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1. Politik und Kulturgeschichte 1945–2000

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Historische Ausgangslage nach der Kapitulation

Die historische Ausgangslage nach dem 8. 5. 1945, dem Tag der Kapitulation der deutschen Wehrmacht, wies zwei besondere Merkmale auf. Zum einen war Deutschland niemals zuvor eine derartige Trümmerlandschaft gewesen, vor allem die Auslöschung der großen Städte wie Berlin, Köln, Hamburg und Dresden stellte eine neue Qualität der Zerstörung dar. Zum anderen waren die Deutschen nicht einfach militärisch besiegt worden, hinter ihnen lag ein Krieg, dessen Antriebsmotor die nationalsozialistische Weltanschauung gewesen war. Ihre ungeheuren Verbrechen ließen die Deutschen 1945 vor der Weltöffentlichkeit als ein Volk dastehen, das eine einmalige Schuld auf sich geladen hatte. Aus diesen Voraussetzungen ergaben sich einige kulturpolitische Entscheidungen der Besatzungsmächte.

Kollektivschuld-These und re-education

Die Amerikaner orientierten sich dabei an der so genannten Kollektivschuld-These, die besagte, dass alle Deutschen, die im Dritten Reich gelebt hatten, in mehr oder weniger hohem Maße persönliche Schuld auf sich geladen hätten. Aufgrund der Annahme, dass das politische Bewusstsein der Deutschen zutiefst undemokratisch und nationalsozialistisch deformiert sei, war es nur konsequent, eine demokratische Umerziehung des deutschen Volkes in Angriff zu nehmen. Zu diesem Zweck entwickelte die amerikanische Administration das so genannte re-education-Programm, das die Grundwerte demokratischen Denkens durch die Verbreitung von politischaufklärerischer Literatur vermitteln sollte. Zuständig für die re-education war die Information Control Division (ICD).

SMAD und Kulturbund

Die Sowjetische Militäradministration (SMAD) war am 9. 6. 1945 gebildet worden. Sie koordinierte und kontrollierte auch alle kulturellen Aktivitäten. In hohen Auflagen brachten die Sowjets antifaschistische und sozialistische Literatur heraus, wobei auch die Werke der deutschsprachigen Exilliteratur berücksichtigt wurden. Die SMAD initiierte die Gründung des Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands am 3. 7. 1945 in Berlin. Im August wurde Johannes R. Becher zum Präsidenten gewählt. Die im Aufbau publizierten Leitsätze des Kulturbundes stehen mit der Betonung des antifaschistisch-demokratischen Neuaufbaus denjenigen der amerikanischen re-education-Politik recht nahe. Ein wichtiges Instrument war der Aufbau der Presse. Die Neue Zeitung in der US-Zone und die Tägliche Rundschau in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) waren die Organe der Besatzungsmächte. Anfangs wurden viele Schriftsteller noch in beiden Printmedien gedruckt. Die rasche Verschärfung des Konflikts zwischen den USA und der SU führte zu einer Spaltung der deutschen Kultur. Der Kalte Krieg hatte in der BRD Restauration und geistige Erstarrung zur Folge.

Ausgangslage in Österreich

Kaum anders sah es in Österreich aus. Die Notwendigkeit, sich mit der unmittelbaren Vergangenheit, das heißt der Teilhabe an den Verbrechen des Dritten Reichs selbstkritisch auseinander zu setzen, wurde aufgrund der Moskauer Deklaration von 1943 nicht empfunden. In dieser Deklaration war Österreich als das erste Opfer des Imperialismus von Hitlerdeutschland bezeichnet worden, was natürlich nach 1945 von den Österreichern dankbar in die Präambel der Verfassung der 2. Republik aufgenommen wurde. So kann die Kontinuität, die sich zwischen der 2. Republik und dem bis 1938 existenten Ständestaat ergab, nicht überraschen. 1955 waren zehn Beiträger aus dem Bekenntnisbuch österreichischer Dichter, die den Anschluss an Deutschland begrüßt hatten, (Vorstands-)Mitglied im österreichischen PEN (vgl. Amann 1984). Man muss bei dieser Entwicklung berücksichtigen, dass Österreich durch die Verschärfung des Ost-West-Konflikts zu einem regelrechten Frontstaat geworden war. Der Antikommunismus und ein geschichtslos verklärtes ewiges Österreichertum wurden zur neuen Staatsdoktrin. Es leuchtet ein, dass unter diesen Bedingungen keine Diskussion über eine ästhetische oder auch nur weltanschauliche Orientierung entstehen konnte.

Kulturelle Paradigmen

Der stärkste intellektuelle Reiz ging in den 50er Jahren von der Existenzphilosophie Martin Heideggers aus, die mit ihrer Idee der Geworfenheit des Ichs am ehesten dem Lebensgefühl einer vom Kriegserlebnis geprägten Generation zu entsprechen schien. Die nonkonformistische Literatur der 50er Jahre fristete eine Nischenexistenz oder wurde wie Wolfgang Koeppen heftig kritisiert. Auch die Autoren der Gruppe 47 bekamen den Geist der konservativen Leitkultur zu spüren wie etwa Günter Grass 1960 im Falle seiner Auszeichnung mit dem Bremer Literaturpreis für die Blechtrommel, der der Bremer Senat die Zustimmung verweigerte. Mit Beginn der 60er Jahre machten sich aber eine kulturelle Aufbruchstimmung und politische Liberalisierung bemerkbar, wobei Einflüsse aus den USA und England (Underground) und aus Frankreich (Situationisten) katalysatorisch wirkten. Mit der Formierung der westeuropäischen Studentenbewegung gingen auch zahlreiche Impulse für das künstlerische und literarische Schaffen einher. Die Buchreihe ,edition suhrkamp‘ wurde in dieser Phase zu einer intellektuellen Plattform für gesellschaftskritische und avantgardistische Literatur. Sie ermöglichte auch die intensive Rezeption der Kritischen Theorie, die zum Paradigma einer ganzen Generation, der 68er, wurde. Das gewandelte Selbstverständnis vieler Schriftsteller, die ihre Arbeit nun mit einer politischen Wirkungsabsicht und einer gesellschaftlichen Funktion verbunden sahen, führte zu einem selbstbewussteren Auftreten, für das Heinrich Bölls Rede Ende der Bescheidenheit (1969) symptomatisch war. Der Terrorismus und die Terroristenbekämpfung in den 70er Jahren machten die Rolle des Schriftstellers als ,Systemkritiker‘ problematisch und begünstigten die Wendung zum Privaten oder zum Geschichtspessimismus. Als neue kulturelle Diskurse etablierten sich der Feminismus und die Ökologie. Seit den frühen 70er Jahren setzte ein stetig breiter werdender Strom von ,Frauenliteratur‘ ein, die mit dazu beitrug, dass der ,gender‘-Aspekt bis heute auf der politischen Tagesordnung steht. Das ökologische Krisenbewusstsein, das sich mit der politischen Anti-Atomkraft-Bewegung verband, speiste die apokalyptische Literatur der 80er Jahre. Zugleich nahm die öffentliche Diskussion über den Holocaust seit der Ausstrahlung einer gleichnamigen Fernsehserie im Jahre 1979 beständig zu. Man kann vielleicht sogar behaupten, dass sich seit dem Wendejahr 1989, mit dem die Fundierung des nationalen Selbstverständnisses auf dem Ost-West-Konflikt historisch obsolet wurde, der Holocaust als neues Paradigma der deutschen Identität etabliert hat.

Einführung in die deutschsprachige Literatur nach 1945

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