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Wicherns Leben und Werk

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Peter Meinhold, * 1907, † 1981, war von 1936 bis 1975 Theologe und Professor für Kirchengeschichte an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel. Ende der 1950er Jahre forschte er zusammen mit seinem Assistenten Manske (†) im Archiv des Rauhen Hause und veröffentliche 1958 eine mehrbändige Gesamtausgabe aller Schriften Wicherns. Er urteilt über Wichern:

Johann Hinrich Wichern ist bekanntlich der ‚Herold’ der Inneren Mission, d. h. ihr eigentlicher Anreger und Organisator für das kirchliche Handeln in den verschiedensten Bereichen des sozialen Lebens. In seinem umfangreichen Lebenswerk hat er der evangelischen Christenheit zahlreiche neue Antriebe vermittelt und die Motivationen für ein neues Handeln der Kirche niedergelegt. Wichern hat als erster erkannt, dass die Gesellschaft der Neuzeit eine Massengesellschaft ist, in der nur das korporative Handeln der Kirche soziale Auswirkungen hat. Die von ihm ins Leben gerufene ‚Innere Mission’ sollte eine gesellschaftliche Erneuerung in allen Schichten der Bevölkerung herbeiführen und ein korporatives Wirken angesichts der bedrängenden Nöte der Zeit bewirken, damit aber auch zu einer Einlösung des Glaubens durch die Werke der Liebe werden. Schon der junge Wichern hat für die Abhilfe der ihn bedrängenden Nöte der Zeit durch die praktische Tat gesorgt. So ist er durch die Begründung des Rauhen Hauses der äußeren und inneren Verwahrlosung der Jugend entgegentreten. In den Gehilfen des Rauhen Hauses ist dabei eine Brüderschaft herangewachsen, die er in die vielfältigen diakonischen Dienste, wie sie die Zeit erforderte, eingeführt hat. Zu den bleibenden Werken Wicherns gehört die Gefängnisreform, die eine Umstellung des Strafvollzuges von der Massenhaft auf die Einzelhaft gebracht hat. Sie führte auch zu einer Erneuerung des Gefängnispersonals, für das Wichern Kräfte aus der Brüderschaft des Rauhen Hauses und des Evangelischen Johannesstifts in Berlin genommen hat, die in menschlicher und fachlicher Hinsicht auf diesen Dienst vorbereitet waren. Das letzte Ziel der Gefängnisreform war die Resozialisierung der Gefangenen und ihre Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Damit verfolgte er das gleiche Ziel wie in der Erziehung und gesellschaftlichen Reintegration der Jugend, für die er im Rauhen Hause das erste Modell der nach dem Familienprinzip aufgebauten Heimerziehung geschaffen hat. So ist Wichern der große Sozialreformer und Sozialpädagoge aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, den die evangelische Kirche hervorgebracht hat. Viele moderne Gedanken über die Erziehung, über Arbeit, Verdienst, Freizeit, Entlohnung, soziale Sicherung und Altersversorgung hat Wichern zuerst gedacht und sie in seinen zahlreichen Schriften begründet und immer weiter ausgebaut.

Peter Meinholds Gesamtausgabe ist ein kirchengeschichtliches Ereignis, weil sie nicht nur Person und Werk Wicherns in einem neuen Lichte sehen lässt, sondern auch deutlich macht, wie wenig die Kirche des 19. Jahrhunderts den geistigen Anregungen Wicherns zu folgen vermochte und wie groß die späteren Generationen hinterlassene Aufgabe ist, dieses Werk mit seinen sozialethischen, aus dem Glauben kommenden Begründungen in ihre Zeit zu übertragen und umzusetzen.


Johann Hinrich Wichern - Herold der Barmherzigkeit

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