Читать книгу Die deutschen Könige im Mittelalter - Jörg Rogge - Страница 10

2. Die Designation Herzog Heinrichs von Sachsen 918

Оглавление

Konrad I. – ein glückloser König

Die Regierungszeit von König Konrad war gekennzeichnet von Konflikten mit den Stammesherzögen, gegen die er sich letztlich nicht durchsetzen konnte. In den Jahren 917 und 918 stand der König jedoch nicht nur einer starken Fürstenopposition gegenüber, die er mit Gewalt nicht brechen konnte, sondern der militärische Erfolg, der wie kein anderer Faktor zur Legitimation der Herrschaft eines Königs beitrug, blieb ihm auch gegen die äußeren Feinde versagt. Es gelang ihm nicht, die jährlich wiederkehrenden Einfälle der Ungarn zu verhindern oder die Reiter zu besiegen. Dazu kamen noch territoriale Einbußen, wie der Verlust des Elsasses an den westfränkischkarolingischen König Karl den Einfältigen oder von Basel an König Rudolf von Burgund. Im Sommer 918 zog König Konrad noch einmal nach Bayern, um gegen Herzog Arnulf zu kämpfen. Auf diesem Feldzug erlitt er eine Verwundung, an deren Folgen er im Dezember des Jahres starb. Vor seinem Tod traf Konrad jedoch noch Verfügungen über seine Nachfolge. Er ließ seinen Bruder Eberhard zu sich rufen und beauftragte ihn, die Insignien der königlichen Macht an den Herzog Heinrich von Sachsen zu übergeben.

Q

Widukind von Corvey, Sachsengeschichte, Buch I, Cap. 25 (Übersetzung in: Rotter/Schneidmüller, Sachsengeschichte; S. 67)

Ich fühle Bruder, dass ich dieses Leben nicht länger behalten kann, da Gott es so befiehlt und eine schwere Krankheit mich bedrückt. Darum überlege bei dir selbst, sorge, was dich hauptsächlich angeht, für das ganze Frankenreich, und beachte meinen brüderlichen Rat. Wir können, Bruder, Truppen aufstellen und ins Feld führen, wir besitzen Burgen, Waffen, die königlichen Insignien und alles, was königliche Würde erfordert, aber wir haben kein Glück und keine Eignung.Das Glück, Bruder, ist mit der hervorragendsten Befähigung an Heinrich übergegangen, die Entscheidung über das Reich liegt bei den Sachsen. Deshalb nimm diese Abzeichen, die heilige Lanze (hat erst Heinrich erworben, J. R.), die goldenen Armspangen mit dem Mantel, das Schwert und die Krone der alten Könige, gehe zu Heinrich und mache Frieden mit ihm, damit du ihn immer zum Verbündeten hast. Denn warum ist es nötig, dass das Frankenvolk mit dir vor ihm zusammensinkt? Er wird wahrhaftig König sein und Kaiser über viele Völker. Nach diesen Worten starb der König, ein tapferer und mächtiger Mann, im Krieg wie im Frieden hervorragend, freigebig, mild und mit allen Vorzügen ausgestattet.

Das war am 23. Dezember 918; begraben wurde König Konrad vermutlich in Fulda (nach Widukind in Weilburg an der Lahn). Widukind erzählt diese Geschichte aus der Perspektive des gesicherten Königtums der sächsischen Liudolfinger. Er schrieb um 967/68, als Otto I., der zweite Herrscher aus dieser Familie, bereits zum Kaiser aufgestiegen war und sich auf dem Höhepunkt seiner Macht befand. Dass Eberhard auf die Krone verzichtete und sie nach dem Rat seines Bruders an Heinrich weitergab, soll verdeutlichen, dass König Konrad keine Chance für seinen Bruder sah, sie für seine Familie zu sichern und gegen die sächsischen Herzöge zu behaupten. Die Designation des mächtigen Sachsenherzogs erschien Konrad wohl als einzige Möglichkeit, um den Frieden und die Eintracht im Reich zu sichern, denn Herzog Heinrich verfügte über die Macht, sich gegen die anderen Herzöge zu behaupten. Die größte Leistung Konrads, der mit seiner Politik gegen die Herzöge gescheitert war, war es, sein Scheitern zu erkennen und – sterbend – seinem mächtigsten Rivalen die Krone zu übersenden. Ob der sächsische Herzog Heinrich an der Entscheidung Konrads irgendwie beteiligt war oder sich gar selbst als Nachfolger ins Gespräch gebracht hatte, ist nicht zu entscheiden. Ebensowenig ist bekannt, wie Eberhard die Entscheidung seines Bruders aufgenommen hat, ob er freiwillig oder gezwungen den Auftrag Konrads angenommen hat. Nur dass er dies getan hat, ist belegt, wenn man Widukind von Corvey glauben darf. Nach seiner Darstellung rief nämlich Eberhard in Fritzlar Heinrich vor dem „ganzen Volk der Franken und Sachsen“ zum König aus. Der so erhobene Heinrich lehnte die ihm vom Mainzer Erzbischof Heriger angebotene Salbung ab. Er begründete dies damit, dass es ihm genüge, aufgrund von Gottes Wohlwollen und des Willens der Versammlung König genannt zu werden und dazu ausgerufen zu werden. Die Salbung und Krönung hingegen solle Würdigeren als ihm zuteil werden. Daraufhin reckten die Versammelten ihren rechten Arm gegen den Himmel und riefen mehrfach laut den Namen des neuen Königs.

Heinrich I. – ein König ohne Salbung

Das Verhalten Heinrichs, insbesondere die Ablehnung der Salbung, wird heute nicht mehr damit erklärt, dass er von der Kirche unabhängig, kein „Pfaffenkönig“ sein wollte. In der jüngsten Forschung, namentlich von Gerd Althoff, wird vielmehr betont, dass der Zeremonie wohl Absprachen zwischen dem Erzbischof Heriger von Mainz und Heinrich vorausgegangen waren. Sie inszenierten diese Szene, um eine bestimmte Aussage öffentlich zu machen. Mit der Ablehnung der Salbung demonstrierte Heinrich, dass er sich nicht durch besondere Auszeichnung über die Herzöge setzen wollte, wie sein Vorgänger Konrad es versucht hatte. Es war gleichsam sein Angebot an die Großen, sie nicht mit Gewalt zu unterwerfen, sondern mit ihnen nach einem Kompromiss für die Gestaltung ihres Verhältnisses und einem Interessenausgleich zu suchen. Die Herrschaftspraxis Heinrichs I. unterstützt diese Interpretation. Der König versuchte in der Regel vor der Anwendung von militärischer Gewalt durch Verhandlungen und Kompromissbereitschaft den Konsens der Großen für seine Politik zu erlangen. In diesem Zusammenhang war der Abschluss von Freundschaftsbindungen, die Heinrich etwa mit Herzog Burkhard von Schwaben und Eberhard, dem Bruder seines Vorgängers Konrad, abschloss, von besonderer Bedeutung. Eine Freundschaftsbindung (amicitia) war eine künstliche Verwandtschaft, die zu gegenseitiger Unterstützung verpflichtete und eine gewisse Gleichrangigkeit anzeigte.

Die Erhebungen von Konrad I. und Heinrich I. sind nicht ausreichend gut überliefert, sodass sich daraus nur wenige Informationen über ihren Ablauf und die Wählerschaft gewinnen lassen. Klar ist jedoch geworden, dass die späteren Berichterstatter der Huldigung durch die Großen entscheidende Bedeutung bei den Königserhebungen zumaßen.

Die deutschen Könige im Mittelalter

Подняться наверх