Читать книгу Einführung in die deutschsprachige Literatur nach 1945 - Jürgen Egyptien - Страница 13

2. Sonderfall Schweiz

Оглавление

Im Zeichen der Kontinuität

Hier bildete das Jahr 1945 keinen Einschnitt. Die politischen und kulturellen Rahmenbedingungen waren durch die nahtlose Fortsetzung des Konzepts der ,geistigen Landesverteidigung‘ nun unter antikommunistischem Vorzeichen geprägt. Diese Haltung zementierte in der strikten Abschottung nach außen die Idee einer quasi binneneuropäischen ,splendid isolation‘. Der Soziologe Arnold Künzli bezeichnete diese Belagerungsmentalität 1964 rückblickend als Die Neurose des Igels. Die ästhetischen Verfahren der Schweizer Literatur blieben nach 1945 noch lange in den Fesseln eines biederen Realismus und einer konservativen Formensprache. Erst Mitte der fünfziger Jahre erfolgte das Eindringen modernerer Schreibweisen in den literarischen Kerngattungen.

Zürcher Literaturstreit

Eine wichtige Zäsur im kulturellen Diskurs der Schweiz stellte 1966 die Zürcher Literaturdebatte dar. Der bekannte Schweizer Germanist Emil Staiger attackierte in seiner Rede Literatur und Öffentlichkeit die engagierte Literatur als eine ,Entartung‘, die die Freiheit der Kunst Tagesinteressen opfere, und warf der Moderne eine Sympathie für das ,Verbrecherische und Gemeine‘ vor. In den Werken der modernen Autoren wimmle es „von Psychopathen, von gemeingefährlichen Existenzen, von Scheußlichkeiten großen Stils und ausgeklügelten Perfidien“ (Staiger in Literaturstreit 1967, 93). Staiger verlangte stattdessen das „Erfinden vorbildlicher Gestalten“ und den Willen zur ,Sittlichkeit‘. Autoren wie Max Frisch und Hans Rudolf Hilty traten Staiger entgegen und kritisierten besonders die Pauschalität seines Urteils und die Antiquiertheit seiner ästhetischen Maßstäbe. Der publizistische Streit ist Symptom einer kulturellen Polarisierung, die Ende der 60er Jahre im Zeichen der internationalen Studentenbewegung auch die Schweiz erreichte. In diesen Zusammenhang gehört auch der Austritt vor allem junger Autoren aus dem Schweizerischen Schriftsteller-Verband, da ihre Forderung nach Rücktritt des Präsidenten Maurice Zermatten, der 1969 das antikommunistische und intellektuellenfeindliche Zivilverteidigungsbuch mitverfasst hatte, nicht erfüllt worden war. Diese Autoren, zu denen auch Friedrich Dürrenmatt, Adolf Muschg, Otto F. Walter und Peter Bichsel zählten, konstituierten sich 1971 als ,Gruppe Olten‘. Von Einfluss auf das literarische Leben waren später noch die Zürcher Unruhen von 1977, die Reto Hänny in Zürich, Anfang September (1981) festhielt. Eine Sonderrolle der Schweiz kann man im Übrigen auch in ihrer politischen Neutralität während der Existenz der Ost-West-Konfrontation und nach 1989 in ihrer Ablehnung des Beitritts zur Europäischen Union (EU) sehen. Trotz der Fortsetzung einer gemäßigt isolationistischen Politik ist die moderne Schweiz ebenfalls durch den Trend zu einer multikulturellen Gesellschaft geprägt.

Einführung in die deutschsprachige Literatur nach 1945

Подняться наверх