Читать книгу Zerrissen - Das Böse in mir - J.S. Ranket - Страница 7
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ОглавлениеBlöderweise erwischte mich Riley Warren noch in der Umkleide. Mein eins achtzig großer Kumpel stammte aus einem kleinen Kaff in Iowa, war Runningback unseres Footballteams und als solcher für die entscheidenden Punkte verantwortlich. Fast spielerisch trickste er dabei seine Gegner aus oder walzte sie einfach nieder, bevor er den Ball unter dem frenetischen Jubel der halben Uni in einen seiner berüchtigten Touchdowns verwandelte.
„Geile Zeit“, stieß er anerkennend hervor. Dann schickte mich sein freundschaftlicher Stoß in den Rücken fast auf den gefliesten Boden.
Gegen Ende meines Trainings hatte ich noch einen kurzen Sprint hingelegt, den Riley offensichtlich gestoppt hatte.
„Da können die Typen von Harvard nicht mithalten“, fügte er aufgeregt hinzu.
„Mit einem gebrochenem Rückgrat wird das allerdings nichts“, bremste ich seine Euphorie und ließ prüfend die Schultern kreisen.
Anschließend schlüpfte ich schnell in meine Klamotten, schnappte meine Tasche und schob Riley, bevor er noch mehr Unheil anrichten konnte, bestimmt in Richtung Ausgang. Trotzdem schaffte er es irgendwie, einen kurzen Blick in die Kabine der Frauen zu werfen. Als Antwort auf sein pubertäres Glotzen flog ihm eine Sekunde später ein nasses Handtuch um die Ohren.
„Die sind aber auch ein bisschen verklemmt“, stellte er beleidigt fest.
„Die Mädels sind nicht verklemmt“, ergriff ich grinsend Partei für die Handtuchwerferin, „du bist nur nicht über das Kindergartenalter hinausgekommen.“
Jetzt grinste auch Riley.
Wir waren inzwischen in der herbstlichen Sonne angekommen. Ich stellte meine Sporttasche schwungvoll auf eine der zahlreichen Bänke, die die verschlungen Wege des Sportkomplexes säumten, kramte die Flasche mit meinem Iso-Drink hervor und trank einen großen Schluck. Neben den ehrwürdigen Gebäuden mit ihren riesigen Portalen und den typischen Backsteinfassaden, wirkte die moderne Anlage wie ein Raumschiff, das in einer mittelalterlichen Burg gelandet war.
„Dafür haben wir uns für deine Aufnahme übermorgen auch etwas ganz Besonderes einfallen lassen“, raunte Riley mir verschwörerisch ins Ohr.
Er war unter anderem auch der Sprecher von Kappa Iota Kappa, einer der Studentenverbindung, die sich traditionell – und aus mir nicht nachvollziehbaren Gründen – mit griechischen Buchstaben bezeichneten. Diese so genannten Fraternities waren ursprünglich elitäre Zirkel, in denen die Studenten über den Sinn des Lebens philosophierten und ihre Professoren an den Wochenenden zu einem gepflegten Brandy einluden. Leider entwickelten sie sich dann nach und nach zu wilden Saufclubs. Mit viel Sex, noch mehr Drugs und Rock’n Roll.
Genau wie die Aufnahmerituale.
So war es noch eher harmlos, wenn die Anwärter sich bis zur Besinnungslosigkeit betrinken mussten. Oder nackt und nur mit einer Papiertüre über dem Kopf, die schwachsinnigsten Aufgaben zu bewältigen hatten. Aber häufig endeten solche Prüfungen auch in der Notaufnahme.
Zum Glück hatten bereits Rileys Vorgänger beschlossen, sich nicht mit noch dämlicheren Einfällen von den anderen Bruderschaften abzuheben. Seitdem bestand Kappa Iota Kappa fast nur noch aus den vielversprechendsten Athleten der Uni-Mannschaften. Denn der Hochschulsport genießt in den Staaten einen ähnlichen Stellenwert, wie in Europa eine Profiliga. Mit millionenschweren Werbeverträgen und der Übertragung von Wettkämpfen zur besten Sendezeit.
Die ehemaligen Mitglieder, die nach ihrem Abschluss zu Politikern oder Firmenbossen aufgestiegen waren, sponserten außerdem sehr großzügig ihre Fraternities und damit auch die ganze Uni. Deshalb glichen die meisten Verbindungshäuser auch eher pompösen Villen als Studentenwohnheimen.
Nur ohne ein bisschen Nostalgie ging es auch bei Kappa Iota Kappa nicht. Allerdings beschränkte sich die Initiationszeremonie auf wenig demütigende Rituale. Wie zum Beispiel im Kopfstand drei doppelte Jack Daniels trinken.
Im Gegensatz zu den Amerikanern, die ja meist erst mit einundzwanzig Jahren ihre ersten hochprozentigen Erfahrungen machten, hatte ich meine Sturm-und-Drang-Zeit schon hinter mir. Und war auch ein paar Mal knapp an einer Alkoholvergiftung vorbeigeschlittert. Demnach sollten eigentlich einige Whiskeys kein allzu großes Problem darstellen. Trotzdem machte mich Rileys seltsame Ankündigung von etwas Besonderem irgendwie stutzig.
„Und was soll das jetzt heißen?“, wollte ich neugierig wissen.
Die Jungs von Kappa Iota Kappa hatten mich ja förmlich genötigt, ihrer Verbindung beizutreten – nachdem ich eine neue Bestzeit über hundert Yards aufgestellt hatte. Meine sportlichen Leistungen hatten auch mit großer Wahrscheinlichkeit dazu beigetragen, dass ich eine sogenannte Full Scholarship erhielt und nicht jedes Jahr den Gegenwert einer Oberklassenlimousine berappen musste. Sondern nur ein paar tausend Dollar.
Aber auch dieser Betrag lag knapp an der Machbarkeitsgrenze. Marlene musste meinen Vater bereits während meines ersten Semesters schweren Herzens in ein Pflegeheim geben, weil er ab diesem Zeitpunkt eine professionelle Betreuung benötigte. Und die Kosten dafür nagten schon sehr an unseren Rücklagen.
Riley kicherte wie das Rumpelstilzchen und klopfte mir beruhigend auf die Schulter.
„Keine Sorge, Alter“, fuhr er fort, nachdem er sich wieder beruhigt hatte. „Das wird absolut geil.“ Dann schaute er sich prüfend um und machte eine dramatische Pause. „Die anderen killen mich, wenn sie erfahren, dass ich dir das verrate.“
„Ja, was denn?“, forderte ich ungeduldig.
„Du bist nicht allein“, ließ er mich wissen.
„Sondern …?“
„… zusammen mit Jenna Faulkner“, ergänzte Riley mit großen Augen.
Ich war sprachlos.
Normalerweise herrschte in den Verbindungen strenge Geschlechtertrennung, aber die Mädels von Gamma Phi Alpha, dem weiblichen Gegenstück der Kappas, hatten ein Auge auf Jenna geworfen. Die hochgewachsene texanische Fechterin war heiße Kandidatin für den Olympiakader und bildhübsch. Mit ihr würde ich mich sogar auf einer einsamen Insel aussetzen lassen.
„Dass wir etwas zusammen machen, bedeutet aber nicht …?“, versuchte ich, Riley noch ein paar Informationen zu entlocken.
„… es bedeutet nur, dass ihr zusammen eine Aufgabe erfüllen müsst“, gab er mit einem geheimnisvollen Unterton zurück. „Aber genau genommen stammt die Idee von Kalyn.“
„Kalyn van Leeuwen?“, hakte ich skeptisch nach.
Sie war die Sprecherin der Gammas, eine exzellente Springreiterin und gab in einem Märchen sicher eine hervorragende böse Stiefschwester ab. Wenn die nette Jenna dann irgendwann in den Himmel kam, hatte Kalyn garantiert den Teufel schon lange um den Finger gewickelt und schlürfte mit ihm ein paar eiskalte Mojitos an einem tropischen Strand. Von mir aus könnte sie glatt mit auf die einsame Insel kommen.
„Ja klar“, bestätigte Riley, „welche denn sonst?“ „Die Mädels haben schon vor ein paar Wochen den Vorschlag gemacht, unsere Halloween-Partys zusammenzulegen. Und Kalyn meinte, dass ihr zwei ja dann der Höhepunkt des Abends sein könntet.“
„Wenn ich mich zum Affen machen muss, dann kannst du dich schon mal von deinen Schneidezähnen verabschieden!“, kündigte ich gespielt aggressiv an.
Aber eigentlich waren meine Befürchtungen unbegründet, schließlich wollten sie uns ja in ihren Verbindungen haben. Also würde wahrscheinlich nur ein albernes Partnerspiel auf uns warten.
„Jetzt lass mal nicht das Weichei heraushängen!“, wiegelte Riley ab und hob beruhigend seine Hände. „Das wird dir gefallen.“
„Das hoffe ich für dich“, gab ich grinsend zurück, während ich ihm freundschaftlich auf den Brustkorb boxte.
„Na dann …“ Riley wandte sich zum Gehen. „Wir sehen uns also übermorgen um zehn bei den Gammas.“ „Sei pünktlich und denke daran, dass Halloween ist“, fügte er glucksend hinzu.
Dann trottete er betont lässig in Richtung des Footballfeldes davon.