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7. Die Wahl und Erhebung Konrads II. 1024

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König Heinrich II. starb am 13. Juli 1024 in der Pfalz Grone bei Göttingen und wurde in Bamberg beigesetzt. Er war kinderlos und konnte, wie schon Otto III., keinen Sohn zu seinem Nachfolger designieren. Die geistlichen und weltlichen Großen standen wie 1002 wieder vor der Frage: Wie lösen wir die Nachfolge? Dieses Mal gelang es, die schon 1002 virulente Idee einer Wahl des neuen Königs auf einer Wahlversammlung auf Reichsebene zu realisieren. Allerdings war man sich auch jetzt über den Ablauf und die Form nicht ganz klar. Es gab kein Verfahren, an dem sich die Fürsten hätten orientieren können. Und es ist wohl kein Zufall, sondern als Reaktion auf die Erfahrungen mit dem strengen, die Königsherrschaft insbesondere gegenüber den Herzögen intensivierenden Heinrich II. zu werten, dass die Fürsten bei der Kandidatenauswahl vor allem Wert auf die klassischen Herrschereigenschaften legten: clementia, misericordia und humilitas. Der Erhebungsvorgang – von der Kandidatenauswahl bis zur Krönung – ist von Wipo, dem Kaplan von Konrads Sohn Heinrich III., in den Gesta Chunradi geschildert worden. Wipo schrieb mit einer gewissen Berichtsabsicht, so dass es wichtig ist, sich über sein Verhältnis zu seinem Helden, nämlich König Konrad, zu informieren.

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Wipo Geburtsdatum und Ort sind unbekannt, gestorben ist er nach 1046. Wipo wurde von Konrad in die Hofkapelle aufgenommen und diente auch Heinrich III. als Kaplan; möglicherweise war er auch ein Erzieher von Konrads Sohn. Seine Gesta Chunradi entstanden in den Jahren 1040 bis 1046, waren Konrads Sohn Heinrich III. gewidmet und hatten wohl auch erzieherisch-didaktische Funktionen im Zusammenhang mit der Ausbildung von Heinrich III.

Unsicherheit im Reich nach Heinrichs II. Tod

Mit Heinrich II. war die sächsisch-ottonische Dynastie im Mannesstamme erloschen. Es entstand ein Machtvakuum, in das ambitionierte Fürsten drängten, die sich für geeignete Nachfolger hielten. Die Gefahr von militärischen Konflikten wuchs, der Zusammenhalt des Reiches war gefährdet, denn die Integration der verschiedenen Gewalten, von Laienfürsten und Bischöfen, war längst nicht abgeschlossen. Ein starker König, auf den hin sich die anderen Gewalten orientieren konnten, musste erhoben werden, man brauchte eine sich von den anderen Fürsten abhebende Person, die in der Lage war, den Frieden zu sichern und Konflikte auszugleichen. In dieser Situation, als nach Wipo der Staat (res publica) durch den Verlust des Vaters verunsichert war und Unfrieden drohte, ergriffen erlauchte Fürsten – von Wipo als „die Lebenskräfte des Reiches“ (vires et viscera regni) bezeichnet – die Initiative, um diesen Zustand zu beenden. Auch die Kaiserin Kunigunde, Heinrichs Witwe, habe zusammen mit ihren Brüdern zur Sicherheit im Reich beigetragen. Was aber haben die Fürsten unternommen?

Wahlversammlung in Kamba

Innerhalb von sechs Wochen nach Heinrichs Tod organisierten sie eine Wahlversammlung in Kamba am Rhein. Sie fand am 2. September 1024 statt und aus ihr ging der Salier Konrad II. als neuer König hervor. Wipos Bericht über die Vorgänge in Kamba wird von einer streng faktengeschichtlich ausgerichteten Forschung als tendenziös kritisiert. Er habe die tatsächlichen Ereignisse entstellt, insbesondere Konflikte nicht mitgeteilt, um die Wahl Konrads als eine einstimmige Entscheidung der Fürsten und Stämme zu präsentieren, die auf göttliche Inspiration hin den geeignetsten Kandidaten gewählt hätten. Tatsächlich aber waren die Sachsen, wie auch andere wichtige Gruppen, nicht in Kamba anwesend. Deshalb wird gefolgert, dass Wipo einen fiktiven Wahlvorgang beschrieben habe, der für die Fragen nach der Entwicklung der Wahlverfahren und dem Verhältnis von Wählern und Gewähltem wenig beitragen kann.

Konrad und Konrad – zwei Salier als Königsanwärter

Eine andere mögliche Deutung ist jedoch, dass Wipo vorhandene Tendenzen und Auffassungen darüber, wer König werden könne und wie derjenige erhoben werden müsse, in idealtypischer Weise überzeichnet hat (Stefan Weinfurter). Dazu gehörten Vorstellungen darüber, welche Qualitäten ein König haben musste. Dem Kandidaten musste zugetraut werden, die aktuelle Situation schnell zu sichern und die Einheit des Reichs zu festigen. Zudem sollte der zukünftige König in der Lage sein, die Integration der großen Fürsten in das Reich weiter voranzubringen. Legt man diese Kriterien an, dann sprachen für die Salier ihr entwickeltes Hausbewusstsein und ein fortschrittlicher Herrschaftsausbau in ihrem Herrschaftsbereich. Sie verfügten über eine herausragende Machtstellung am Mittelrhein und waren durch Heiraten mit lothringischen und fränkischen Adelsfamilien verbunden. Außerdem erfüllten sie erbrechtliche Voraussetzungen, weil sie über Liudgard, eine Tochter Ottos des Großen, mit dem alten Königshaus verwandt waren. Wenn man annimmt, dass schon bei der Vorauswahl die Fürsten auf bestimmte Merkmale der Kandidaten Wert legten, dann ist es nicht erstaunlich, dass sich während der Beratungen der Kandidatenkreis im Jahr 1024 (wenn es überhaupt andere gab) letztlich auf zwei Mitglieder der salischen Dynastie, die beide den Namen Konrad führten, verengte. Der ältere Konrad war etwa 35 Jahre alt, der jüngere, der auch den Hauptteil des salischen Erbes innehatte, etwa 22 Jahre alt. Zwischen den beiden Vettern, die gemeinsam das salische Haus repräsentierten, musste also eine Entscheidung getroffen werden. Aber wie? Bisher war es noch bei keiner Erhebung zu einer Stichwahl zwischen zwei Kandidaten gekommen und schon 1002 war die Idee einer Wahl nicht zuletzt daran gescheitert, dass die Fürsten keinen Wahlmodus, also kein Verfahren zur Verfügung hatten. Laut Wipo wurde dieses Problem folgendermaßen gelöst. Er behauptet, dass fast alle Fürsten den älteren Konrad wegen seiner Tüchtigkeit und Rechtschaffenheit zum König wünschten, aber wegen der Macht des jüngeren Konrad hielten sie sich mit ihrer Meinung zurück und machten sie nicht öffentlich. Die Situation geklärt habe der ältere Konrad, der seinen jüngeren Vetter beiseite nahm und ihn ermahnt habe, nicht in Streit zu geraten, denn sie beide seien ja aufgrund des Willens der Versammlung als die geeignetsten Kandidaten nominiert worden, wofür sie Gott danken sollten. Sie seien die Sprossen eines einzigen Stammes, entstammten einem Haus (domus) und sollten sich deshalb nicht verfeinden.

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Wipo, Gesta Chunradi, Cap. 2 (Übersetzung in Trillmich, Quellen, S. 543)

Konrad schlug vor: „Merke ich, dass des Volkes Stimme dich wünscht, dich zu seinem Herrn und König begehrt, dann werde ich dir diese Gunst nicht durch Intrigen schmälern; ich will dich vielmehr freudiger noch als die anderen wählen, weil ich glaube, dir näher zu stehen als sie. Hat jedoch Gott mich ausersehen, so zweifle ich auch nicht am gebührenden Entgegenkommen deinerseits. Der jüngere Konrad stimmte damit überein und zum Zeichen der Entscheidung küsste der ältere Konrad den jüngeren“.

Die Erhebung des älteren Konrad

So, wie von Wipo berichtet, hat der ältere Konrad die Rede wohl kaum gehalten; jedoch muss auf irgendeine Weise eine interne Klärung der Kandidatenauswahl im salischen Haus erfolgt sein. Die beiden Salier waren bereit, den Willen Gottes, der sich in einer Wahlentscheidung manifestieren würde, zu akzeptieren. Und so konnte eine förmliche Kur durchgeführt werden, bei der Erzbischof Aribo von Mainz (1021–1031) sein Erststimmrecht ausübte und den älteren Konrad zu seinem Herren und König, zum Lenker und Schützer des Reiches wählte. Diesem Spruch schlossen sich die anderen Erzbischöfe und die übrigen Herren der geistlichen Stände ohne zu zögern an. Dann wandte sich der jüngere Konrad, der eine Zeitlang mit den Lothringern verhandelt hatte, um und erwählte den Älteren zu seinem Herren und König. Der König Konrad ergriff seine Hand und ließ ihn neben sich sitzen. Dann wiederholten alle aus den verschiedenen Königreichen einzeln immer wieder den gleichen Kürspruch (verba electionis). Das Volk rief Beifall, alle stimmten einmütig der Königswahl der Fürsten zu, alle wünschten dem älteren Konrad Glück. Schließlich – so Wipo – übergab ihm die Kaiserinwitwe Kunigunde die königlichen Insignien und bevollmächtigte ihn dadurch zur Herrschaft, so weit ihr Geschlecht das vermochte (quantum huius sexus auctoritatis est).

Die Versammlung traf also eine einmütige Entscheidung zugunsten des älteren Konrad. Aber wohl nur deshalb, weil die Sachsen nicht anwesend waren und Erzbischof Pilgrim von Köln sowie die Lothringer, die vermutlich den jüngeren Konrad unterstützt hatten, sich nicht an der Abstimmung beteiligten und schon vorher abgezogen waren. Es lassen sich vier Phasen bei dieser Erhebung unterscheiden: 1. Auswahlverfahren, aus dem die beiden Salier als Bewerber um die Krone hervorgingen; 2. die Einigung der beiden Konrade, die Wahlentscheidung der maior pars populi anzuerkennen; 3. der Wahlvorgang (die Kur) mit der Stimmabgabe: prima vox des Mainzer Erzbischofs, dann Stimmabgabe der principes, schließlich Akklamation des populus; 4. die Übergabe der Herrschaftszeichen durch die Kaiserinwitwe Kunigunde. Die Abstimmung, also der „Wahlvorgang“, war nur noch die Bestätigung der vorangegangenen Meinungsbildung. Er wurde von den Beteiligten als Dokumentation des göttlichen Willens verstanden. Und weil Gottes Wille von einer christlichen Ordnung der Welt verlangte, dass sich alle Laien einem König unterordneten, der sie lenken und schützen sollte, und dieser König eben durch Gottesgnadentum ins Amt gelangte, musste die Wahl einstimmig sein. Denn dadurch, dass alle für einen stimmten, wurde manifest, dass dieser Kandidat von Gott für das Königtum vorgesehen war.

Wipo verwendete alle Mühe darauf, Konrad als den geeignetsten Kandidaten erscheinen zu lassen, der nach seiner Wahl aber auch sofort die Erwartungen erfüllte, getreu dem Motto: „Ruhm setzt Demut voraus“. Deshalb gehörte es zu den ersten Taten Konrads, dass er auf dem Weg in den Mainzer Dom, noch vor seiner Weihe und obwohl er von den Großen zur Eile gedrängt wurde, einem Bauern, einer Waisen und einer Witwe Gerechtigkeit widerfahren ließ, um sich – wenige Schritte weiter – eines unschuldig ins Elend Verstoßenen, der sich ihm in den Weg stellte, anzunehmen und dessen Fall einem Fürsten zu übertragen. Wahrscheinlich waren auch diese Akte abgesprochene Inszenierungen, aber sie sollten eine deutliche Botschaft vermitteln: Dieser König ist ein gerechter und gnädiger Herrscher, sein Streben nach Barmherzigkeit ist stärker als sein Verlangen nach der Weihe. Konrads Verhalten und Handeln auf dem Weg in den Mainzer Dom zur Krönung und Weihe war ein Beleg für die persönliche Qualität des Gewählten, seine Eignung, Idoneität, für das Königsamt. Die Krönung und die Salbung stellten als liturgische Handlungen den neuen Herrscher unter göttlichen Schutz, machten ihn zu einem König aus der Gnade Gottes und verpflichteten ihn gleichzeitig zu einer Regierung, die sich an den göttlichen Geboten orientierte und für den Schutz der Kirche sorgte. Aus der Salbung ergaben sich also auch Pflichten und Anforderungen an den König – und das galt für jeden König. Darüber hinaus war die Salbung auch hilfsweise als ein die Herrschaft in erster Linie begründender Akt interpretierbar, so wie durch König Heinrich II. 1002. Im Fall von Konrad II. hatte jedoch eindeutig die Kur durch die Fürsten und die Akklamation durch das Volk den Ausschlag für die rechtliche Begründung seines Königtums gegeben. Die Wahl war auf Konrad gefallen, weil er großes Ansehen hatte, man ihn für geeignet hielt und er eine Machtstellung in den Gebieten um Worms und Speyer innehatte. Zudem hatte er gegenüber seinem Konkurrenten, dem jüngeren Konrad, den Vorteil, aus seiner 1016 geschlossenen Ehe mit Gisela, der Tochter Herzog Burchards II. von Schwaben, einen Sohn und Erben (Heinrich III. *1017) zu haben. Es bestand deshalb die Chance, dass Konrad einen Nachfolger haben und die Königsherrschaft stabil bleiben würde.

Die deutschen Könige im Mittelalter

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