Читать книгу Die nächste Generation - Jule Beatsch - Страница 18
ОглавлениеBack in Black
(AC/DC, 1980)
Der dunkle Schatten war gigantisch groß. Tarik stockte für einen kurzen Moment der Atem, als die Gestalt sehr langsam die schwarze Kutte abnahm. Clementine stand bis aufs äußerste angespannt neben ihm und man merkte, dass sich vor Feindseligkeit alle Haare an ihr sträubten wie bei einer Raubkatze. Die Augen der beiden Teenager waren vor Schreck geweitet und auf die verhüllte Person vor ihnen gerichtet; keiner brachte auch nur ein einziges Wort hervor. Die Gestalt hielt kurz inne, dann hörte man ein erstauntes Aufatmen und Clementine und Tarik wurden am Handgelenk gepackt.
„Lass mich los, was fällt dir ein!", knurrte das blonde Mädchen und riss an ihrem Arm, doch der Griff der unbekannten Person war zu fest. Auch Tarik versuchte sich vergebens zu befreien, offenbar war es ein Mann, der vor ihnen stand. Sobald er die beiden ins Innere des Anwesens gezogen hatte, ließ er sie endlich los.
Clementine fauchte böse und schüttelte ihr Handgelenk:
„Man hätte das auch sanfter machen können!"
„Schhhh! Sie hätten euch sehen können! Sie sind einfach überall…", flüsterte der Fremde unter der schwarzen Kutte und legte bedeutsam seinen Zeigefinger auf den Mund. An der Stimme hatten die beiden sofort erkannt, dass es wirklich – wie vermutet – ein Mann sein musste.
„Wer bist du eigentlich?", wagte Tarik mutig zu fragen und sah den seltsamen Mann skeptisch von der Seite an. Aber er reagierte nicht darauf, sondern winkte die beiden zu sich und deutete ihnen an, ihm zu folgen.
„Wo bringst du uns hin? Wenigstens das könntest du uns doch verraten…?", nörgelte Clem sichtlich genervt, aber setzte sich dann doch hinter Tarik in Bewegung. Offenbar hatte sie eingesehen, dass es nichts bringen würde, sich zu beschweren. Zudem waren sie ja tatsächlich in Gefahr. Trotzdem merkwürdig, was der Fremde gesagt hatte. Mit großen, schnellen Schritten eilte der Verhüllte die geräumigen Gänge und Flure entlang. Tarik brachte es kaum fertig, sich die vielen verschiedenen Gemälde anzusehen, die an den steinigen Wänden verteilt hingen. Die meisten von ihnen waren Zeichnungen und Porträts von Leuten, die er noch nie gesehen hatte. Die Gänge, die sie entlangliefen, waren bogenförmig, das fiel ihm sofort auf. Mattes Licht erhellte die dunklen Korridore zumindest so, dass man ein paar Meter weit sehen konnte, ansonsten war es ziemlich finster.
„Glaubst du, er bringt uns unter die Erde?", wisperte Tarik in Clementines Richtung und bemerkte: „Es wird nämlich immer wärmer und die Luftfeuchte ist irgendwie angestiegen." Clem sah ihn nur kurz an: „Keine Ahnung, ich bin genauso lange hier wie du auch, wieso sollte ich mehr wissen?"
Tarik seufzte. Er hätte ja wissen können, dass man mit Clementine einfach kein richtiges Gespräch führen konnte. Das war eines der vielen Dinge, die ihm fehlen würden. Mit Alan hatte er immer über alles Mögliche reden können, er war immer für ihn da gewesen und nun hatte er ihn, ohne auch nur ein einziges Wort des Abschieds, vielleicht für immer verlassen. Tarik spürte, wie sein furchtbar schlechtes Gewissen an ihm nagte, aber er wusste, dass er das hier alles nur deshalb tat, weil es das einzig richtige war.
„Hier rein, los kommt schon, das hier ist kein Hotel!", befahl die Stimme, aber nicht herrisch, sondern eher freundlich, was Tarik nachdenklich werden ließ.
„Was ist das denn bitte hier?", fragte Clementine und sah sich neugierig um. Tarik folgte ihrem Blick und bemerkte, dass sie in einem sehr großen Raum mit relativ hoher Decke standen. Verrostete Kerzenleuchter, von denen weißes Wachs tropfte, warfen ein unheimliches Dämmerlicht an die Wände. Tarik entdeckte einige Vitrinen an der Wand, in denen Waffen aufbewahrt wurden. Auch in diesem Raum hingen Gemälde von großen Kriegern und heldenhaften Menschen.
„Wow, was ist das hier?", flüsterte Tarik begeistert, sein Blick war an den Waffen hängengeblieben. Sie waren nicht staubig, aber es fiel dem Jungen auf, dass eine verklebte Substanz die Griffe und Klingen zierte. Mit Schrecken musste er feststellen, dass es aussah wie Blut, und zwar nicht gerade wenig. Das hier musste echt etwas ganz Besonderes sein.
„Wer bist du eigentlich? Und warum entführst du uns gegen unseren Willen, na? Zeig dich, wir haben keine Angst!", forderte Clementine und verlieh ihrer ohnehin schon zynischen Stimme einen scharfen Unterton.
„Ganz ruhig, ich habe euch außerdem nicht entführt, da muss ich wohl was klarstellen: Ihr seid mir ja freiwillig hinterhergelaufen, ich habe euch nicht mit Gewalt hierher gezwungen. Ihr müsst auch keine Angst haben, zumindest nicht vor mir", erklärte der Fremde ruhig und sachlich.
„Wer bist du und warum versteckst du dich vor uns? Wir sind doch nun wirklich keine Gefahr für dich, oder?", fragte Tarik ernst und verschränkte die Arme erwartungsvoll.
„Oh stimmt, hätte ich ja beinahe vergessen", lachte der Mann und zog sich mit einer Handbewegung die Kutte vom Körper. Zum Vorschein kam ein muskelbepackter, am Arm und an der Brust tätowierter junger Mann mit dunklem Haar und leuchtend grünen Augen. Er hatte ein eng anliegendes schwarzes T-Shirt an, wodurch man seine Muskeln besonders gut sehen konnte und seine Stimme war dunkel. Er konnte kaum älter als zwanzig sein. Clementine hatte offenbar mit einem solchen Anblick nicht gerechnet, denn ausnahmsweise lag ihr mal kein bösartiger Kommentar auf der Zunge. Tarik spürte irritiert einen kleinen Stich der Eifersucht.
„Ich bin Zac", grinste der Unbekannte und strich sich betont lässig mit der Hand durch die dunklen Haare. Seine ganze Dynamik glich einem Raubtier, denn er bewegte sich leise und aufmerksam; auch vorhin, als er sie hierher geführt hatte, hatte man fast keinen seiner Schritte gehört.
„Und wozu die ganze Heimlichtuerei? Hättest du uns nicht auch ganz normal oben am Eingang empfangen können? War dieser dramatische Auftritt denn wirklich nötig?", meinte Tarik und sah Zac schräg von der Seite an, er wusste noch nicht, ob er ihm vertrauen konnte.
„Da muss ich ihm leider ausnahmsweise mal Recht geben", bekräftigte Clementine und blickte Zac misstrauisch an, wobei sie kein einziges Mal blinzelte.
„Das hier ist kein Spielchen, falls ihr das denken solltet. Das ist ab heute eure Realität. So viel sollte euch vorerst mal klar sein. Ich habe die schwarze Kutte getragen, damit mich von außen keiner erkennen kann, es hätte ja schließlich sein können, dass da draußen vor der Tür komplett Fremde oder Feinde stehen. Ich musste auf Nummer sichergehen. Ich habe erkannt, dass ihr zwei die seid, auf deren Ankunft wir nur gewartet haben. Deshalb der ‚dramatische Auftritt‘, wie du es liebevoll genannt hast, Kumpel!", erklärte Zac und starrte die beiden abwechselnd forsch an.
„Was ist denn soooo gefährlich, womit wir selbst nicht fertig werden können?", erwiderte Clementine gelangweilt und prüfte ihre Fingernägel.
„Da draußen sind verdammte Jäger, die es auf euer Blut abgesehen haben! Sie wollen euch ausrotten, sie hassen euch! Für sie soll alles so bleiben, wie es gerade im Moment der Fall ist! Die können hinter jedem Felsen, hinter jedem Baum, einfach überall lauern und euch aus dem Hinterhalt angreifen! Noch dazu habt ihr wahrscheinlich keinerlei Erfahrung im Nahkampf, oder? Ihr seht nämlich ehrlich gesagt nicht so aus", rief Zac nun aufgebracht und musterte Tarik und Clementine mit einem kritischen Blick.
„Aber…" hob sie an und wollte wieder einen spitzen Kommentar abfeuern, als Zac ihr in Wort fiel: „Ihr zwei hört jetzt am besten auf mich. Ihr habt ja nicht die leiseste Ahnung, mit wem ihr es hier zu tun habt!"
Ein Knarzen einer der Hintertüren in dem Saal, in dem sich die drei befanden, unterbrach ihn; die Tür öffnete sich und Zac murmelte zufrieden: „Na endlich, da sind sie ja! Darf ich euch vorstellen: Mr. Mitchell!"