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Bismarcks Geburtstag (1. April)

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Mitte Juli 2014 berichteten die Medien mehr oder weniger ausführlich über den 60. Geburtstag der Bundeskanzlerin Angela Merkel. Solche Berichterstattung hat Tradition. In der vermeintlich „guten alten Zeit“ ließ die Presse ihre Leser teilhaben an den Feierlichkeiten zu runden oder halbrunden Geburtstagen der Monarchen oder zu Feiern anlässlich eines besonderen Ehe- oder Thronjubiläums. Doch kein Fürst, auch kein Politiker vor oder nach ihm stand bei Geburtstagen so sehr im Rampenlicht wie Bismarck, so am bzw. um den 1. April 1885 anlässlich seines 70. Geburtstages, ebenso fünf Jahre später. Vor allem aber wurde Bismarcks 80. Geburtstag im Jahre 1895 reichsweit als „nationales Fest“ begangen. In den meisten deutschen Städten waren die öffentlichen Gebäude dekoriert, die Straßen geflaggt und die Schüler hatten sogar schulfrei. Nach einer Zählung wurde Bismarcks 80. Geburtstag in 64 deutschen und 15 österreichischen Städten als Feiertag begangenen, von Kleinstädten, Dörfern und Vereinen abgesehen.51 Auch Kaiser Wilhelm II. in Berlin hatte hohe Beamte, Minister sowie Angehörige des Bundesrates, des Reichs- und Landtages zu einem Bankett ins Schloss eingeladen. Solch einen „Nationalfeiertag“ hatte es bislang nur bei Geburtstagen der regierenden Monarchen und am Sedantag gegeben. Zahlreiche Delegationen pilgerten nach Friedrichsruh, um dem Altreichskanzler ihre Aufwartung zu machen sowie Glückwunschschreiben und Geschenke zu überreichen. Zu den Ehrungen dieses Tages gehörten auch 439 Ehrenbürgerschaften deutscher Städte und Gemeinden. Ferner bot sich der 1. April, neben dem 2. September, als Tag der Enthüllung zahlreicher Bismarckdenkmäler an.


Abbildung 23 Postkarte zu Bismarcks 80. Geburtstag, 1895.

Auch noch nach seinem Tode im Juli 1898 wurde rückblickend Bismarcks Leistung als Politiker einer stabilen, verlässlichen Friedenspolitik anerkannt, sogar von seinen einstigen politischen Gegnern. Der Bismarckkult steigerte sich zu einer schichtübergreifenden Angelegenheit und gipfelte in nationalen Feierlichkeiten anlässlich seines 100. Geburtstages am 1. April 1915. Das heißt, im späten Kaiserreich galt der 1. April als besonderer Gedenk- und Huldigungstag, der vom Alltag ablenkte und an dem die breite Masse der Bevölkerung Bismarck würdigte. In der Weimarer Republik waren es dann monarchisch gesinnte Kreise, Burschenschaften und die Deutsche Volkspartei (DVP) sowie die Deutschnationale Volkspartei (DNVP), die sich weiterhin zu Bismarck-Feiern am 1. April trafen. Im Dritten Reich galt der Personenkult nur noch Adolf Hitler. Immerhin veröffentlichte die NSDAP-Tageszeitung „Völkischer Beobachter“ zum 1. April 1938 und damit 14 Tage nach dem „Anschluss Österreichs“ folgenden „Bismarck-Gedanken“:52

Wo stünden wir heute – wäre Bismarck nicht gewesen? Die Frage lässt sich nicht beantworten. Wohl aber haben wir in diesem Jahre, da die großdeutsche Einheit Wirklichkeit wurde, doppelten Anlass, des Wirkens und Werkes des Altreichskanzlers mit einem Überblick zu gedenken…

Adolf Hitler aber musste erst kommen, um die neuen starken Kräfte zu wecken und zusammenzufassen, die fähig waren, die neue Einheit zu tragen; sein überlegenes Planen, Wirken und Wagen erst – im Erfolge nun deutlich jedem Volksgenossen erkennbar – schuf die Vollendung, die wir als kämpferisch bereite deutsche Menschen miterleben durften!

Kennzeichnend für die Politik ist es, welche Feinde sie hatte. Bismarck war in seinem Leben zwei Attentaten aus nächster Nähe ausgesetzt: das eine verübte ein Jude, der deshalb besonders aus London nach Berlin gekommen war, das andere ein vom politischen Katholizismus verführter und verhetzter junger Mann.

Wir, die wir Rassen- und Weltanschauungskämpfe unserer Zeit und die Feinde unseres völkischen Wollens kennen, erblicken jetzt klarer denn je die einheitlich-gerade Linie des einzig möglichen, wirklich deutschen Weges unseres Volkes.

Im Gegensatz zu den Presseberichten der Kaiserzeit wurde nicht mehr Bismarcks Leben und Werk gewürdigt – im Gegenteil; der langjährige Reichskanzler wurde degradiert, seine Leistung geschmälert. Aus nationalsozialistischer Sicht war Bismarck nun nichts weiter als ein Wegbereiter Adolf Hitlers und des von ihm geschaffenen „Großdeutschen Reichs“.


Abbildung 24 Briefmarken zu Ehren Bismarcks erschienen zu seinem 150. Geburtstag (1965)…


Abbildung 25 und zu seinem 200. Geburtstag (2015).

Dass Du nicht vergessest der Geschichte

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