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Dialog durch visuelle Wahrnehmung

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Dialogisches Reden zeigt in Körperhaltung, Gestik und Blickkontakt die Bereitschaft, mit den Zuhörenden zu interagieren – und zwar mit allen. Nicht zuletzt zeigt sich dies in der Reaktion auf Unvorhergesehenes. Wenn etwa ein Zwischenrufer die Rede unterbricht, muss der Redner nicht nur entscheiden, mit welchen Worten er darauf eingeht. Er muss auch sicherstellen, dass der Dialog mit allen Anwesenden weitergeht. Zu leicht passiert es sonst, dass sich der Dialog einengt auf Redner und Zwischenrufer, weil er sich diesem körperlich zuwendet und die Mehrheit der übrigen Anwesenden ausschließt. Er muss gerade in einem solchen Fall verhindern, dass er nicht nur diese einzelne Person wahrnimmt. Wenn er darauf achtet, dass er weiterhin auch die Zuschauer in den anderen Teilen des Raums anspricht, wird der Zwischenruf auch nonverbal zum Problem aller und damit leichter zu bearbeiten.

Steve Jobs, der Mitbegründer von Apple, hielt seit den 1980er-Jahren beeindruckende Reden. Noch heute, Jahre nach seinem frühen Tod, sind auf YouTube seine zündenden „Keynotes“ so beliebt, dass sie jährlich von Hunderttausenden gesehen werden. Eine davon stammt aus dem Jahr 2007. Steve Jobs präsentierte darauf bei der Macworld-Konferenz 2007 das damals neueste Produkt: das iPhone. Millionen Klicks bezeugen, dass eine Werbeveranstaltung für ein neues, aber unterdessen in die Jahre gekommenes Gerät noch immer faszinieren kann, wenn die Präsentation stimmt. Wer aber von Steve Jobs lernen will, achtet nicht auf die großartigen, einstudierten Phrasen, sondern auf Details. Jobs blieb sich selbst treu, wenn er auf der Bühne stand. Er hatte nun einmal das Glück, seinen Berufsweg als dynamische, extravertierte Persönlichkeit zu gehen, und es ist kein Wunder, dass er damit dem Ideal eines überzeugenden, siegbewussten Redners entsprach. Dennoch ließ er sich immer die Zeit, die er brauchte, um sein Publikum wahrzunehmen.

Wenn man eine Aufnahme findet,97 bei der auch festgehalten ist, wie Jobs auf die Bühne oder zum Rednerpult kommt, kann man seine wichtigste Fähigkeit studieren: sich Zeit zu lassen, bevor er zu reden anfängt. Auch in der prestigegeladenen Graduiertenfeier der Stanford University nimmt er sich zuerst einmal Zeit. Er schaut sich um. Er blickt ins Publikum. Er lächelt. Dankt für den Applaus. Dann erst fängt er an. Und die ersten Worte kommen gar nicht so geschliffen daher. Er spricht mit Pausen, tastet sich zunächst voran, als ob er sich noch erst mit dem Publikum synchronisieren müsste. Er mag die Sätze vorbereitet haben und vollständige, klare Sätze sprechen. Aber er erlaubt sich „Ähs“ und Pausen und lange Blicke ins Publikum. Das ist so ziemlich das Gegenteil davon, was man von einem blendenden Redner erwarten würde, der sich als „insanely great“ in Szene setzt.98 Aber es ist dialogisch – nicht im Sinn von Rede und Gegenrede, sondern dialogisch durch viele kleine Elemente, die in einer solchen Situation möglich sind. Jobs nutzt Pausen, er sieht ins Publikum und spürt, ob da jemand zurückblickt. Er hört auf die Reaktionen der Zuhörenden. Das zeigt, dass auch einer, der als brillanter Redner gilt, nicht einfach als Alleinunterhalter loslegt, sondern sich mit den Menschen, zu denen er redet, abgleicht. Er gibt sich selbst und ihnen die Chance, aufeinander einzugehen.

Konstruktive Rhetorik

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