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Und das Dorf klagte einmal mehr

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Natürlich, sagte der ältere Mann, müsse man sonntags, am Nachmittag, hinaus zum Fußballplatz gehen, wolle man richtigen Fußball sehen, Fußball, der mit Einsatz, mit dem dieser Sportart eignenden Biß, mit Leidenschaft betrieben werde. Wenn die Leidenschaft fehle, brauche er sich ja gar keinen Fußball anzusehen, da könne er sonntags auch gleich zu Hause bleiben und einen Sonntagnachmittagsfilm schauen, erklärte mir der Mann.

Am Rande des Dorfes lag der Platz des TSC. Hinter ihm erstreckten sich Äcker und Wiesen. Man blickte, über den gepflegten Rasen hinweg, gelehnt an ein rotes Geländer, auf vereinzelte Kiefernwälder. Hundert, manchmal zweihundert Zuschauer säumten das Feld. Vor der Turnhalle des Sportkomplexes konnte man Bier kaufen. Man grüßte, man plauderte, und man kannte die Aufstellung, weil sie der Trainer am Abend zuvor im Wirtshaus verraten hatte.

Das würde wohl wieder nichts werden, war die verbreitete Meinung, der Abstieg sei schon zur Saisonmitte praktisch besiegelt. Selbst die Bruckdorfer hätten mehr Elan, mehr Pfiff. Wohin das führen solle. Seit ewigen Zeiten in der vierten Liga, und jetzt gehe es noch weiter hinab. Das werde nie mehr was, das könne man eigentlich vergessen und vor dem Anpfiff abhaken.

Diese Wurst schmecke besonders gut, sagte der Mann neben mir, die habe er gestern, am Samstag, kurz vor eins noch schnell beim Metzger Neukam geholt und dann daheim in den Kühlschrank gelegt, und seine Frau, sagte der Mann, die immer nach dem Geld schaue, habe ihm kurz vor dem Spiel die noch ganz frische Wurst hier zu diesem Weck in die Tüte gesteckt und mitgegeben, denn er könne zwar hier, auf dem Fußballplatz, freilich auch sich eine Wurst kaufen und einen Weck und beides während des Spiels, während der ersten Halbzeit genaugenommen, verspeisen, und wahrscheinlich stamme diese Fußballplatzwurst hier wahrscheinlich auch vom Neukam oder sogar vom Konkurrenten Ströbel und schmecke daher so oder so nicht schlecht, aber ob diese Wurst vom Neukam geliefert worden sei oder eben, was er sich kaum vorstellen könne, vom Ströbel, das mache ihm, der sich seine Wurst von daheim mitbringe hierher zum Fußball, nichts aus, denn den Aufschlag von fünfzig Pfennigen müsse er weder dem Neukam noch dem Ströbel, wem und wie auch immer, in den Rachen schieben. Es sei doch ein leichtes, sich seine eigene Wurst, schön eingepackt in ein sauberes Butterbrotpapier und eine braune Papiertüte vom Bäcker Hammon, der sicherlich die wohl besten Wekken des ganzes Dorfes führe, Mohn, Sesam oder ohne alles, sich diese für die erste Halbzeit vorgesehene Wurst selber mitzubringen, zur Stärkung, verstehe sich.

Denn erwartungsgemäß beginne die Heimmannschaft immer recht stürmisch, komme gut über beide Flügel, mit anfänglich, etwa in den ersten zwanzig Minuten, präzisen Flanken, erarbeite sich etliche Chancen, auch wenn es mit dem Abschluß meist durchaus nicht klappen wolle, und die Offensive entlaste so den traditionell anfälligen, ja schwachen Viererabwehrblock, aber spätestens nach Wiederanpfiff gerate die ganze Mannschaft ins Schwimmen und wakkele bedenklich, und dann müsse er, sagte der Mann, sich schon gestärkt haben, um das nervlich überhaupt durchzustehen. So eine Wurst, bis die ihre stärkende Wirkung entfalte, so eine Wurst müsse ja erst mal den angestammten Weg nehmen und verdaut werden, bis die wertvollen Inhaltsstoffe dieser sehr guten Wurst hier vom Neukam wirkten und er die Strapazen der zweiten Hälfte dann auch ertragen könne.

Nun rannte sich der Neumeister Bernd bei einem der wenigen Angriffe des TSC wieder fest, und die Schwabacher drückten. Die grätschenden, heftig schnaubenden Spieler wirkten vollkommen irreal, überwirklich greifbar. Sie riefen Kommandos, und jeder konnte sie hören. Auch riefen Zuschauer Ratschläge auf den Platz herein, und bisweilen blickte einer der TSC-Männer in die Richtung besonders lauter Hereinrufer.

Keeper Weiland rettete in höchster Not. Das Dorf schrie, klagte, jammerte und schimpfte, die Männer in meiner näheren Umgebung schwitzten, fluchten und winkten ab. Viel Bier wurde schon jetzt, kurz nach vier, getrunken, zur Kühlung der erhitzten Gemüter, und der Zapfer mit der grünen Lederschürze machte einen zufriedenen Eindruck und gab jedem, der sein helles Bier kaufte, ein paar aufmunternde, tröstende Worte mit auf den Weg, noch sei das Spiel ja nicht zu Ende, und in zwei Wochen, die Hersbrucker, die werde man sicher wegputzen und dann wieder ein wenig hinaufklettern in der Tabelle. So der Bierzapfer am Rande des Fußballplatzes.

Wenn es denn beim Nullnull bliebe, könne und müsse man zufrieden sein, sagte der Mann neben mir. Jetzt wolle er sich eine zweite Wurst gönnen und diese rasch verdrücken, ausnahmsweise, sagte der Mann und ging hinüber zur mobilen Wurstbraterei, die auch kalte Bratwurst feilbot.

Fußball! Vorfälle von 1996-2007

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