Читать книгу Einführung in die deutschsprachige Literatur nach 1945 - Jürgen Egyptien - Страница 15
4. Verlagslandschaft
ОглавлениеVerlage in den Westzonen
In den Westzonen ist anders als bei den Zeitschriften eher von einer Wiederaufnahme der verlegerischen Aktivitäten zu sprechen beziehungsweise einer Rückkehr aus dem Exil. Das gilt etwa für den S. Fischer-Verlag, der als jüdisch geführtes Unternehmen nach Stockholm gegangen war. Von ihm spaltete sich 1947 der Suhrkamp-Verlag ab, eine der wenigen Neugründungen der Nachkriegszeit. Peter Suhrkamp, der zuvor als Lektor bei S. Fischer gearbeitet hatte, konnte von Anfang an ein bedeutendes literarisches Programm präsentieren und startete 1947 u.a. mit Hermann Kasacks Die Stadt hinter dem Strom und Thomas Manns Doktor Faustus. Ich möchte im Folgenden nur die Verlage anführen, die in den Jahren 1945 und 1946 ihre Tätigkeit (wieder) aufgenommen haben. 1945 sind das die Verlage Piper, Klett, Hanser, Insel, Klostermann, Langen-Müller, Kösel, DVA (Deutsche Verlagsanstalt), Claassen & Goverts, die sich bald in zwei eigenständige Häuser aufteilten, der schon erwähnte S. Fischer-Verlag und die Büchergilde. 1946 kamen die Verlage Rowohlt, Hoffmann & Campe, Winkler, Kurt Desch und Herbert Kluger hinzu. Bis auf die beiden zuletzt genannten existieren alle diese Verlage auch heute noch.
Verlage in Österreich und der Schweiz
In Österreich nahmen 1945 der kommunistische Globus-Verlag, Tyrolia und Ullstein, der größte Medienkonzern der Weimarer Republik, der bald wieder aus Wien nach Berlin zurückkehrte, ihre Tätigkeit auf. 1946 folgten die Verlage Styria, Donau, Fritz Molden, Zsolnay, Bergland und Otto Müller. Einige österreichische Verlage hatten ihren Sitz in den Nachkriegsjahren noch in der Schweiz, so etwa der Europa- und der Rhein-Verlag. In der Schweiz existierten 1945 außerdem die Verlage Huber, Atlantis und Arche.
Verlagsprogramme
Betrachtet man die Verlagsprogramme der ersten Nachkriegsjahre, so überwiegen Autoren der Inneren Emigration wie Ernst Wiechert (Desch, Claassen & Goverts, Arche), Werner Bergengruen (Desch, Arche, Tyrolia), Elisabeth Langgässer (Claassen & Goverts), Ernst Kreuder (Rowohlt) oder Erich Kästner (Rowohlt). Auch opportunistische Mitläufer wie Erwin Guido Kolbenheyer (Langen-Müller) oder Karl Heinrich Waggerl (Insel, Otto Müller) traten wieder hervor. In den Westzonen, Österreich und der Schweiz waren es im Wesentlichen nur S. Fischer (Stefan Zweig, Lion Feuchtwanger, Franz Carl Weiskopf), Suhrkamp, Globus und der Rhein-Verlag (Hermann Broch), die sich um Exilliteratur bemühten.
Neuere Verlage
Auch nach der Konstitutionsphase des Literaturbetriebs sind selbstverständlich immer wieder wichtige Neugründungen literarischer Verlage erfolgt oder belletristische Programme bestehender Verlage eingeführt worden. Zu nennen wären etwa aus der BRD Luchterhand, Klaus Wagenbach, Rotbuch, Stroemfeld/Roter Stern, Rimbaud, Steidl, Eichborn und Antje Kunstmann, aus der Schweiz Diogenes, Ammann, Nagel & Kimche, Limmat und Lenos, aus Österreich Residenz, Droschl und Haymon, in jüngerer Vergangenheit kamen in der BRD Wallstein, Galrev, die Frankfurter Verlags-Anstalt, der Berlin-Verlag, Schöffling & Co., Dumont und C. H. Beck hinzu. Auf der anderen Seite sind natürlich auch wichtige literarische Verlage verschwunden oder haben ihr belletristisches Programm abgestoßen oder auf Massenware umgestellt. Hier wären Goverts, Artemis, Arche, Benziger, Bergland, Claassen, Langen-Müller oder Europa zu nennen.
Die größte Fluktuation besteht naturgemäß auf dem Sektor der literarischen Kleinverlage. Hier herrscht ein permanenter Kreislauf des Werdens und Vergehens, wobei aus diesem Fundus immer wieder bedeutende Autoren, manchmal gar erfolgreiche Werke hervorgehen. Insgesamt wird man freilich konstatieren müssen, dass der allgemeine wirtschaftliche Konzentrationsprozess auch die Buchbranche ergriffen hat und zur Bildung von Verlagskonsortien führt, die die Programmvielfalt beschneiden (vgl. Schiffrin 2000). Gleichzeitig dünnt der ökonomische Druck das Milieu der kleineren und alternativen Verlage aus.
Verlage in der DDR
Die Verlagslandschaft der DDR lässt sich recht leicht überblicken, weil es nur 16 Verlage gab, die über ein nennenswertes belletristisches Programm verfügten. Es waren entweder Staatsbetriebe oder partei- bzw. organisationseigene Verlage. Dies verlieh dem Verlagswesen auch seine Stabilität, freilich auch Starrheit. Der wichtigste Verlag war der Aufbau-Verlag, der das mit Abstand größte literarische Programm hatte. Hier erschienen nach Kriegsende sehr rasch viele Werke der deutschen Exilliteratur beziehungsweise neue Werke der (ehemaligen) Exilautoren. Die SED besaß den Dietz-Verlag, der Union-Verlag, in dem später Johannes Bobrowski Lektor war, gehörte der Ost-CDU, der Verlag Der Morgen der Liberaldemokratischen Partei (LDPD), der Verlag der Nation der Nationaldemokratischen Partei (NDPD). Der Verlag Neues Leben war im Besitz der Freien Deutschen Jugend (FDJ), also der Jugendorganisation der SED. Hinzu kamen als Staatsbetriebe: der VEB Hinstorff Verlag in Rostock, der vor allem Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre eine wichtige Rolle spielte, als der Lektor und Essayist Kurt Batt ihn für jüngere Autoren und damit neue Schreibweisen zu öffnen unternahm. Hier erschien etwa Ulrich Plenzdorfs umstrittener Roman Die neuen Leiden des jungen W. Weiterhin sind die in Leipzig ansässigen Verlage Reclam und Kiepenheuer zu nennen, von denen es nach 1949 auch eine Abspaltung in der Bundesrepublik gab. Bei Kiepenheuer wurden z.B. Heinrich Mann und Theodor Plievier verlegt. Schließlich sind der Greifenverlag in Rudolstadt und der Mitteldeutsche Verlag in Halle/S., der ebenfalls ein ambitioniertes literarisches Programm mit jüngeren Autoren aufbaute, zu erwähnen. Eine Besonderheit des Verlagswesens in der DDR gegenüber den Verhältnissen im Westen bestand darin, dass es die Funktion einer staatlichen Aufsichtsbehörde mit versah. Das heißt es existierte ein erheblich größerer und hierarchischer Lektoratsapparat, der die Texte weltanschaulich prüfte, was dazu führte, dass Bücher oft erst mit jahrelanger Verspätung erscheinen konnten.