Читать книгу Stolps Reisen: Damals und heute, von den Anfängen bis zum Massentourismus - Jürgen Dittberner - Страница 20
IV. In den Hauptstrom 1. Spitze Buben am Vesuv
ОглавлениеNun zog es sie dorthin, wo so viele schon lange Urlaub machten: Nach Italien. Sie reisten per PKW und mit noch gleich drei befreundeten Ehepaaren nebst deren Nachwuchs. Die Reisegesellschaft verabredete ein allgemeines Treffen in Hall in Tirol, bevor es über den sagenumwobenen „Brenner“ in das Land, „wo die Zitronen blüh’n“, gehen sollte. Im Hotel sagte die Wirtin, aus Italien sei noch nie jemand zurückgekommen, ohne bestohlen worden zu sein. Ein Ehepaar unserer Reisegesellschaft war mit einem „Porsche“ angereist und hatte nun eine Heidenangst, dass etwas von ihrem Auto oder gleich das ganze Gefährt abhandenkommen könnte. Sie sicherten das Auto ab: Ein Knopfdruck genügte, und der Motor hatte kein Benzin mehr. – Auf der Autobahn im Sonnenland geschah es: Die Frau drückte vor Langeweile auf den Knopf, und das Edelgefährt blockierte sich und die Straße. Rufe plötzlich behinderter Italiener dahinter erklangen gar nicht so südländisch-charmant. Dann fuhr der Wagen wieder los, und alles war vorbei. Sonst geschah dem „Porsche“ auf der ganzen Reise nichts.
Vorher hatten sie den „Brenner“ passiert: Welche Befreiung! – Doch da näherte sich schon ein italienisches Polizeiauto und stoppte das Auto der Stolps. Andors Ausweis-Foto wurde wieder und wieder überprüft –sehr ernsthaft und stumm! Andor musste wohl ähnlich ausgesehen haben wie ein südlicher Gangster, doch die Polizisten schwiegen, setzten sich in ihren „Fiat“ und fuhren davon.
„Salute, bella Italia!“
In der ersten Tankstelle auf italienischem Boden war es voll. Jede Familie füllte ihren Tank mit „italienischem“ Sprit und stellte hinterher fest, dass der Tankwart keiner Familie korrekt Geld herausgegeben hatte. Alle bekamen etwas weniger als ihnen zustand. Keine Familie bekam mehr Geld zurück. Die Sache mit den vielen Lira war ja auch kompliziert für „DM-Menschen“ aus dem Norden!
Dann kamen alle nach „San Gimignano“. Welche eine Stadt! Auf einem Berg standen „Geschlechtertürme“, hohe Häuser, mit denen einst reiche Familien ihren Mitmenschen imponieren wollten. Die Reisenden fragten sich, ob mittlerweile die Banken die Stellung der alten Familien eingenommen hatten. Nach „San Gimignano“ in Italien wuchs nun „Frankfurt“ am Main in Deutschland in die Höhe. Aber die Schönheit war auf der Strecke geblieben.
San Gimignano
Dann ging es nach „Rom“. Es gibt große Aufregung wegen der Autos, denn das Hotel dort hatte keinen Parkplatz. Alle vier Autos mussten durch halb „Rom“ kutschieren und kamen zu einer Garage, in der die Autos Stoßstange an Stoßstange standen. Die Schlüssel blieben in den Autos. Bedenken wegen eines möglichen Diebstahls baute der Garagenwärter ab: „Die Autos hier sind so sicher, dass ich sogar das Auto meiner Mama abstellen würde.“ Alle waren überzeugt.
Nach dem Abklappern aller Sehenswürdigkeiten „Roms“ und dem „Genuss“ unendlicher Mengen „Frascatis“, bewegte sich die ganze Truppe bei großer Hitze nach Süden. Die Autos waren noch da – auch der „Porsche“. Schließlich kamen alle in „Casa Vellino“ (dem Zielort) an. Dort suchten sie eine geeignete Wohnung, die sie dann auch fanden.
Nach einem Eingewöhnungs- und Ruhetag kamen die Südlandfahrer so langsam in Urlaubsstimmung. Anderntags fuhren einige nach „Paestum“ und bestaunten viele interessante und imposante Tempel.
Dann erfuhr der italienische Wirt, dass einer seiner Gäste zu Hause politisch aktiv war. Der Italiener war ganz begeistert, einen „Politiker“ unter seinen Gästen zu haben: Sein Bruder sei ebenfalls in Neapel politisch aktiv.
Dann ging es nach „Pompeji“. Es war herrliches Wetter. An die große Katastrophe von einst erinnerten nur noch die alten – mittlerweile romantisch wirkenden- Ruinen. Aus Schutt und Asche war eine Touristenattraktion geworden.
Der Urlaub verging unter Faulenzen, Ausflügen und immer wieder Weintrinken. Beim Selbstgemachten aus „Casa Vellino“ stellte sich am nächsten Morgen fast immer Kopfschmerz ein. Dann genossen die Urlauber das milde Meer, und bei einem Besuch des Vesuvs warnte ein Einheimischer: „Vorsicht, spitze Buben!“
Schon ging es über „Rovereto“ zurück in die Heimat. Noch einmal aßen alle gut und tranken zu viel, fuhren dennoch am nächsten Tag wieder über den „Brenner“ und kamen unversehrt wieder in Deutschland an.
Von nun an gehörten vier weitere Familien aus dem Norden Europas zu der großen Schar der Italienkenner. Beim Brettern über deutsche Autobahnen Richtung Heimat grübelte Andor Stolp: „Wo waren denn die spitzen Buben gewesen? Haben wir etwas versäumt?“
(1982)