber als Peko Dapčević, auch einer der prominenteren Mitkämpfer Titos, mit dieser Nachricht kam, sagte Kardelj zu ihm: »Um Gottes willen, sag von dieser Entscheidung nichts zu Tito, denn der hat ihn gerade zum Chef des Obersten Stabes gemacht.« Was nach Meinung von General Velimir Terzić, einem der fähigsten Partisanenkommandanten, völlig unangemessen war. Das erkannte zwar bald auch Tito, der aber Jovanović während des Krieges fast immer in seiner Nähe behielt.146

Die sowjetische Presse widmete dem Aufstand der jugoslawischen Völker ziemlich viel Raum. Ab Juli 1941 bis Ende des Jahres veröffentlichte das Sovinformbiro fünfundzwanzig Meldungen über das Geschehen in Jugoslawien, in denen es allgemein über »Partisanen« berichtete. Im Wesentlichen übernahm es die Nachrichten aus den westlichen Medien mit allen ihren Ungenauigkeiten. Das erweckte in Tito den Verdacht, dass Kopinič seine Berichte nicht an die Komintern weiterleitete.147

Die Kämpfe, die die Partisanen in Montenegro und Serbien im Sommer 1941 häufig gemeinsam mit den Tschetniks führten, zogen auch die Aufmerksamkeit Londons auf sich und weckten Sympathien für das »kleine tapfere Serbien «. Wie es schien, verwirklichte sich gerade hier jenes Szenarium, das sich die Briten zu Beginn des Krieges gewünscht hatten: der Ausbruch eines Guerillakrieges in den besetzten Gebieten, der von ihren Agenten organisiert und geleitet wurde. Zu diesem Zweck war auf Churchills Initiative hin im Juli 1940, nach der französischen Kapitulation, eine besondere Spezialeinheit, das Special Operations Executive (SOE), gegründet worden, mit dem Ziel Sabotage- und Subversionstätigkeit in feindlichen Gebieten zu fördern.148 Neben der Londoner Zentrale wurde bald auch eine Filiale in Kairo gegründet, deren Zielgebiet der Balkan und der Nahe Osten war. Um einen besseren Informationsfluss zu gewährleisten, entsandte das SOE unter der Leitung von Captain Duane T. Hudson am 20. September 1941 eine Mission unter dem Namen Bullseye nach Montenegro und Serbien. Wie einige britische Dokumente andeuten, sollte »Bill« den Widerstand in Jugoslawien fördern und steuern und damit mittelbar Unterstützung für die Sowjets leisten.149 Die Sowjets, die in großer Bedrängnis waren, hatten nichts dagegen einzuwenden und schlugen im Oktober 1941 den Briten sogar vor, die Hilfe für die jugoslawischen Aufständischen zu koordinieren. In Bezug auf diesen diplomatischen Schritt, forderte London Moskau dazu auf, die jugoslawischen Kommunisten zu überzeugen, auf den selbstständigen Kampf gegen die Okkupatoren zu verzichten und ihre Einheiten mit jenen Mihailovićs zu vereinen. Da die Briten keine große militärische Unterstützung leisten konnten, versuchten sie die Aufständischen zumindest propagandistisch zu unterstützen und zeichneten von ihnen, auch zur Lenkung der öffentlichen Meinung im eigenen Land, ein heroisches Bild. In der Presse und der BBC sprach man von der Bewegung als leuchtendes Vorbild für ganz Europa, besonders für jenen Teil, der sich unter feindlicher Besatzung befand.150 »Die Serben «, hieß es in einer der Sendungen des Londoner Radios, »zeigen uns, wie man für die Heimat sterben muss.« Dass dabei Aktionen der Partisanen den Tschetniks zugeschrieben wurden, ist kaum verwunderlich.151 Von den Partisanen wollte keiner Kenntnis nehmen, selbst die Sowjetregierung nicht, die sich, in einem Augenblick, da die deutschen Truppen an der Wolga, im Kaukasus und vor Moskau standen, nicht erlauben konnte, öffentlich ihre Sympathie für eine Bewegung zu äußern, die ihre revolutionären Ambitionen nicht verhehlte. Aufschlussreich in diesem Zusammenhang ist, dass das Radio Freies Jugoslawien, das am 11. November 1941 von der Komintern in Ufa eingerichtet worden war, in dieser Zeit nie kritisch über Draža Mihailović berichtete, sondern zu Titos Entrüstung Nachrichten aus den westlichen Medien übernahm, die diesen in den Himmel hoben: Die serbische Guerilla würde nach britischen Angaben gleich sechs deutsche und zahlreiche italienische Divisionen auf dem Balkan binden.152 Gegen diesen »schrecklichen Unsinn« legte Tito über Vazduh scharfen Protest in Moskau ein, aber ohne Erfolg.153

Die Hoffnung der Briten, dass es ihnen mit Hilfe der Sowjets gelingen könnte, die Aktionen zwischen A/H31 (wie sie ihren Agenten Mihailovićs chiffriert nannten) und Tito zu koordinieren, währte nicht lange.154 Obwohl Tito den Tschetniks misstraute, war er nach der Einnahme Užices bereit, die ihm in die Hände gefallene Beute zu teilen, und trat ihnen an die 15 000 Gewehre und fünf Millionen Dinar ab.155 In dieser Zeit versicherte er gegenüber Hudson, dass er persönlich nichts gegen Draža habe, wenngleich man dem Großteil seiner Offiziere nicht trauen könne. Die Kardinalfehler der Tschetniks seien seiner Meinung nach Trunkenheit, Disziplinlosigkeit, Räuberei und Vergewaltigung. Genau das Gegenteil der Partisanenethik. Er versicherte aber, dass er auf jede Weise Reibungen mit Mihailović vermeiden wolle und forderte seinerseits: Wenn er mit den Partisanen nicht zusammenarbeiten könne, solle er ihnen wenigstens keine Knüppel zwischen die Beine werfen.156 Die beiden Führer trafen sich noch einmal in der Nacht vom 26. auf den 27. Oktober 1941 in dem Dorf Braići auf dem Berg Suvabor, um sich über ein mögliches Abkommen auf der Grundlage von zwölf Punkten zu besprechen, die Tito formuliert hatte. Prinzipiell erreichten sie sogar ein Abkommen, das sie beide verpflichtete, sich gegenseitig zu unterstützen, in Wirklichkeit aber strebten beide nach einer Verwirklichung eigener, diametral entgegengesetzter Ziele. Tito wies unter anderem die Forderung Mihailovićs zurück, ihm die Kontrolle über Užice und Čačak zu überlassen, während Letzterer die wichtigsten Punkte aus dem vorgeschlagenen Programm ablehnte: die Bildung eines gemeinsamen operativen Stabes für den Kampf gegen die Deutschen und ihre Helfershelfer, die gemeinsame Versorgung von Partisanen und Tschetniks, die Organisation vorläufiger Behörden in den befreiten Gebieten und die Einführung der Mobilisierung auf freiwilliger Basis.157 Kaum zwei Tage nach dem Treffen forderte Mihailovićs Vertreter von den Deutschen Waffen für den Kampf gegen die kommunistische Gefahr.158

Bald darauf, in der Nacht vom 1. auf den 2. November, griffen die Tschetniks Užice, Čačak und andere Orte unter der Kontrolle der Partisanen an und gaben damit das Zeichen zum Auftakt des Bürgerkriegs in Serbien und in jenen Gebieten, wo beide Bewegungen Seite an Seite standen.159 In seinen Erinnerungen schreibt Đilas, dass er und seine Kriegskameraden froh über den Kampf waren: Damit war der bisherige Knoten und die Unsicherheit zerschlagen, wie man mit Einheiten zusammenarbeiten sollte, die für die Kommunisten Klassenfeinde waren.160 Tito und seine Gefolgschaft waren jedenfalls (irrtümlich) überzeugt, dass Hudson Mihailović zu dem Angriff überredet hatte. Grund für diese Annahme war die Tatsache, dass sich Hudson mit zwei serbischen Offizieren seiner Mission nach kurzem Aufenthalt in Užice zu Mihailovićs Hauptstab in Ravna Gora begeben hatte.

»Ich glaube, dass der Angriff gegen uns auf Befehl der englischen und jugoslawischen Regierung erfolgte«, schrieb Vladimir Dedijer in sein Kriegstagebuch. »Der Bourgeoisie ist die Befreiung des Volkes egal; sie hat den Klassenkampf angefangen. Die serbische Bourgeoisie als die gefräßigste fing als Erste an. Ein Teil von ihr setzte auf die deutsche Karte, der andere auf die englische. Aber gegen uns fanden sie zusammen.«161

Weil man aber wegen ihres Bündnisses mit der Sowjetunion auf die Briten Rücksicht nehmen musste, gingen die Partisanen nicht bis zum Äußersten, als sie Mihailović und seinen Führungsstab umzingelt hatten.162 In dieser Situation erklärte Mihailović plötzlich, dass sich die Widerstandskräfte nicht gegenseitig bekämpfen dürften, und stimmte der Einrichtung einer Kommission zu, die klären sollte, wer die Verantwortung für den Angriff trug. Tito seinerseits ließ als Zeichen des guten Willens etwa einhundert Tschetnik-Offiziere frei, die seine Kämpfer gefangengenommen hatten.163

In Čačak trafen sich daraufhin Delegationen beider Gruppen, wobei die Partisanen von Ivo Lola Ribar, Petar Stambolić und Aleksandar Ranković vertreten wurden. Dabei wurde ein Waffenstillstand entlang der Linie beschlossen, an der sich die feindlichen Einheiten zu diesem Zeitpunkt gegenüberstanden.164 Das war aber auch alles. Die tragische Ereignisse häuften sich: Am 21. November kam es in Užice zu einem Sabotageakt in der Waffenfabrik, der eine Kette von Explosionen auslöste, die 120 bis 160 Opfer forderte. Tito selbst, der sich nur wenige Meter von der Fabrik entfernt aufgehalten hatte, kam gerade noch mit heiler Haut davon.165 Als vier Tage später, am 25. November, die Deutschen Užice angriffen, schlug Mihailović die Bitte des Obersten Stabs aus, den Partisanen zur Hilfe zu kommen.166

Trotz der Vermittlung Hudsons, der zu diesem Zweck zu Titos Oberstem Stab gekommen war, war der Bruch nicht mehr zu kitten. Die Ursachen für die endgültige Spaltung sind aber nicht nur in ideologischen, politischen und strategischen Differenzen und im sozialen Radikalismus der Partisanen zu suchen, sondern auch in der Überzeugung des Tschetnik-Kommandanten, dass London in ihm den Führer des Widerstands in Jugoslawien sah, und nicht zuletzt auch in seinem Entsetzen angesichts der deutschen Repressalien. So hatte Hitler am 16. September den Befehl erlassen, für jeden getöteten Deutschen einhundert und für jeden Verwundeten fünfzig Gefangene zu erschießen.167 Als grausame Antwort auf Sabotageakte der Partisanen und Tschetniks führten die Deutschen tatsächlich eine Reihe von Racheakten durch, die ihren Höhepunkt zwischen dem 21. und 23. Oktober in Kragujevac erreichten. Hier erschossen sie in diesen Tagen 2 300 Menschen (diese Zahl wird von zeitgenössischen deutschen Quellen genannt – die Partisanen behaupteten, es seien 7 000 gewesen), darunter auch Schüler und Lehrer des örtlichen Gymnasiums.168

Dieser und weitere Vergeltungsschläge blieben in der öffentlichen Meinung nicht ohne Folgen. Viele Serben begannen sich von den Partisanen zu distanzieren oder schwärzten sie sogar bei Nedićs Gendarmerie an. Als die Deutschen bemerkten, dass sich die Dinge zu ihrem Vorteil entwickelten, entschlossen sie sich Mitte November zu der sogenannten Ersten Offensive gegen Titos und Mihailovićs Einheiten.169 Gegen Ende des Monats zerschlugen sie sie mit vier Divisionen und trieben sie über die serbischen Grenzen in die durch die Italiener besetzten bergigen Teile des Sandžaks, wo die Bedingungen für beide Gruppen zweifellos leichter waren. »So wurde der Aufstand in Serbien«, schrieb später Vladimir Bakarić, »niedergeschlagen, und wenn es nicht Bosnien, Kroatien und Slowenien gegeben hätte, wäre aus allem nichts geworden.«170 Aber Tito wollte die Niederlage nicht eingestehen. Einen Monat, nachdem er in Užice und Zlatibor mehr als tausend Mann verloren hatte, meldete er nach Slowenien: »Unsere Truppen sind unversehrt geblieben, fast ohne jegliche Verluste. […] Die Lage hat sich also in Serbien wesentlich gebessert.«171 Kaum dreißig Jahre später räumte er ein: »So sehr, dass ich an einer Wegscheide zwischen den Dörfern Zabučje und Lubanja fast draufgegangen wäre.«172

Das gemeinsame Schicksal versöhnte die beiden Konkurrenten Tito und Mihailović keineswegs, denn schon im Dezember gerieten sie wieder aneinander und setzten den brudermörderischen Kampf bis Kriegsende fort. In Serbien herrschte unterdessen bleierner Friede: Gegen Ende des Jahres waren von 25 000 Partisanen kaum zweiunddreißig übriggeblieben, wie ein Bericht des Parteiführers Blagoje Nešković festhält.173 Die Bewegung konnte sich dort noch lange nicht wieder erholen, während sich die Tschetniks Mihailovićs in größerem Umfang nach einem Geheimabkommen »legalisieren« konnten, was bedeutet, dass sie in die Reihen der Nedić-Gendarmen übertraten. Das erlaubte den Kommunisten, sie als Verräter zu brandmarken.

Anderer Meinung war die jugoslawische Exilregierung, die die Tschetniks zur »jugoslawischen Armee in der Heimat« erklärte, Draža Mihailović am 7. Dezember 1941 in den Rang eines Generals erhob und ihn am 9. Januar 1942 zum Kriegsminister machte. Das bedeutete, dass jeder jugoslawische Staatsbürger, der ihn nicht als Kommandanten der »jugoslawischen Heimatarmee« anerkannte, von nun an ein Hochverräter war.174


Tito

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