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6. Literaturkritik

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Literaturkritik in der Nachkriegszeit

Die Zeit unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg bot mit ihrer breiten Zeitschriftenlandschaft gute Startbedingungen für die Literaturkritik. Manche Zeitschriften wie etwa die Deutschen Beiträge boten dabei über normale Rezensionen hinaus den Raum zu ausführlichen Detailanalysen von Neuerscheinungen. In der Nachkriegszeit erfüllte die Literaturkritik zum einen die Funktion, das deutsche Lesepublikum über die Entwicklungen in der internationalen Literatur seit 1933 zu informieren, und zum anderen, die deutsche Gegenwartsliteratur auf die sprachliche und bewusstseinsmäßige Überwindung des Nationalsozialismus zu prüfen. Die Literaturkritik gehörte und gehört fast durchweg zu den konstitutiven Bestandteilen einer Publikumszeitschrift, das heißt man findet sie nicht nur in Literatur- und Kulturzeitschriften, sondern ebenso in zahlreichen Frauenzeitschriften, life-style-Journalen oder City-Magazinen. Dominierende Kritikerstimmen der ersten Jahrzehnte nach 1945 waren etwa Friedrich Sieburg, Hans Egon Holthusen, Hans Hennecke, Karl August Horst und Karl Korn. Verkörperten sie einen eher konservativen bis liberalen Kritikertypus, ohne dass dies eine prinzipielle Ablehnung moderner und avantgardistischer Richtungen bedeuten musste, so traten ihnen bald Kritiker wie Walter Jens oder Heinrich Vormweg zur Seite, die gerade neuen Richtungen ihre Aufmerksamkeit widmeten.

Literaturkritik in der Mediengesellschaft

Bereits seit den 70er Jahren nimmt Marcel Reich-Ranicki als Kritiker eine dominante Stellung im Literaturbetrieb ein, die in den 90er Jahren ihren Höhepunkt in der monatlich ausgestrahlten Fernsehsendung Literarisches Quartett fand, in der er zusammen mit Sigrid Löffler (später Iris Radisch), Hellmuth Karasek und einem wechselnden Gast über Neuerscheinungen diskutierte. Die Beschränktheit von Reich-Ranickis ästhetischen Bewertungsmaßstäben hat der Autor und Kritiker Franz-Josef Czernin in seinem Buch Marcel Reich-Ranicki (1995) schlüssig aufgezeigt. Symptomatisch kam in dieser Kritikerrunde allerdings auch die Tendenz zur Unterwerfung der Literatur unter Modethemen zum Ausdruck. Diese Entwicklung lässt sich auch an der Literaturkritik in den Feuilletons der überregionalen Zeitungen ablesen. Sie hat nicht nur mit wenigen Ausnahmen (z.B. Neue Zürcher Zeitung) einen Terrainverlust erlitten, sondern sich häufig in eine modische ,Schreibe‘ verwandelt, die den herrschenden Kulturjargon bedient. Es ist auch ein verlässlich sich wiederholender Vorgang, dass die Literaturkritik sich auf politisch anstößige Texte stürzt und nichts zur Ausbildung eines differenzierten ästhetischen Geschmacks beiträgt. Der kritische Diskurs, der im Feuilleton nach 1989 unter dem Stichwort der ,Gesinnungsästhetik‘ (U. Greiner) über die deutschsprachige Literatur nach 1945 geführt wurde, wäre als selbstkritische Reflexion der Literaturkritiker nachzuholen. Natürlich gab und gibt es wie in der Literatur selbst so auch in der Literaturkritik unabhängige und eigenständige Stimmen wie etwa von Andreas Breitenstein, Elsbeth Pulver, Richard Reichensperger, Elke Schmitter oder Gustav Seibt. In der jüngeren Vergangenheit sind auch eigene Rezensionsorgane geschaffen worden wie etwa die Zeitschrift Literaturen, die von der österreichischen Kritikerin Sigrid Löffler nach ihrem Ausscheiden aus dem Literarischen Quartett gegründet wurde, oder die monatlich erscheinende Internet-Zeitschrift literaturkritik. de, die das neue Medium auch durch einen großen Umfang nutzt.

Einführung in die deutschsprachige Literatur nach 1945

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