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Zwischen Hansch und Potofski

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Man schreibt ein Buch. Man schreibt es nicht mal. Man gibt’s heraus. Man ist in der Talkshow. Und dann in noch einer.

Der Fußballmedialbagage und ihren Darbietungen widmeten sich zwei Titel, für die ich als Co-Herausgeber bzw. Co-Autor geradestand und -stehe, Wieder keine Anspielstation und So werde ich Heribert Faßbender, und sofern die Hauptvertreter des Fernsehunheils verstanden, daß die Autoren für Besinnung und Zurückhaltung plädiert hatten, machten sie freilich weiter, als sei nichts gewesen.

Genaugenommen war ja auch nichts gewesen, denn die an Wahn grenzende Annahme, es ließe sich irgend Einfluß nehmen aufs laufende Geschäft, gereicht der Polemik selten zum Vorteil. Irgendwann kommt dessenungeachtet jedoch die Zeit, da man endlich dabeisein darf. Sie bietet unsereinem eine Chance, wie sie das Leben selten bereithält: Buch hochstemmen, Buchtitel ausplaudern, den Spottpreis nennen und mit Verkaufszahlen prahlen.

Im März 1996 ruft das DSF zum sonntäglichen Journalistenfrühschoppen, zu Doppelpaß, dem Warsteiner-Fußballstammtisch. Ehre und Ruhm vor Augen, fliege ich hin und treffe auf einen attackierlustigen, schelmischen Werner Hansch, der mich u. a. des Jungzynikertums bezichtigt und behauptet, ich sei ein »Lümmel«. Was man sich nicht alles sagen lassen muß! Doch der Mann hat recht und soll von Kollege Holzschuh (kicker-Chefredaktion) nochmals recht bekommen und Flankenschutz erhalten.

Doppelpaß reicht bisweilen ans Parodistische heran, liegt seltsam quer zur allgemeinen aufgescheuchten Talkperformance und bietet wenig Raum für bedingungsloses Krakeelen und Greinen. Moderator Rudolph Brückner verhält sich freundlich, nimmt insonderheit die Fraktion der Großsprecher zuweilen nicht allzu ernst, gaukelt weder Einfühlungsvermögen noch gieriges Interesse vor und gibt zu erkennen, daß Fußball wohl schwerlich zu den fünf beachtlichsten Weltgeschehnissen zählt. Werner Hansch, durch ran als Vielschwatz zu zweifelhaftem Ansehen gelangt, tritt nach der Show respektvoll und liebenswürdig in Erscheinung und stellt unter Beweis, daß zuhören kann, wer auf einen Artgenossen trifft. Ähnliches gilt für Jörg Dahlmann.

Warum man allerdings just auf der Talkshowtribüne die journalistische Verwertung des Fußballs meint verhandeln zu müssen, bleibt rätselhaft. Möglicherweise sind Spartenkanäle, denen die Segnungen der Erstrechte verwehrt bleiben, gezwungen, sich als Medien zu präsentieren, die die Reflexion dulden oder – kultivieren. Gegen ein solches Kalkül aber spricht die Hegemonie der symbolischen Vermittlungen, die unter dem Begriff »Diskussionskultur« zusammengefaßt sind. Während ran keine Skrupel vor dem hemmungslosen Starsystem mehr kennt und die eigenen Moderatoren unablässig ins Rampenlicht rückt, dominieren auch andernorts Gekäse und Gekrähe, zumal in Häusern des Springer-Kirch-Agglomerats, etwa im DSF.

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Ulrich Meyer von Sat.1 hat die Hinterlist und die Raunzsucht im deutschen Fernsehen salonfähig gemacht. Wie er bereits hinreichend eingeschüchterten oder hinlänglich aufgepeitschten Gästen zusetzte, als gelte es, die Abschaffung standrechtlicher Erschießungen medial zu kompensieren, bleibt bis heute unübertroffen. Der Heiße Stuhl, wahrscheinlich lediglich vorläufiger Höhepunkt des dauerhaft zu etablierenden Formats der combat talk show, mußte scheitern, um aufzuerstehen – dort, wo die Schlafmützigkeit augenscheinlich ihren angestammten Ort hat, im DSF, bei Offensiv! Streit live.

Kein Fernsehkritiker dürfe seine Gegner jemals kennenlernen, befiehlt ein ungeschriebenes Gesetz. Trotzdem ging ich auch da hin. Mitnichten würden jedoch einige zentrale Thesen aus Wieder keine Anspielstation diskutiert, hieß es während einer offenbar unentbehrlichen strategischen Vorbesprechung, hier solle, au contraire, dazwischengefunkt und möglichst spektakulär der Widerpart in die Zange genommen und sowieso Stammtischniveau erreicht werden, denn das Motto der Sendung vom 21. Mai 1996 lautete ja zweifelsfrei: »Stoppt die Schönfärberei!«, eine These, der ich zustimmte und die ich zu vertreten gedachte. War ich eigentlich noch zu retten?

Daß in Offensiv! Streit live ein Wort das nächste gibt, hätte ich dann schließlich genauso wissen können. Einer tritt, siehe Der Heiße Stuhl, gegen viere an, einer war ich. Der ehemalige Wrestling-Hallenshouter Oliver Dütschke briefte mich vor dem Startschuß, als gehe es um Leben und Tod, der Rest spielte sich ab, wie es die Gepflogenheiten des rasanten Talks verlangen. Einen Dummkopf rufe man den, der hinterher Klage führt.

Wenigstens opponierten mir zwei Fernsehprofis, die nicht die verlogensten sind: neuerlich Jörg Dahlmann und Ulli Potofski. Sie gaben weder die »Anwälte des Zuschauers«, noch fuhren sie mir, dem die Rolle des einsamen Krakeelers und Arschgesichts zukam, übertrieben forsch an den Karren. Ich teilte freilich ganz gut aus. Allerdings reichen immer zwei, um einem das Leben in der Talkshow zu versauen. Läßt man sich von Jörg Dahlmann die eigenen Redebeiträge durchaus als »hochgradigen Schwachsinn« einstufen und Ulli Potofskis Plädoyers für einen »menschlichen Umgang« mit Beckmann und Wontorra friedfertig passieren, so kläfften DSF-Programmdirektor Kai Blasberg und die kokette Elisabeth Volkmann, bis Verzweiflung zu obsiegen schien. »Sie haben noch nichts Substantielles gesagt«, urteilte Herr Blasberg nach acht Minuten, Frau Volkmann ergänzte: »Konstruktive Kritik bitte, Herr Roth! Das ist ja wie bei der SPD, die kritisiert auch immer, hat aber keine Alternativvorschläge.« Denn höre, Herr Blasberg wußte dito dies: »Das ist ja in der deutschen Linken wohl gang und gäbe – immer alles miesmachen wollen!« Da waren sie eins, da waren sie Bruder und Schwester.

Wie bei der SPD fühlte ich mich mittlerweile tatsächlich, nur: Was hatte ich eigentlich gesagt? Daß Fußball im ran-Format nicht mehr genießbar, daß die Kommentatorenkunst auf den Hund … – »Der Professor Adorno in Frankfurt«, fiel mir ein, »hat immer …«, doch Blasberg war erneut schneller und hielt einem, den er, verstünde es sein taubes Publikumsvolk, am liebsten Wiesengrund rufen würde, posthum zugute: »Ja, ja, der mußte kommen, der mußte kommen.«

Irgendwann blökte ich, schändlich der Stallorder gehorchend, identisch retour, bloß der unerwartet fair und mit Fingerspitzengefühl für heikle Gesprächsmomente agierende Moderator Kai Stecker konnte mich vor rabiat unbedachten Äußerungen bewahren. Schließlich sprang mir der TED bei, weshalb, das weiß der Kuckuck. Mit glatter Zweidrittelmehrheit siegte ich bundesweit und bis nach Österreich hinein. »Der Fußball leidet unter der Show«, und ich belobigte mich insgeheim, den Höllenkreis, der Talkshow heißt, glimpflich durchschritten zu haben.

Gelegenheit fand ich, während die Diskursschlacht tobte, immerhin, darüber zu sinnieren, wieso meine Kontrahenten an pfeilförmigen Tischen aufgereiht worden waren, ich aber hinter einem runden Pult stand.

Man fragt sich so was. Und übrigens: Das Catering ist nicht übel.

Fußball! Vorfälle von 1996-2007

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