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Der lauernde Wolf

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Da kamen wir an dem großen Felsen an und gingen dort neben ihm in unserem VII C-U-Boot in Lauerposition.

Es war eine lange Fahrt zu dem Felsen gewesen, der bei den Matrosen der U-Boot-Flotte eine Art Berühmtheit darstellte. Denn jegliche Jagd begann bei diesem von der Natur annähernd rechteckig gehauenen Felsbrocken, der einen Übergang bedeutete. Genau in dem geographischen Punkt, in dem der Felsen ruhte, trafen sich drei Landschaften. Sie waren die riesige Steppe, die mein VII C-Boot durchquert hatte, das Ungewisse Land und das Andere Meer. Die Steppe schloss sich im Osten an die graue Ebene an und endete nach langer Fahrt an einem Steilhang, der in südöstlicher Richtung zu dem Ungewissen Land und in nordwestlicher Richtung zum Anderen Meer hinabführte.

In der Mitte, als verbindendes und zugleich trennendes Element, befand sich der Fels. Er war unmittelbar in der Spitze eines Kaps, den der Abhang dort bildete, von Riesen aufgestellt worden - so erzählte mir mit mythologisch leuchtenden Augen der Torpedomaat. Ich glaubte ihm kein Wort.

Das Ungewisse Land bot nichts, keinerlei Anhaltspunkte, nicht das geringste, lediglich ein helles, golden zuckendes Vibrieren, als würde von dem Sand einer Wüste nicht nur die Hitze und das Licht der Sonne reflektiert werden, sondern auch die Sonnensubstanz selbst. Ein wabernder Brei von diffusem und goldhellem Licht, als hätten die Kinder von Riesen vergessen, ihre Lichtmahlzeit zu sich zu nehmen.

Da wurde es mir sonderbar, als ich das Wort "Riesen" in mir denken gehört hatte, hatte ich doch soeben den Torpedomechaniker wegen solchen Gedankens verlacht. Von nun an hatte ich dem Maat disziplinierter zugehört und versucht, diese Dinge zu verstehen.

Dann gab er zu verstehen, dass wir einige Zeit neben dem Felsen über dem Boden des Ungewissen Landes verweilen konnten. Wartete der Kommandant am Sehrohr auf Frachter und Tanker, die in nicht zu berechnenden Abständen am Horizont des Ungewissen Landes erschienen - zunächst als schwarze Balken - und dann nordwestlich fuhren.

Ihr Kurs führte sie über das Andere Meer, dessen Wasser vor langer Zeit durch eine apokalyptische Irritation verschwunden war. Nach einer Zeit der Beruhigung waren dann die Schiffe, deren Gestalt sich drastisch verändert hatte, über dem Meeresboden geschwebt, in Höhe des einstigen Wasserspiegels - als sei dieser nicht vergessen und als trauerten sie um ihn.

Der Maat erzählte weiter. Er berichtete mir von der mit Apropagynen angereicherten Luft, die die lauernden und hungernden Wölfe während des Wartens einatmeten und sie zu solchen machte. Die Apropagyne waren mikroskopisch kleine Kristalle, die beständig vom Wind aus dem Ungewissen Land heraus geweht und aufgenommen wurden. Diese Kristalle bewirkten eine intensive Stimulierung der menschlichen Synapsen, wobei eine entscheidende Leistungssteigerung des Gehirns die Folge war.

Ich war fasziniert von den Dingen, die mir der Torpedomaat erzählt hatte, und in mir gebar ein Wunsch. Ich bat den Kommandanten, hinaus auf das Oberdeck gehen zu dürfen, und er entsprach meiner Bitte und zwar aus dem Grund, aus mir den hungerndsten Wolf der U-Boot-Flotte zu machen - wie ich später erfuhr.

Ich trat hinaus aus dem Turmluk und kletterte die Sprossen des Turms hinunter zum Oberdeck. Dann postierte ich mich vor der Achtacht und schaute mich um. Heiß war es und das heiße Vibrieren begann, mich zu durchdringen.

Es war nicht schmerzhaft und auch nicht wohlig und allmählich verstand ich. Nur mit einer Sonnenbrille, die mir der Kommandant vor dem Verlassen des U-Boot-Turms gegeben hatte, konnte ich sehen und ich sah den Brei, die Grenze zum Anderen Meer, den Felsen links neben unserem Boot und auf dem großen und grauen Brocken einen Baum.

Die Schneelandschaft und der violette Himmel

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