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Wege und Transport
ОглавлениеDem Handel in Asien stand zu Lande wie zu Wasser eine umfassende Transportinfrastruktur zur Verfügung. Auf den beiden obersten Handelsebenen verband die legendäre Seidenstraße Ostasien mit dem Mittelmeer, ergänzt um eine „Seidenstraße der Meere“. Über den Landweg nach China (Cathay) informierte Francesco Balducci Pegolotti in seinem Handbuch La Practica della Mercatura bereits 1338 die interessierten Europäer:
„Und in Tana sollte er Turkmenen in Dienst nehmen und nicht wegen des Preises einen weniger guten dem besseren vorziehen, weil der bessere nicht mehr kostet als man sich an Vorteil durch eine größere Ausgabe verschafft; und zusätzlich zu den Turkmenen besorge er sich wenigstens zwei Gehilfen, die das Kumanische gut beherrschen. […] Der Weg von Tana nach Cathay ist nach allem, was die Kaufleute sagen, die ihn gezogen sind, bei Tag und Nacht sehr sicher, es sei denn, der Kaufmann stirbt auf dem Weg, sei es auf dem Hin- oder auf dem Rückweg; denn in diesem Fall würde alles dem Herrn des Landes gehören, in dem der Kaufmann stirbt, und ähnlich ist es, wenn er in Cathay stirbt. […] Es heißt, daß ein Händler mit einem Turkmenen und zwei Gehilfen und einer Habe von 25 000 Florentiner Goldgulden bis Cathay 60–80 Tana-Silberstücke ausgeben würde, wenn er sparsam ist; und für die ganze Rückreise von Cathay nach Tana soll er, wenn die Kosten für Verpflegung, die Löhne der Gehilfen und all die sonstigen Ausgaben berechnet, noch fünf zu dieser Summe schlagen oder auch weniger. Das Tana-Silberstück kann fünf Goldgulden wert sein. Und es heißt, der eine Wagen ist von einem Ochsen zu ziehen, und das ist der Wagen für 10 genuesische Kantar und den Kamelwagen ziehen drei Kamele, und das ist der für 30 Kantar, und ein Pferd zieht den Pferdewagen, und das ist der für 6 1/2 Kantar, gewöhnlich für Seide, das sind 250 Genueser Pfund. […] Es heißt, der Weg von Tana nach Sara sei nicht so sicher wie der übrige Weg; aber wenn man zu sechzig Mann wäre, würde man den schlimmsten Weg sicher gehen, als wäre man zu Hause. […] Das ganze Silbergeld, das die Händler mit sich führen und das nach Cathay kommt, läßt der dortige Herrscher für sich wegnehmen und in seine Schatzkammer bringen, und den Händlern, die es mit sich führen, gibt er dafür Papiergeld, das sind gelbe, mit dem Siegelzeichen des Herrschers abgestempelte Papiere. […] Und jeder im Land ist verpflichtet, das Geld anzunehmen, und obgleich es sich um Papiergeld handelt, kauft man die Waren nicht zu teuer ein.“20
Pegolotti bietet in seinem Handbuch, welches das europäische Wissen zur Zeit Marco Polos wiedergibt, die Schilderung eines sicheren Reiseweges. Für die Sicherheit sorgten die verschiedenen Herrscher, die entlang der Route ein vitales Interesse an einem reibungslosen Handelsablauf hatten. Allerdings waren unterwegs spezielle Ortskenntnisse unabdingbar, die ein einzelner Handelsreisender nicht mitbringen konnte – auch nicht mit der Practica della Mercatura in der Satteltasche. Daher gab es schon früh jene hauptberuflichen Führer, deren Dienste Pegolotti so dringend empfiehlt. Brachten sie zusätzlich organisatorisches Talent und gute Beziehungen zum lokalen Arbeitsmarkt mit, konnten sie sich als Karawanenführer verdingen und Warentransporte in Eigenverantwortung durchführen. Dies war deshalb besonders wichtig, da der Typus des einsam reisenden Kaufmannes kaum der Realität entsprach, sondern sich mehrere Kaufleute zu einer Transporteinheit, der Karawane, zusammenschlossen. Eine solche Organisationsform half die Kosten zu senken und die Sicherheit zu fördern. Daneben spielten Dolmetscher eine besonders wichtige Rolle, da die Verbindung von China nach Europa unzählige Sprachräume durchlief. Zwar reduzierte sich die Zahl der faktisch notwendigen Sprachen auf Märkten und in Karawansereien im kaufmännischen Alltag deutlich, eine einheitliche lingua franca kannte die Seidenstraße jedoch nicht.
In Asien nahm die Seidenstraße ihren Ausgang im Herkunftsland des namensgebenden Gutes. Innerhalb der chinesischen Grenzen bestand nicht nur ein homogenes, administrativ durchgesetztes Wirtschaftssystem, wie es in Pegolottis Hinweis auf das Papiergeld zum Ausdruck kommt, sondern auch ein ebenso gut ausgebautes wie weit verzweigtes Straßennetz, so dass hier von einer spezifischen Route der Seidenstraße nicht mehr die Rede sein konnte. Jenseits der Grenzen des Kaiserreichs führte die Hauptroute zunächst den Fluss Wei entlang nach Lanzhou, lief dann weiter nach Nordosten und teilte sich zur Umgehung der Wüsten Gobi und Taklamantan in eine nördliche und eine südliche Route. Daraufhin verlief sie westwärts zu den usbekischen Metropolen Samarkand und Buchara, durchquerte das iranische Hochland und führte in das Zweistromland von Euphrat und Tigris nach Bagdad und weiter über Aleppo oder Damaskus an die levantinische Küste. Allerorts blühten die Märkte reicher Handelsstädte und zweigten untergeordnete Routen von der Hauptstrecke ab. Die Seidenstraße stellte keine reine Transitstrecke dar, sondern integrierte alle umliegenden Regionen in ihr Handelsnetz. Außerhalb Chinas existierten keine ausgebauten Straße im modernen Sinne; vielmehr kannten die professionellen Führungskräfte neben den Zentren die kleineren Versorgungsstationen, die befestigten Karawansereien und die wichtigsten Landmarken, so dass sie ohne bauliche Maßnahmen einer festen Route folgen konnten. Auch in diesem Sinne stellte die Seidenstraße eher ein Netzwerk als einen konkreten Weg dar.
Die Nutzung der Seidenstraße von einem Ende zum anderen war ein kostspieliges Unterfangen, aber für die meisten europäischen Interessen im Asienhandel notwendig. Dabei schlugen vor allem die Kosten zur Absicherung des eigenen Transportes zu Buche. Dies konnte die Besoldung bewaffneter Kräfte sein, die zur Abwehr von Raubüberfällen rekrutiert wurden, und mehr noch die Abgaben, die regionale oder lokale Autoritäten für die Sicherstellung der Unversehrtheit durchreisender Kaufleute erhoben. Diese Aufwendungen wurden von Frederic C. Lane unter dem Stichwort protection costs in die Debatte eingeführt.21 Der amerikanische Wirtschaftshistoriker und Venedig-Experte weist zu Recht darauf hin, dass es vor allem die Kosten des Landweges waren, welche die Europäer auf den Seeweg nach Indien trieben, und kaum die Behinderungen des Langstreckenhandels durch islamische Fürsten.
Die Landverbindungen durch Karawanen beruhten auf der Leistungsfähigkeit von Tieren. Auf der Seidenstraße dominierten Kamele als Lastenträger, wobei im Osten die robusteren zweihöckrigen Trampeltiere, im Westen hingegen die einhöckrigen Dromedare zum Einsatz kamen. Daneben spielten Esel eine große Rolle, die den Kamelen in Wüstentauglichkeit und Belastbarkeit kaum nachstanden. Für schwierige Gebirgspassagen griff man zudem gerne auf Maultiere zurück, im Umfeld des Himalaya auch auf Yaks. Alle anderen grundsätzlich für das Tragen von Lasten geeigneten Tiere waren für die langen Strecken durch Wüste, Steppe und Gebirge weitaus weniger geeignet und kamen nur in Ausnahmefällen zum Einsatz.
Dies bedeutete jedoch nicht, dass Pferde, Ochsen oder Elefanten nicht im Rahmen kleinerer Transportnetzwerke mit geringerer Reichweite Verwendung fanden. Landgestützte Transportwege für Exportgüter existierten schließlich auch auf der dritten Handelsebene, beispielsweise für Pfeffer in Indien oder Tee in China. Hier kamen neben Tieren häufig auch menschliche Träger zum Einsatz. Von besonderer Bedeutung in diesem Bereich waren allerdings die unzähligen Flussläufe Asiens. In China wurde die Versorgung Kantons mit Exportwaren vornehmlich über den Zhu Jiang (Perlfluss) sichergestellt; der in Borneo gewonnene Pfeffer fand über das dichte Netz von Urwaldflüssen seinen Weg in die Häfen von Banjarmasin, Sukadana oder Brunei. Schließlich war auch der in Zentral- und Westasien – und auf Booten sogar im maritimen Südostasien – weit verbreitete Nomadismus als Transportnetzwerk von Bedeutung. Dies galt nicht nur für Waren aus eigener Herstellung, die in der Regel mit Viehwirtschaft und Pferdezucht – oder bei Seenomaden mit Fischfang – zusammenhingen, sondern auch für zusätzliche Einkünfte, die Nomadengruppen für die Mitnahme fremder Waren zu Handelsplätzen, die sie im eigenen Interesse sowieso besuchten, gerne in Anspruch nahmen.
Die alte maritime Tradition Asiens bedingte eine wichtige Alternative zur ruhmreichen Seidenstraße, die nur in der allgemeinen Wahrnehmung eine untergeordnete Rolle spielte. Ein großer Teil der auf den oberen Ebenen gehandelten Waren wurde auf dem Seeweg transportiert. Auch in Richtung Europa war diese Möglichkeit bereits im Mittelalter von Bedeutung, wenn auch aufgrund fehlender Zugänge vom Indischen Ozean zum Mittelmeer noch indirekt. Als Gegenstück zur Landroute kann also durchaus zu Recht von einer „Seidenstraße der Meere“ gesprochen werden. Ihre Route nahm ihren Ausgang in den chinesischen Seehäfen, verlief entlang der chinesischen, vietnamesischen und malaiischen Küste zur Straße von Malakka, von dort nach Bengalen und die indischen Gestade entlang bis zum Indusdelta. Dort teilte sie sich in zwei Hauptrichtungen, die in den Persischen Golf oder ins Rote Meer führten. Anders als die späteren Routen der europäischen Kompanien verlief dieser Seeweg stets in Küstennähe, konnte jederzeit unterbrochen werden und band wie die landgestützte Seidenstraße die angrenzenden Märkte in den Warenaustausch ein.
Die komplizierten Windverhältnisse, die Vielfalt der Küsten, ihrer Häfen und Seeverbindungen sowie die unzugänglich anmutenden Archipele aus Korallen- oder Vulkaninseln brachten es mit sich, dass Seereisen ohne spezielle Ortskenntnisse kaum sicher durchzuführen waren. Als Vasco da Gama den Portugiesen 1498 endlich den Seeweg nach Asien öffnete, war er für die Überfahrt von Ostafrika nach Indien auf einen indischen oder arabischen, auf jeden Fall muslimischen Lotsen angewiesen. Gerade in den häufig unübersichtlichen Gewässern Südostasiens stellten professionelle Navigatoren einen reibungslosen maritimen Handelsverkehr sicher. Von ihrer Tätigkeit sind umfangreiche Handbücher und Segelanweisungen in chinesischer und arabischer Sprache überliefert, die den Kenntnisreichtum und die Professionalität des asiatischen Lotsenwesens belegen.22
Nicht nur auf dem Landweg, sondern auch zur See entstanden so Transaktionskosten für den Warentransport. Die Herrscher der unentbehrlichen Hafenstädte an den großen Routen strebten nach Einnahmen, ortskundige Lotsen oder Schiffsführer kosteten Geld und wahrscheinlich war die Sicherheit ein noch größeres Problem als auf den Karawanenrouten. Die Piraterie in asiatischen Gewässern ist bis heute ein schwerwiegendes Problem; je unübersichtlicher eine Meeresregion war und ist, desto größer das Risiko. Kleinere Transporteinheiten waren Piraten hilflos ausgeliefert, weswegen eine bewaffnete Handelsseefahrt zumindest für Unternehmungen mit großem Kapitaleinsatz unabdingbar erschien – und zum Charakteristikum der Ostindien-Kompanien wurde.
Bereits vor dem Eintreffen europäischer Schiffe hatten sich jedoch auch asiatische Werften auf die Erfordernisse des maritimen Langstreckenhandels eingestellt. Der auffälligste Schiffstyp in diesem Bereich war die chinesische Dschunke, welche die unterschiedlichsten Tonnagen und Mastzahlen aufweisen konnte. Ihre größten Vertreter verfügten über eine Transportkapazität, Bemannung und Bewaffnung, die in Asien einmalig und zumindest den Zahlen nach den europäischen Ostindienfahrern ebenbürtig war. Erst den hochmodernen Kriegsschiffen aus Europa waren sie nicht mehr gewachsen. Ein anderer prägender Schiffstyp war die arabische oder indische Dhau, ein Langstreckensegler, der sich durch sein charakteristisches Lateiner- oder Dreiecks-Segel auszeichnet. Schiffe dieser Art waren an allen Küsten und auf allen Routen des Indischen Ozeans anzutreffen. Allerdings waren sie weitaus weniger wehrhaft als ihr chinesisches Gegenstück, wenn auch wendiger. Von Kultur zu Kultur kamen darüber hinaus unzählige kleinere Schiffstypen zum Einsatz, über die hier nicht einmal ein Überblick gegeben werden kann. Sie wiesen die unterschiedlichsten Transportkapazitäten auf und waren in hohem Maße an die jeweils regionalen Verhältnisse angepasst. In der Regel waren sie kaum bewaffnet, hatten also im Zweifelsfall einer gewaltsamen Handelsexpansion nichts entgegenzustellen. Andererseits waren die meisten ausgezeichnet für die Fahrt auf Flüssen geeignet und verfügten insofern über einen Vorteil, der auch gegenüber den großen europäischen Fahrzeugen Bestand hatte. Die Ostindien-Kompanien konnten sich im nautischen Bereich also nie alleine auf ihre militärtechnische Überlegenheit verlassen.