Читать книгу Seelsorgelehre - Jürgen Ziemer - Страница 21
2.2Wandlungen des Seelsorgeverständnisses
ОглавлениеEine wirkliche „Geschichte der Seelsorge“ kann hier nicht dargeboten werden. Sie ist bisher ohnehin nur in Ansätzen geschrieben worden.26 Vom Genus her ist gar nicht klar, was da hineingehört. Seelsorge und Seelsorgelehre lassen sich nicht so einfach voneinander trennen. Einen formal definierten Seelsorgebegriff gibt es für die Alte Kirche so wenig wie für das Neue Testament. Was Seelsorge ist, lässt sich für die einzelnen Epochen, vor allem der älteren Kirchengeschichte, nicht so klar sagen. Predigt und Katechumenat sind eindeutigere Handlungsfelder. So sind notgedrungen bei einer geschichtlichen Darstellung von Seelsorge ganz unterschiedliche Genera interaktiven Glaubensvollzugs im Blick: religiös-sittliche Erziehung, Spiritualität, Dienste der Liebe, pastorales Handeln in der Gemeinde, apologetische Auseinandersetzung. Und es müssen sehr unterschiedliche Sorten von Quellentexten herangezogen werden: aszetisches Schrifttum, Briefe, Schriftauslegungen, geistliche Betrachtungen, pastoraltheologische Traktate usw. Wie tatsächlich Seelsorge getrieben wurde, von Mensch zu Mensch, ist uns im Grunde wenig bekannt. Verbatims von Seelsorgegesprächen gibt es erst in der Neuzeit. Sehr interessante Einblicke in die Seelsorgegeschichte bieten Einzelporträts in der von Christian Möller herausgegebenen „Geschichte der Seelsorge“27. Da wird Seelsorge jeweils im Kontext einer Biographie und eines Lebenswerkes konkret und kohärent dargestellt. Aber es kommt dadurch natürlich noch kein Epochenbild zustande. In unserer unvermeidlich sehr gedrungenen und eklektischen Darstellung wollen wir versuchen, jeweils eine charakteristische Inhaltbestimmung für einen Zeitabschnitt zu formulieren und dieser Einzelaspekte zuzuordnen. Wir gehen dabei von der Hypothese aus, dass jede Epoche einen für das Gesamtverständnis von Seelsorge wichtigen Teilaspekt besonders betont hat. Keiner dieser Teilaspekte ist nur Vergangenheit. Ihre genaue Wahrnehmung kann die Augen öffnen für vergessene oder unterbetonte Aspekte unserer Seelsorge und Seelsorgelehre von heute. Ohne gewisse Vergröberungen geht es dabei nicht.