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Dialog als Musik

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Schon die Wahl der Satzmelodie, die Betonung innerhalb des Satzes, das Setzen von Pausen kann als Mittel des Kontakts zum Publikum genutzt – oder auch verspielt – werden. Verspielt hat es 2016 Bernie Sanders, der unabhängige Bewerber um die amerikanische Präsidentschaftskandidatur. Auf seiner Wahlkampftour sprach er in Kirchen afroamerikanischer Gemeinden, in sogenannten Black Churches. Nun erwartete zwar keiner von ihm, dass er etwas anderes täte, als Reden zu halten. Aber man hatte den Anspruch, dass er auf die Anwesenden achtete und auf sie einging. Genau das gelang ihm nicht.

Schwarze Kirchen leben vom Miteinander: Der Prediger spricht, die Gemeinde reagiert. Die Gläubigen gehen mit, rufen „Amen“ und „Halleluja“. Dies bedeutet für den Prediger, dass er wiederum bereit sein muss, dies aufzunehmen. Er soll seine Stimmkraft, seine Melodie, seinen Rhythmus anpassen. Dem 74-jährigen Bernie Sanders fehlte dies – nicht die verbale Überzeugungskraft, sondern die Fähigkeit, emotional auf das Publikum einzugehen. Man erwartete von ihm nicht, dass er „Halleluja!“ rief, aber man erwartete, dass er nicht nur sprach, sondern auch hinhörte. Oder wie es eine Abgeordnete aus South Carolina ausdrückte:

»Ich glaube nicht, dass er schon viel mit Farbigen zu tun hatte. Ich sah ihn sprechen; er kam nicht zur Ruhe. Er ging nicht auf seine Zuhörer ein, auf ihre Körpersprache, die Mimik oder einen gewissen Rhythmus. Kein Langsamerwerden, um eine Bestätigung oder ein Amen da und dort anzunehmen oder zu erwidern. Er war kurz angebunden. Er schien sich nicht wohl zu fühlen –und man konnte es sehen.«99

Dialog hätte darin bestanden, sich mit dem Publikum zu synchronisieren. Es hätte sich nicht in einem Frage-Antwort-Schema ausgedrückt, sondern „nur“ in der Musikalität, in der Art, wie der Redner mit seiner Stimme und mit der Zeit umgeht und auf die Musikalität der Zuhörenden eingeht.

Konstruktive Rhetorik

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